Charakteristik der einzelnen Jahrzehnte
Die 1820er-Jahre: Ruhe in Polizeistaat und Biedermeier
Deutschland blieb zumindest an der Oberfläche politisch ruhig, die Restaurationspolitik unter Metternich zeigte Wirkung.1
Man lebte in einem Polizeistaat und richtete sich in diesem ein. Der deutsche Bürger zog sich in die häusliche Beschaulichkeit und Geborgenheit zurück, was im Lebensstil des Biedermeier seinen Ausdruck fand.
(Naumann 2008, S. 37)
Diese generalisierende Einschätzung schließt aber eine gewachsene Rolle und Dynamik von Öffentlichkeit nicht aus, die vor allem auch durch Ereignisse in anderen Ländern – so vom Kampf der Griechen gegen die türkische Herrschaft (1821-29) – ins Wallen gebracht wurde. Dies geht aus einem zeitgenössischen Zitat von Varnhagen von Ense hervor:
Die Griechenversammlungen greifen immer kräftiger durch ganz Deutschland, überall bilden sich Vereine, überall sprechen sich Gesinnungen aus, und die öffentliche Meinung, nachdem ihr ein Ausbruch gegönnt worden, wächst unaufhaltsam und breitet sich gewaltig aus; diese Flut ist nicht mehr zu beschränken.
Die 1830er-Jahre: Juli-Revolution leitete bewegteres Jahrzehnt ein
Kontinentale Bedeutung verschaffte sich die Juli-Revolution 1830 in Frankreich. Die Pariser Revolutionäre brauchten drei Tage, um die 1815 wieder an die Macht gelangte Bourbonen-Dynastie zu stürzen. Dies erschütterte auch andere Staaten Europas.2 Obwohl es in Deutschland nur zu lokal begrenzten Aktionen kam, war die Zeit danach „politisch unruhiger und geistig bewegter als zuvor. Dies fand vor allem in der politischen Publizistik seinen Niederschlag.“ (Naumann 2008, S. 37)
Aber auch solche Ereignisse wie das Hambacher Fest 1832 – eine Massenkundgebung von ca. 30 Tausend Demokraten und Liberalen –, der von Burschenschaften initiierte Sturm auf die Frankfurter Hauptwache 1833 oder die Solidarität mit protestierenden und daraufhin entlassenen Professoren, den „Göttinger Sieben“ 1837, stehen für dieses Jahrzehnt.3
„Auch die Literatur, die Musik und die bildende Kunst konnten sich ‚dem Einfluss der politischen Erregung nicht entziehen, in die ganz Europa durch die Ereignisse des Jahres 1830 versetzt worden war‘ (Friedrich Engels). Zahlreiche deutsche Schriftsteller lösten sich von der Romantik und wandten sich der politischen Gegenwart zu.“ (Vogler/Vetter 1975, S. 210) Ein prominentes Beispiel bildete Heinrich Heine (1797-1856).
Die bürgerlich-patriotische Bewegung der dreißiger Jahre hatte eine breitere Massenbasis als die weitgehend auf die Universitäten beschränkte antifeudale Opposition in den Jahren nach 1815. Eine qualitativ völlig neue Erscheinung war jetzt das erste selbständige Auftreten der deutschen Arbeiterklasse (…)
(Vogler/Vetter 1975, S. 211)
(…), beispielsweise 1830 bei den Arbeiter- und Gesellenunruhen im Rheinland und in Berlin.
Innerhalb der 1830er-Jahre war vor allem die Zeit von 1830 bis 1834 von öffentlicher Dynamik gekennzeichnet.4 Zwischen 1834 und 1840 zog die Reaktion wieder die Zügel an, so dass – nach Einschätzung von Friedrich Engels – „in Deutschland jede öffentliche Bewegung ausstarb“ (Geschichte 1975, S. 33).
Die 1840er-Jahre: auf dem Weg zur Märzrevolution
1840 weckte ein Thronwechsel in Preußen Erwartungen nach Wandel: Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) trat das Erbe seines verstorbenen Vaters an. Dem Sohn – „geistig und künstlerisch hochbegabt, aber sprunghaft in seinem Charakter“ – traute man neue Akzente zu.5 Das Bürgertum wünschte sich von ihm die „endliche Einlösung des 1815 gegebenen Verfassungsversprechens“ (Vogler/Vetter 1975, S. 214).
Die Liberalen setzten große Hoffnungen auf ihn, zumal er die Zensur lockerte sowie Ernst Moritz Arndt und Ludwig Jahn, die Opfer der Demagogenverfolgungen geworden waren, rehabilitierte. Hinsichtlich einer Verfassungsreform ging es in Preußen jedoch nicht voran.
(Naumann 2008, S. 38)
1844 zeigte der Schlesische Weberaufstand das Elend, aber auch die Kraft der Textilarbeiter. 1846/47 verschlechterten sich deutschlandweit die sozialen und politischen Verhältnisse. Mehrere Missernten sowie eine Handels- und Industriekrise führten zu Not und Unruhen. Die preußischen Staatsfinanzen brachen zusammen.6
Schließlich wurde gegen Ende des Jahrzehnts wieder die französische Hauptstadt zum Impulsgeber: 1848 schwappten die dortigen Februar-Ereignisse auf Deutschland über. „Im März 1848 breitete sich die Revolution auf ganz Deutschland aus.“ Sie trug einen liberal-demokratischen und einen nationalen Charakter. In vielen Ländern kamen nach anfänglichen Auseinandersetzungen, dann in Folge von Verhandlungen liberale Ministerien, die sogenannten „Märzministerien“, ans Ruder. Verfassungsgebende Versammlungen konstituierten sich. (Naumann 2008, S. 38f.)