Amtliche Öffentlichkeitsarbeit im Ersten Weltkrieg

Kommunikation und Krieg – eine Einleitung

Kommunikation im Krieg

Abb.: Erklärung des Kriegszustandes des Kaiserreiches durch Wilhelm II. Gegengezeichnet durch Reichskanzler Bethmann Hollweg. 31. Juli 1914. Scan der hist. Vorlage. Quelle: Wikimedia Commons (in den USA und verm. auch in Dtschl. gemeinfrei).

Nicht alle der nachfolgend behandelten Kommunikationsziele und -maßnahmen entsprechen in sachlicher und/oder ethischer Hinsicht einem modernen Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit. Unter den Bedingungen des kaiserlichen Obrigkeitsstaates und noch dazu des Krieges wurden vielfältige Kommunikationsanstrengungen (einschließlich der Verhinderung von Kommunikation mittels Zensur) entfaltet, die unter kommunikationstypologischer Sicht teilweise der Propaganda bzw. der Kommunikations- und Medienpolitik zuzurechnen sind.

 

 

„Die Presse als Mittel der Kriegführung“ lautet das Einleitungskapitel einer Arbeit von Bertkau. Darin zitiert er den Nationalökonomen und Begründer der Zeitungswissenschaft Karl Bücher wie folgt:

(S)eit Erfindung der Buchdruckerkunst“ gehe „jedem Kriege mit den Waffen ein Krieg mit der Druckerschwärze zur Seite (…), in dem jede Partei die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen sucht

(Bücher 1915, zit. nach Bertkau, S. 2).

Im Ersten Weltkrieg wurde der einfache Mensch erstmals in der Geschichte zum „Objekt so gezielter, alle Lebensbereiche erfassender Formen der Beeinflussung“ (Verhey 1997, S. 176; vgl. auch Liebert 1999, Verhey 1999, S. 39ff. und 47). Ob es allerdings in Deutschland eine systematische und geplante ideelle und kommunikative Vorbereitung auf den Weltkrieg gegeben hat, ist nach Kunczik (1997, S. 137) umstritten. Zweifellos dürfte die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zugenommene Rolle militaristischer und imperialistischer Politik latent in diese Richtung gewirkt haben. Und sicher existierten konkrete Bemühungen bestimmter Gruppierungen oder Persönlichkeiten, wie beispielsweise von Paul Rohrbach (1869-1956).1

Doch wie dem auch sei: Zu Kriegsbeginn 1914 zog sich durch alle Schichten der Bevölkerung und auch durch die verschiedenen Parteien eine Kriegsbegeisterung, die in der Literatur und der damaligen Propaganda mit „Geist von 1914“ oder „Burgfrieden“ tituliert wird. Zwar habe es bereits im Sommer 1914 Gruppen innerhalb der Bevölkerung gegeben, die dem Krieg kritisch gegenüberstanden; der Großteil der Deutschen jedoch war vom Krieg begeistert. Schulze spricht von einer sozialpsychologisch erklärbaren Reaktion „auf den als unerträglich empfundenen außenpolitischen Druck wie auf den Verlust der inneren Einheit“ in den Jahren zuvor (Schulze 1996, S. 155).

Anfang 1917 hingegen ersehnte ein Großteil der Bevölkerung eine Beendigung des Krieges.2

Zunehmende Bedeutung von öffentlicher Meinung und Volksstimmung

Abb.: Einberufene auf dem Weg von den Einkleidungsdepots zu den Kasernen, Berlin 1914. Foto: Kriegs-Bild- und Filmamt. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Interessant ist, dass mit dem Anhalten der Kampfhandlungen und dem Abflachen der Begeisterung die Relevanz der „Volksstimmung“ für den Ausgang des Krieges von dem Kommunikationspolitikern mehr und mehr erkannt wurde: Durchaus widerstrebend habe man im Kriegsverlauf akzeptiert, dass in der modernen Industriegesellschaft die „Durchsetzung politischer Ziele von der Zustimmung der Bevölkerung abhängig“ sei, und damit sei klar geworden, dass politische Entscheidungen vermittelt werden mussten. „Öffentlichkeitsarbeit wurde als zentrales Feld der Politik entdeckt“ (Schmidt 2006, S. 9). Uneinig war man sich, so Schmidt, jedoch über die Konsequenzen dieser Einsicht. Ohne Zweifel hat der Erste Weltkrieg eine Ausweitung und „Strategisierung“ von persuasiver Kommunikation und von Öffentlichkeitsarbeit gebracht.

Im damaligen Deutschland wurde – befördert durch das negative Ergebnis des Krieges – eine Überlegenheit der alliierten über die deutsche Weltkriegspropaganda beklagt. Diese These, für die durchaus Indizien sprechen, lieferte (auch oder primär) außermilitärische Ursachen für die deutsche Kriegsniederlage und konnte damit die Militärs von ihrer Verantwortung entlasten. Damit war sie auch geeignet, die einflussreiche „Dolchstoß-Legende“ zu stützen und die Niederlage der innenpolitischen Opposition in die Schuhe zu schieben.3

Die Kriegserfahrungen – einschließlich der tatsächlichen oder vermeintlichen Überlegenheit der Gegner in der Kommunikation – brachten eine höhere Wertschätzung für eine auf massenpsychologischen Erkenntnissen aufbauende Propaganda hervor, die sich nach dem Krieg teilweise in einen Glauben an die Omnipotenz von Propaganda steigerte. Allerdings entstanden im Krieg auch Argumente für eine „Demokratisierung“ amtlicher Kommunikation, an die die Weimarer Republik anknüpfen konnte. Beide Tendenzen bewirkten – oder beförderten zumindest – den Aufschwung von Propagandalehre, Zeitungskunde und Publizistikwissenschaft in der Zwischenkriegszeit.4

Autor(en): T.L.E.B.E.S.

Anmerkungen
Vorwaerts_Generalstreik_1918

Abb.: Aufruf zum Generalstreik in der SPD-Zeitung „Vorwärts“ am 9. November 1918. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

1 Vgl. Kunczik 1997, S. 138f. und http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Rohrbach Vgl. auch Verhey 1999, S. 46.

2 Vgl. Ackermann 2004, S. 189.

3 Siehe u. a. Verhey 1999, S. 39f.; http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/innenpolitik/dolchstoss/ index.html

4 Liebert 2003, S. 61f. Vgl. auch Kunczik 1997, S. 163-165.

 

Bildnachweis für Beitragsfoto (ganz oben): Soldaten erhalten nach der Mobilmachung den ersten Sold, Berlin 1914. Quelle: ADN-Zentralbild, dann Bundesarchiv Bild 183-R25206, CC-BY-SA / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/