Schluss

Politisierung und Öffentlichkeitszuwachs führten zur Revolution

Am Ende des betrachteten Zeitraumes war in breiteren Schichten der Gesellschaft eine Politisierung erreicht, die schließlich zur Revolution von 1848/49 führte. Dieser Prozess zeigte sich schon den Jahrzehnten zuvor und führte zu einer größeren Rolle von Öffentlichkeit und öffentlicher Meinung:

Durch die Revolutionen und die Kriege waren fast alle von den großen politischen Debatten betroffen. Trotz Zensur und Repression hatten viel mehr Menschen mit politischen Organisationen zu tun und dank der Presse waren sie auf der Höhe wichtiger Neuigkeiten. Die amerikanische und die französische Revolution hatten den Staat als Instrument der gesamten Nation präsentiert und das bedeutete, dass es sich bei Politik nicht mehr ausschließlich um die Angelegenheit einer kleinen Elite handelte. Politiker wandten sich immer öfter an die noch nicht wahlberechtigte Bevölkerung, reklamierten für sich, in deren Namen zu sprechen und wurden von stets breiteren Schichten dieser Bevölkerung darauf angesprochen. Die Basis für die Ausweitung des Wahlrechts sowie für das Entstehen politischer Parteien und einer demokratischen politischen Kultur, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konkrete Gestalt annehmen sollten, war gelegt.

(Altena/van Lente 2009, S. 158)

Schlüsselerkenntnisse aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Abb.: Barrikaden im März 1848 in Berlin. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Spätestens mit der Revolution von 1848/49 sollte sich bei den in den deutschen Staaten Herrschenden die Erkenntnis durchsetzen, dass a) das „Ende der Zensur und damit der präventiven Behandlung der Presse“ angesagt war.1

Und b), „dass wegen der enorm gestiegenen Anforderungen die Pressepolitik innerhalb des Regierungsapparates besser organisiert werden müsse“ (Piereth 1994, S. 33). Wie anderswo setzte man in Preußen auf die Installierung und Vervollkommnung eines Pressebüros mit durchaus wechselnden Bezeichnungen (Literarisches Kabinett, Zentralstelle für Presseangelegenheiten, Literarisches Büro).

Generell haben wir es aber, c), noch mit einer medien- bzw. PR-historischen Situation zu tun, in der noch nicht vorwiegend das Verhältnis von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit als zweier Teilsysteme strukturell öffentliche Kommunikation prägt.

Vielmehr wurde dieses entstehende Verhältnis überlagert vom strukturellen Gegensatz zwischen obrigkeitsstaatlich-amtlicher und oppositionell-gesellschaftlicher Kommunikation bzw. – in den Worten von Rühl (1999, S. 153ff.) – zwischen den ‚zwei gegenläufigen Publizistiksystemen im 19. Jahrhundert‘ „obrigkeitsstaatliche Presse“ und „demokratischer Journalismus“. Wobei – eben weil dieser alte Gegensatz noch vorherrschte – streng genommen nicht (oder nur in Ansätzen) von Journalismus im heutigen Sinne gesprochen werden kann. Es handelte sich vielmehr auf beiden Seiten – in den Worten von Liebert (2003, S. 14ff.) – um „Gesinnungs-Publizistik“ (bzw. auf staatlicher Seite auch gesinnungsorientierter Medienpolitik). Auch auf Seiten von Staat und Verwaltung kann allenfalls von Ansätzen staatlicher bzw. amtlicher Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im heutigen Sinne ausgegangen werden.

Reiz dieser Epoche und zugleich Forschungsbedarf erwachsen aus Überlagerung und Wandel der zwei beschriebenen strukturellen Verhältnisse.

 

Der chronologisch folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Zeitabschnitt 1848-1857.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Wettstein 1983, S. 531. In der Schweiz bedeutete schon das Jahr 1830 das Ende der Zensur.