Administrativ-institutionelle Haupttendenzen

Professionalisierung der Macht: Fachverwaltung und Beamtenapparat

„Die Ausweitung des zentralen Beamtenapparats“ bildete eine längerfristige Tendenz, „die unter reformerischen Fürsten im 18. Jahrhundert begonnen hatte und seit der Französischen Revolution forciert worden war“. Sie setzte sich fort, „wenn auch mit Einschränkungen, da die Staaten aufgrund der Napoleonischen Kriege“ und ihren Folgen „mit chronischen Defiziten zu kämpfen hatten“ (Altena/van Lente 2009, S. 150).

Die zunehmenden staatlichen Eingriffe in das gesellschaftliche Leben führten zu einer allmählichen Verlagerung der Macht des Fürsten, seines Hofs und des Adels auf die Minister und ihre Beamten. Steuererhebung, technischer Unterricht und Volksgesundheit waren schließlich komplizierte Fragen, die man am besten Experten überlassen konnte. Einige hohe Beamte konnten dadurch wichtige Initiativen entwickeln und umsetzen.

(Altena/van Lente 2009, S. 151).

Mit dem zunehmenden Einfluss des Beamtenapparates bildeten sich diesbezügliche Sonderinteressen heraus, die auch Ressourcen staatlicher Öffentlichkeitsarbeit für sich nutzen wollten. Nach dem Tode von Hardenberg 1822 versuchten einflussreiche Beamte nun auch, die in der Ära Hardenberg geschaffenen Instrumente – wie die Staatszeitung – entgegen den ursprünglich reformerischen Intentionen zur Eindämmung partizipatorischer bzw. emanzipatorischer Anliegen zu nutzen.1

Unterschiedlichkeit der Zweckkonstellationen nahm zu

Insgesamt fiel die Rolle der Administration im Spektrum von Reform und Bewahrung in Teilen bzw. je nach Thema oder Zeitpunkt durchaus unterschiedlich aus.2 Dabei konnte es auch zu unterschiedlichen Konstellationen konservativer und liberaler Kräfte kommen, was sich auf Vorstellungen zu praktizierender Öffentlichkeit(sarbeit) auswirken musste. Falsch wäre eine vereinseitigende Sicht, Staat und Bürokratie per se als reaktionär bzw. konservativ oder öffentlichkeitsfeindlich und die bürgerliche Gesellschaft ausschließlich progressiv bzw. liberal oder öffentlichkeitsfreundlich anzusehen:

Untersucht man (…) im Einzelnen die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Ziele und Bestrebungen des frühliberalen Stadtbürgertums bis zur Revolution von 1848, so wird deutlich, dass diese Bürger in den kommunalen Gremien, aber auch in den frühkonstitutionellen Repräsentativorganen (Parlamente) keineswegs immer auf Seite des Fortschritts, der Emanzipation und der Modernisierung standen; im Gegenteil hielten sie oft hartnäckig an ausgesprochen sozialkonservativen berufsständischen Vorstellungen fest, und dann war es doch wieder die staatliche Bürokratie, die gemäß ihrem Selbstverständnis als Sachwalter des ‚allgemeinen Interesses‘ gegen allzu enge Partikularinteressen, für eine Politik der behutsamen Reform und des – kontrollierten – gesellschaftlichen Wandels auch gegen den Traditionalismus stadtbürgerlicher Eliten eintrat.

(Bauer 2004, S. 68)

Die bürgerliche Gesellschaft organisierte sich

Nicht nur die Staatsverwaltung professionalisierte und institutionalisierte sich weiter. Auch in ihrem zivilgesellschaftlichen Pendant, in Wirtschaft und oppositioneller Politik, organisierten sich die Bürger. Als Beispiele: Fabrikanten und Kaufleute gründeten schon 1819 den „Allgemeinen deutschen Handels- und Gewerbeverein“. An den Universitäten hatten sich die Burschenschaften (1817 Wartburgfest) gebildet, die nun zu einer gesamtnationalen Bewegung wurden.3

Vor allem aber führte die zunehmende Industrialisierung zu einem Ausbau und einer Ausdifferenzierung des Wirtschaftssystems mit seinen Branchen und Fabriken, Unternehmungen etc.

Organisationsgesellschaft auf dem Vormarsch – Staat fürchtete Kontrollverlust

Diese wachsende „Organisationsgesellschaft“4 in Wirtschaft, oppositioneller Politik und Kultur (Vereine etc.) stellte die Institutionen von Staat und Verwaltung quantitativ bald in den Schatten. Dies und das damit verbundene Einfluss- und Machtpotenzial erweckten bei den alten Kräften, die den Staat noch immer trugen, Ängste.

Die daraus hervorgehende repressive Politik verstärkte häufig das Problem noch: In die Illegalität getriebene politische oder politiknahe Organisationen erschienen den Geheimpolizisten und Zensoren als noch gefährlicher. Überall wurde Subversion vermutet, dies „machte die Autoritäten nervös“ (Altena/van Lente 2009, S. 151). Ein solches Klima kann eine Gesellschaft auf Dauer nicht aushalten und tendiert in Richtung einer Umwälzung der Kommunikations- und Machtstrukturen.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Dittmer 1992, S. 12.

2 Vgl. dazu Dittmer 1992.

3 Vgl. Geschichte 1977, S. 20-22.

4 Vgl. dazu auch Liebert 2003, S. 25ff.