Organisation: Zu Kriegsbeginn 1914

Organisation amtlicher Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auf nationaler Ebene

Zu Kriegsbeginn 1914

Innere und äußere Angelegenheiten

Abb.: Deutscher Reichstag mit Porträt von Reichskanzler Bethmann Hollweg, 1915. Quelle: Pictura Paedagogica Online / Wikipedia. Der Urheberrechtsinhaber hat dort bedingungsloses Nutzungsrecht für jedermann erklärt.

Eine Art Reichspresseamt bei der Regierung existierte 1914 nicht, auch wenn es 1910 dazu Pläne gegeben hatte. Die hohen Regierungsfunktionäre setzten ihre durchaus vorhandenen Ambitionen für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit lieber ressortegoistisch um. Eine eher bedeutendere Nachrichtenstelle war die des Reichsamtes des Inneren.1 Deren Aufgaben lauteten: Zeitungen zu lesen, Kontakte zu Redakteuren und Journalisten zu knüpfen, einen Zeitungsausschnittsdienst zu betreiben, Informationsmaterial für die Pressearbeit zusammenzustellen, Stellungnahmen zu zentralen innenpolitischen Fragen sowie Reden und Interviews für den Staatssekretär vorzubereiten.

Traditionell noch bedeutender war das Pressereferat des Auswärtigen Amtes. Üblicherweise hatte es auch für die positive Außendarstellung des Reichskanzlers und seiner Politik zu sorgen. Theobald von Bethmann Hollweg2, seit 1909 Kanzler, nutzte es also auch zur Vertretung innerer Reichspolitik. Den Vorsitz hatte der altgediente Otto Hammann, welcher zum engen Vertrautenkreis mehrerer Kanzler gehörte, aber von moderner Öffentlichkeitsarbeit wohl nicht sonderlich viel verstand. Am Anfang des Krieges kam das Pressereferat des Auswärtigen Amtes mit „einer Handvoll“ Mitarbeitern aus, wo hingegen bei Kriegsende etwa 400 Menschen beschäftigt waren (Creutz 1996, S. 10ff; vgl. auch Schmidt 2006, S. 36f.).

Kriegsministerium und Reichsmarineamt

Noch vor Kriegsbeginn 1914 konnte das preußische Kriegsministerium nach budgetären Gegenwind von Parlamentariern eine „amtliche Nachrichtenstelle“ einrichten. Interessanterweise gab den Anstoß dazu eine „häufig extrem aggressive Berichterstattung deutscher Zeitungen während der Balkankriege 1912/13, die nicht immer im Interesse der Reichsführung gelegen hatte“ (Schmidt 2006, S. 35). Major Erhard Deutelmoser übernahm die Pressearbeit des Ministeriums.3 Preußischer Kriegsminister bis Anfang 1915 war Erich von Falkenhayn.4 Es bestand die Hoffnung – wie es Cleinow (1914, S. 287), der Herausgeber der national-liberalen Zeitschrift Grenzboten formulierte5 -, dass „die Nachrichtenstelle des Kriegsministers sicher bald dasselbe hohe Vertrauen genießen“ werde, „wie es sich die entsprechende Einrichtung beim Reichsmarineamt erworben und durch länger als ein Jahrzehnt erhalten“ habe.

In der Tat galt das Nachrichtenbüro des Reichsmarineamtes als vorbildhaft. Es war „im Kaiserreich die modernste und funktionsfähigste offizielle Stelle für Öffentlichkeitsarbeit“ (Schmidt 2006, S. 34). Unter Leitung von Admiral Alfred Tirpitz war es bereits 1897 als Abteilung für Presse- und Parlamentsangelegenheiten eingerichtet worden. Mittels umfangreichem Vortragsprogramm, populär geschriebenen Broschüren und des Einsatzes von visuellen Medien wie Plakaten etc. konnte das Nachrichtenbüro schon sehr früh und mit Erfolg für die Marine werben. Im Unterschied zu anderen amtlichen Nachrichtenstellen wollte man durch die Kommunikationsmaßnahmen gezielt auch die Personengruppen des Kleinbürgertums und der Arbeiterschaft ansprechen. Bei Kriegsbeginn wurde das umfangreiche Wissen des Reichsmarineamtes über Kommunikations- und Medienpolitik sowie Öffentlichkeitsarbeit vorläufig nur im Bereich der Marine eingesetzt. Erst ab 1916 erweiterte man das Kompetenzfeld und wendete die Fähigkeiten auch in anderen Bereichen an.6

