Strategie und Stil: Die Traditionalisten 1914-1916

Abb.: Kaiser Wilhelm II. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei)

Im Laufe des Jahres 1915 kam dem deutschen Volk die Kriegslust abhanden. Für ihre Kommunikationspolitik zogen die Traditionalisten hieraus kaum Konsequenzen – zu sehr fürchteten sie eine Veränderung der Gesellschaft, die aus einer Veränderung der Öffentlichkeitsarbeit hervorgehen könnte: „Das konservative Selbstbild hatte zur Folge, dass Traditionalisten einer Modernisierung amtlicher Öffentlichkeitsarbeit ablehnend gegenüberstanden. Tiefsitzende Ängste vor unabsehbaren Folgen grundlegender Innovationen kamen hinzu“ (Schmidt 2006, S. 82).

Deutsche „Aufklärung“ versus alliierte Psychologie

Als negative Kontrastfolie für die eigene Arbeit dienten ihnen vor allem die amerikanische und die britische PR bzw. Kriegspropaganda. Deutschlands Gegner im Krieg waren insbesondere beim Zeichnen von Feinbildern, beim Stigmatisieren der anderen Seite „zum Untermenschen, zur Bestie“, dem Kaiserreich wohl ein Stück weit voraus. Kunczik (2002, S. 47) verweist u. a. auf englische Darstellungen der Deutschen als „Frankenstein“ und „Hunnen“.1

In der kommunikationspolitischen Praxis derjenigen Deutschen, die zunächst das Sagen hatten – also der Traditionalisten -, wurde eine „Massenkommunikation, die auf die Mobilisierung von Affekten zielte“, abgelehnt (Schmidt 2006, S. 83). Für die Traditionalisten stand über alle Kriegsjahre hinweg grundsätzlich fest: „Wir sind von dem Grundsatz ausgegangen, (…) dass wir in deutscher Art die Aufklärung zu betreiben haben und nicht in den Vordergrund schieben dürfen den ganzen Dschingdera mit Kinolügen und Plakatübertreibungen und sonstigen Geschichten“ (Major Seebohm Anfang 1918, zit. in Schmidt 2006, S. 182, vgl. auch S. 86). Die ablehnende Haltung der konservativen Traditionalisten gegenüber einer zeitgenössischen modernen Propaganda hinderte diese an einem Erfolg in der Öffentlichkeitsarbeit, wie ihn beispielsweise die Briten verzeichnen konnten.

An den Zielgruppen vorbei

Insgesamt kann man feststellen, dass die Propaganda der Traditionalisten an einem großen Teil der Bevölkerung vorbeiging: In den ersten Monaten wurde die Regierung durch die Kriegsbegeisterung der Massen getragen. Als diese nachließ, machte sich dieser Fehler bemerkbar. „Es fehlte das System, die Erkenntnis der Volkspsyche und die demgemäße Durchführung der Propaganda, (…), weil sie keine reklamepsychologischen Grundlagen hatte, sondern vom grünen Tische aus gehandhabt wurde“ (Wiehler 1922, zit. in Goros 1998/99, S. 106f.). Auch Goros beschreibt, dass sich die deutsche Öffentlichkeitsarbeit nicht an ihrer Zielgruppe orientierte.

Ein kleiner Wandel in der Kommunikationspolitik wurde jedoch sichtbar mit dem Bruch in der Werbung von der fünften zur sechsten Kriegsanleihe. Motiviert durch das schlechte Ergebnis der fünften Kriegsanleihe und die zunehmenden Spannungen im Deutschen Reich wagten die traditionalistischen Kommunikationspolitiker, ihre Öffentlichkeitsarbeit teilweise zu modernisieren. Der durchbrechende Erfolg der sechsten Kriegsanleihenkampagne bestätigte diesen Schritt rückwirkend.2

Autor(en): E.B.E.S.T.L.

Anmerkungen

1 Dazu auch Kunczik, Michael (1998): British and German propaganda in the United States from 1914 to 1917. In: Wilke, J. (Hrsg.) (1998): Propaganda in the 20th Century. Cresskill, N. J.

2 Vgl. Goros 1998/99, S. 122.