Mediengeschichte: Technologie und Kommerz
Presse wurde moderner und zum lohnenden Geschäft
Technologische Innovationen veränderten mit der gesamten Wirtschaft auch das Presse- und Kommunikationswesen. Verbesserungen in der Papierherstellung und in der Drucktechnik sind hier in erster Linie zu nennen.
1819 lief in Berlin die erste (Langsieb-) Papiermaschine an, die bereits 1798 vom Franzosen Louis Robert erfunden worden war. Sie konnte die vierfache Menge einer Bütte erzeugen.
Eine kleine Papiermühle mit einer Bütte fabrizierte im Jahr bei vierzehn- bis sechzehnstündiger Arbeitszeit im günstigsten Falle 15 Tonnen Papier. Eine Papiermaschine um 1830 produzierte dagegen 100 Tonnen.
(Geschichte 1977, S. 28f.)
Die von Friedrich Koenig 1812 erfundene und 1817 konstruierte Schnellpresse wurde zum ersten Mal 1822 in Berlin wirksam.
Bereits in den 20er Jahren lieferten seine Pressen bis zu 1.200 Drucken stündlich. Das war eine sensationelle technische Verbesserung, wenn man bedenkt, dass mit der hölzernen Handpresse nur 60 bis 70 Bogen angefertigt werden konnten. Druckmaschinen mit vier Zylindern lieferten Ende der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts bereits bis zu 5000 Abzügen.
(Geschichte 1977, S. 29)
Neue Methoden und damit schnelleres Drucken „ließen das Zeitungsunternehmen zu einem gefragten Geschäft werden. So stieg z.B. die Zahl der Zeitungen auf den Postlisten von 1822 bis 1823 von 474 Titeln auf 843. Dieses Anwachsen hatte seine Ursache aber nicht nur in Neugründungen, sondern zum Teil auch in der Einfuhr ausländischer, vor allem französischer Zeitungen.“ (Geschichte 1977, S. 29)
Zwischen 1834 und 1840 waren der Ausbau des internationalen Korrespondentennetzes, des Handels- und Anzeigenteils in der Zeitung, neue Formen wie der Zeitungsroman in Fortsetzungen sowie die Schaffung von Unterhaltungsteilen bzw. -blättern „Symptome nicht nur für die Modernisierung, sondern auch für die wachsende Kapitalisierung des bürgerlichen Pressewesens“ (Geschichte 1975, S. 51).
Die zunehmende Rolle der Medien als Wirtschaftsgut – im Vergleich zu ihrer politischen Funktion – musste mittelfristig auch Auswirkungen auf die Regeln haben, die ihnen der Staat vorgab. Das Einräumen ökonomischer Freiheiten erhöhte den Druck auf die Autoritäten, auch politische Autonomie zu gewähren.
Das Bild löst dem Jahrhundert die Zunge1
Mit der 1798/99 aufgekommenen Lithographie (Alois Senefelder, 1771-1834), einem Flachdruckverfahren, wurde eine neue Stufe in der Reproduktionstechnik beschritten. 1836 gab es Farblithografien auf RGB-Basis (Chromolithografie von Godefroy Engelmann). Die 1822 entwickelte Heliographie (Joseph Nicéphore Niépce, 1765-1833) ermöglichte erstmals dauerhafte Bilder, was für die Geschichte der Fotografie entscheidend sein sollte. Niépce tat sich ab 1829 mit Louis Jacques Mandé Daguerre (1787-1851) zusammen, die Vorführung der Daguerreotypie 1839 gilt als eigentliche Geburtsstunde der Fotografie.2 Im gleichen Jahr erfand Henry Fox Talbot (1800-1877) mit dem Negativverfahren eine Möglichkeit, Abzüge und Kopien herzustellen.3
Die mediale Anwendung der Fotografie und entsprechender Reproduktionstechnik hatten wesentlichen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung und revolutionäre Stimmung:
Ihren vollen medialen Eigensinn entfaltete die Lithographie in Frankreich. Hier sind v.a. die Wochenzeitung Charles Philipons ‚La Caricature‘ (1830-35) und die Tageszeitung ‚Le Charivari‘ (1833-72) zu nennen. Für beide Zeitungen schuf Honore Daurnier rund 3.400 Blätter. Mit dieser rasanten Bilderflut gelingt es der Lithographie, zu einer ‚beachtenswerten öffentlichen Macht zu werden […], die Politik und Gesellschaft geißelt‘.
(Kümmel/Scholz/Schumacher 2004, S. 83)
Auch bei anderen grafischen Techniken waren Innovationen zu verzeichnen. In den 1830er- und 1840er-Jahren verbreitete sich das Hochdruckverfahren des Holzstichs. Damit konnten Illustrationen – beispielsweise satirische Zeichnungen – und die dazugehörenden Kommentare in einem Arbeitsgang gedruckt werden. Dies beförderte die Bild-Presse, die illustrierten Zeitschriften, enorm:
Dem Leipziger ‚Pfennig-Magazin‘ (1833), dem ersten Vertreter der Gattung, folgten bald ‚illustrierte Zeitungen‘ und, seit 1844, satirische Blätter, deren Zeichner in der Zensur – meist symbolisiert durch die Schere – ein dankbares und unerschöpfliches Thema fanden. Von den staatlichen Aufsichtsbehörden schwerer als das gedruckte Wort einzuschränken, trug das politische Spottbild wesentlich dazu bei, den ohnehin schwindenden Respekt vor der Zensur weiter zu vermindern.
(Deutsches Zeitungsmuseum 1988, S. 30)
Sogar erste filmähnliche Darstellungstechniken kamen auf:
1824 hatte Peter Mark Roget (1779-1869) die Trägheit der menschlichen Netzhaut entdeckt. Damit wurde ein Konzept denkbar, bei dem statt bewegter Bildträger eine schnelle Folge von einzelnen Standbildern den Eindruck der Bewegung hervorruft. (…) Die Bilderscheiben wurden gleichzeitig von Joseph Plateau (1801-1883) in Brüssel und Simon Stampfer (1790-1864) in Wien um 1832/33 erfunden. Stampfer prägte auch den Ausdruck ‚stroboskopische Scheiben‘. Schon in den 1830ern verkauften Händler sie als Spielzeug. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Scheiben zu Bildtrommeln verbessert.
(Stöber 2003, S. 14)