Militärische Stellen: Generalstab

Abb.: Oberstleutnant Walter Nicolai, Chef der deutschen Spionageabteilung 1914. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Mit Kriegsbeginn gingen wichtige Kompetenzen staatlicher Medienpolitik und Kommunikationsbeeinflussung von der politisch-administrativen Ebene auf das Militär über. „Erst im Verlaufe des Jahres 1916 bestimmten kaiserliche Kabinettsorder, dass die Militärbefehlshaber in bestimmten Fragen den Anweisungen des Kriegsministeriums Folge zu leisten hätten.“ (Schmidt 2006, S. 33) Durch den Kriegszustand wurde der deutsche Generalstab zur quasi wichtigsten Institution. Vor 1914 gab es dort keine spezielle Stelle für Zensurpolitik oder Öffentlichkeitsarbeit, wohl aber eine für Spionage und Spionageabwehr. Diese Nachrichtenabteilung IIIb beim Chef des Generalstabs wurde 1914 kurzerhand auch mit Zensur und militärischer Informationspolitik beauftragt.

Geleitet wurde diese Abteilung von Major (später Oberstleutnant) Walter Nicolai7. In der ‚Heimat‘ übernahm unter der Führung von General (Karl? – T.L.) Brose die entsprechende Abteilung des stellvertretenden Generals die kommunikationspolitischen Aufgaben. Sie war der Nachrichtenabteilung IIIb direkt unterstellt und hatte den Anweisungen Nicolais Folge zu leisten. Auf einschlägige Erfahrungen in Sachen Kommunikationspolitik konnten die zuständigen Offiziere nicht verweisen; in Friedenszeiten hatten sie lediglich Journalisten bei den Kaisermanövern betreut. Trotz der prekären Ausgangslage entwickelte sich die Nachrichtenabteilung in den ersten zwei Kriegsjahren rasch zu einem wichtigen und einflussreichen Zentrum der offiziellen Zensur- und Pressepolitik.

(Schmidt 2006, S. 34)8

Der oben erwähnte Offizier Deutelmoser aus dem preußischen Kriegsministerium wurde hier als Pressechef eingesetzt.

Zwischenfazit

Mit Kriegsbeginn 1914 gab es also alles in allem zunächst keine angemessene Struktur staatlicher und militärischer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Zu erklären ist das sicherlich mit dem großen Optimismus hinsichtlich des Sieges und einer kurzen Zeitdauer des Krieges.9 „Die Mobilisation beschränkte sich auf rein militärische Dinge. Erst im Laufe des Krieges sind dann mannigfache Einrichtungen geschaffen worden, vor allem das Kriegspresseamt und die Oberzensurstelle, die eine gewisse einheitliche Führung brachten (…)“. (Bertkau 1928, S. 9)

Autor(en): E.B.E.S.T.L.

Anmerkungen

1 Nicht zu verwechseln mit dem Literarischen Büro beim preußischen Innenministerium. Vgl. auch Schmidt 2006, S. 37, Fußnote 33.

2 Theobald von Bethmann Hollweg (1856-1921) war Reichskanzler von 1909 bis 1917. http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/BethmannHollwegTheobald/index.html ; http://www.reichstag-abgeordnetendatenbank.de/selectmaske.html?pnd=118510320&recherche=ja ; http://de.wikipedia.org/wiki/Theobald_von_Bethmann_Hollweg

3 Zu Deutelmoser: Schmidt 2006, Seite 185, Fußnote 11, http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0011/adr/adrag/kap1_4/para2_70.html und http://de.wikipedia.org/wiki/Erhard_Deutelmoser

4 General von Falkenhayn hielt den Krieg frühzeitig für nicht mehr gewinnbar, verheizte aber andererseits Soldaten massenhaft. Zeitweise war er auch Generalstabschef in der Obersten Heeresleitung. http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/FalkenhaynErich/ und http://de.wikipedia.org/wiki/Erich_von_Falkenhayn

5 Cleinow diente im Ersten Weltkrieg selber in militärischen Presseabteilungen. http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/adr/adrag/kap1_3/para2_45.html und http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Cleinow

6 Vgl. auch Koszyk 1973, S. 157f.

7 Zu Nicolai auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Nicolai_(Geheimdienstoffizier)

8 Vgl. auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Abteilung_III_b

9 Vgl. Kunczik 1997, S. 161.