Reichszentrale für Heimatdienst

Aufklärung für das Inland

Abb.: Siegel der Reichszentrale für Heimatdienst um 1925. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Die Reichszentrale für Heimatdienst (RfH) entstand im November 1919 aus der 1918 geschaffenen Zentralstelle für Heimataufklärung. Damit war sie ein Produkt des Ersten Weltkrieges und entwickelte sich doch zu einer wichtigen demokratischen Institution in der Weimarer Republik. Der Begriff „Heimat“ akzentuierte die eigene Bevölkerung als Adressaten, im Unterschied zur staatlichen Kommunikation mit dem Ausland. 1933, mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, wurde die Behörde aufgelöst.

Abb.: Deutsche Postbriefmarke von 2002 anlässlich des Jubiläums der Bundeszentrale für politische Bildung. Entwurf: Angela Kühn für Bundesministerium der Finanzen und Deutsche Post AG. Quelle: Wikimedia Commons (urheberrechtsfrei).

Sie kann als eine Art Vorläufer der heutigen Bundeszentrale für politische Bildung1 betrachtet werden. Als Letztere 1952 gegründet wurde, war man sich der Traditionslinie durchaus bewusst: „Bundesinnenminister Lehr hatte in einem Vortrag im Hamburger Überseeclub im Herbst 1951 die neue Einrichtung bewusst in die Tradition der ‚Reichszentrale für Heimatdienst‘ gestellt, die in der Weimarer Republik die Demokratie in der deutschen Bevölkerung zu popularisieren gesucht hatte.“ (http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte-nach-1945/geschichte-der-bpb/36421/gruendung-und-aufbau-1952-1961)

Doch zunächst zu den Wurzeln im deutschen Kaiserreich:2 Angesichts der sich stetig verschlechternden Kriegslage Ende 1917 verblassten die von der Obersten Heeresleitung herausgegebenen Durchhalte- und Siegfriedensparolen zunehmend. Die Regierung des Kaiserreichs sah sich deshalb gezwungen, eine Möglichkeit zu suchen, selbst direkten Einfluss auf die Bevölkerung nehmen zu können. Im März 1918 wurde daraufhin die Zentralstelle für Heimataufklärung als zivile Aufklärungsstelle gegründet, im Oktober 1918 in Zentrale für Heimatdienst (ZfH) umbenannt.

Die Reichszentrale bzw. Zentralstelle für Heimatdienst war damit die erste Behörde für politische Aufklärungsarbeit auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands und gleichzeitig ein Novum im deutschen Regierungssystem. Sie war der Versuch des politisch-administrativen Systems, bei der kommunikativ-ideellen Bewältigung der Kriegsfolgen gegenüber dem Militär wieder in die Offensive zu kommen. Da es im Ausland keine parallele Entwicklung gab, kann die Reichszentrale als spezifisch deutsche Eigenentwicklung betrachtet werden.

Erst unmittelbar vor dem Zusammenbruch des Kaiserreichs als Machtinstrument der Regierung gegründet, konnte sich die Reichszentrale in die Weimarer Republik retten. Dort erlebte sie eine bemerkenswerte Entwicklung, welche, ebenso wie die Zentrale selbst, heute kaum noch bekannt ist.

Politische Bildung und Demokratie

Abb.: Schreiben des Reichskanzlers Wirth von 1922. Aus: Wippermann 1976, S. 447.

Wurde politische „Bildung“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts lediglich als Propagandamaßnahme der oder für die Regierung verstanden, so ist es einer der großen Verdienste der Reichszentrale, dass sie sich im Laufe ihrer Entwicklung von einem Propagandainstrument hin zu einer überparteilichen, politischen Informationsstelle wandelte. Die Methodik und Arbeitskonzepte, welche für die Aufgaben der Reichszentrale entworfen wurden, bilden darüber hinaus die Grundlage für die heutige politische Bildungsarbeit.

Die Erkenntnis, dass eine umfassende politische Bildung der Bürger die notwendige Voraussetzung für das Funktionieren eines demokratischen Staatswesens darstellt, ist das Ergebnis eines Lernprozesses, welcher in der Weimarer Republik seinen eigentlichen Ursprung hat.

Der Reichszentrale für Heimatdienst kam dabei die Rolle zu, politische PR – im Sinne von (sachlich-neutraler) Information und Aufklärung – erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Das Scheitern von Weimar und die Machtübernahme der Nationalsozialisten war deshalb wohl zu einem gewissen – wenn auch nur begrenzten – Teil auch auf die durch Sparmaßnahmen beschränkten Möglichkeiten der Reichszentrale Anfang der 1930er-Jahre zurückzuführen.3

Autor(en): R.H.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. dazu http://www.bpb.de/die-bpb/

2 Die folgende Darstellung fußt im Wesentlichen auf Richter 1963, Wippermann 1976 und Kunczik 1997.  Richter 1963 verwendete Aufzeichnungen und Berichte des Leiters der Reichszentrale, Dr. Richard Strahl. Strahl beschrieb nicht nur den Aufbau, sondern auch interne Vorgänge und Entscheidungsfindungsprozesse sowie die Interaktion der Reichszentrale mit den jeweiligen politischen Funktionsträgern. In einer Art Zwischenbericht fasste Strahl 1922 die ersten vier Jahre der Entwicklung zusammen. Sechs Jahre später (Strahl 1928) veröffentlichte er die „Aufgaben und Ziele der staatspolitischen Aufklärungsarbeit“ und erläuterte dabei die Struktur und die Funktionsweise der Reichszentrale. Ein weiterer unveröffentlichter Aufsatz, von Strahl nach Angaben des Bundesarchivs in Koblenz Ende der 1950er-Jahre geschrieben, betrachtet rückblickend die gesamte Entwicklung der Behörde. (R.H.) Einige Originaldokumente aus der Arbeit Strahls können auch online eingesehen werden unter: Bundesarchiv: Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik. (T.L.)

3 Diese These kann gewiss problematisiert werden, was z. B. Wippermann (1976, S. 11) tut.