Geschichtlicher Überblick

Das Literarische Büro: geschichtlicher Überblick

Amtliche Pressestelle der Regierung zwischen Kontinuität und Erneuerung

Abb.: Karikatur zur Niederlage der europäischen Revolutionen von 1848/49 „Rundgemälde von Europa“ von Ferdinand Schröders (1818-1857). Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Die Geschichte des Literarischen Büros lässt sich über beinahe 110 Jahre verfolgen: von der Zeit des Wiener Kongresses 1814/15 über die 1840er-Jahre bis zu den 1920er-Jahren.1

Der preußische Staatskanzler Karl August Freiherr von Hardenberg, der Preußen nach dem Sturz Napoleons auf dem Wiener Kongress vertrat, stellte während dieses politischen Großereignisses einen Literarischen Stab aus Staatsbeamten und Schriftstellern zusammen. Spätestens seit 1816 lassen sich Aktivitäten eines ersten Literarischen Büros in Preußens Regierung nachweisen. Zu einer kontinuierlicheren Entwicklung kam es insbesondere ab 1841, als mit einem Schreiben von König Friedrich Wilhelm IV. an den Geheimen Staatsminister des Innern vom 14. Oktober 1841 das Ministerial-Zeitungsbüro eingerichtet wurde.

Die Aufgaben der Einrichtung von 1841 waren die Beobachtung und Überwachung, andererseits aber auch die Unterstützung der Presse durch Lieferung von Artikeln. Die Relevanz und Notwendigkeit dieser Institution war auch nach ihrer Gründung nicht unumstritten, und auch aus heutiger Sicht ist sie als ambivalent einzuschätzen. Bekanntlich umfasste der genannte Zeitraum unterschiedliche Regierungen und Staatsformen. Dass die Zeitgenossen häufig unzufrieden waren und Optimierungsbedarf sahen, zeigen die ständigen Namensänderungen sowie Veränderungen der Aufgaben und Tätigkeiten. Wichtige Determinanten für das Büro waren einerseits das Pressewesen bzw. die öffentliche Meinung, auf die es wirken sollte, und andererseits die jeweilige Herrschaftsstruktur, in deren Auftrag und in der es wirken sollte. Machtverschiebungen im Regierungsapparat führten zeitweilig zu Bedeutungsverlusten des Büros. Mit Um- und Neustrukturierungen versuchte man dann, dem Literarischen Büro wieder einen höheren Rang und Stellenwert zukommen zu lassen.

Erste Organisationsversuche in Preußen und sich wandelnde Bezeichnungen

Wie sah das Verhältnis zwischen Regierung und Journalismus aus? Geprägt wurde es durch die Staats- und Gesellschaftsform, die bis 1918 als Monarchie und Obrigkeitsstaat zu charakterisieren ist. Allerdings lassen sich in diesen vielen Jahrzehnten auch verschiedene Phasen unterscheiden, in denen Presse und öffentlicher Meinung durchaus differenziert gegenübergetreten wurde.

An anderer Stelle im PR-Museum wird die Entwicklung der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit Preußens seit der Errichtung des Königtums 1701 in mehreren Beiträgen nachvollzogen: I. von den Anfängen bis Friedrich II. („der Große“), II. von 1789 (Französische Revolution) bis 1807 (Frieden von Tilsit), III. von 1807 bis zu den Befreiungskriegen von 1813/14 und IV. vom Wiener Kongress 1814/15 bis zum Tode des Staatskanzlers Hardenberg 1822.

Die epochalen Auswirkungen der Französischen Revolution, die jahrelangen Feldzüge Napoleons durch ganz Europa und die Erhebung der Deutschen in den Befreiungskriegen sowie die anstehende politische Neuordnung des Kontinents hatten in den Jahrzehnten um 1800 zu einer Mobilisierung der Bevölkerung und zu außen- sowie innenpolitischer Dynamik geführt. Wichtiges Ergebnis waren die umfangreichen Reformen in Preußen seit 1807, auch als Stein-Hardenbergsche Reformen bekannt. Reformerische und reaktionäre Politiker in ganz Europa kamen an der Einsicht nicht mehr vorbei, dass ohne Berücksichtigung von öffentlicher Meinung und Presse nicht mehr erfolgreich regiert werden kann. Daraus erklären sich die Ansätze von 1814/16 für ein Literarisches Büro.

Abb.: Faksimile aus Sänger 1966, S. 13. Ihre Fußnote 18 bezieht sich auf die Quelle d’Ester (Die papierne Macht, S. 39) und ihre Fußnote 19 auf die Quelle Groth (Die Zeitung, Bd. 2, S. 78).

Nach dem Wiener Kongress von 1815 setzte allerdings eine Phase der Restauration ein. Die Zeit war von Zensur, Säuberungsmaßnahmen, Zeitungsverboten, Sondersteuern und Gefängnisstrafen für Herausgeber und Redakteure gekennzeichnet. Die Presse wurde streng überwacht. Dennoch startete nach einem Thronwechsel 1841 – wie gesagt – mit der Einrichtung des Ministerial-Zeitungsbüros ein Neuanfang. Nach dem Scheitern des Ministerial-Zeitungsbüros 1848 nach nur sieben Jahren seiner Existenz, rief man im selben Jahr das Literarische Kabinett ins Leben. Dessen zentrale Aufgabe: Zeitungen auswerten, also die Beobachtung der veröffentlichten Meinung. Unterstellt war das Büro dem preußischen Minister des Innern. 1851 folgte die erste Umbenennung in „Centralstelle für Preßangelegenheiten“. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg wirkte die Zentralstelle im Sinne der Regierung auf die Inhalte der Zeitungen ein. Prägend für diese Phase war der Versuch, die Presse durch Bestechung und Subventionen zu steuern. 1860 wurde die Zentralstelle für Presseangelegenheiten in das Literarische Büro umgewandelt.

Reich versus Preußen, Außen- versus Innenministerium

Abb.: Bismarck verlässt nach seinem Rücktritt am 18. März 1890 Berlin mit dem Zug vom Lehrter Bahnhof am 29. März 1890. Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz. Quelle: DGDB (für Forschung und Lehre erlaubt).

Parallel dazu richtete 1871 die neue Reichsregierung ein eigenes Pressedezernat mit geringen Kompetenzen im Auswärtigen Amt ein. Das Literarische Büro nahm daraufhin zunächst weiterhin nur preußische Angelegenheiten wahr. Später vergrößerte sich der Aufgabenbereich, es nahm nun auch Weisungen der Reichskanzlei entgegen. 1890 und 1894 bedeuteten für das Literarische Büro einen „doppelten“ großen Bruch: Leo Graf von Caprivi wurde 1890 Bismarcks Nachfolger als Reichskanzler. Er glaubte, „einer Pressepolitik und Beziehungen zur Presse nicht zu bedürfen“. Einzelne Behörden und Minister „entschieden nach eigenem Gutdünken, was, wann, wie und wem sie Nachrichten gaben“. (Sänger 1966, S. 16)

1894 wurde Otto Hammann Leiter der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes.2 Danach entwickelte sich das Auswärtige Amt zur größten Konkurrenz des Literarischen Büros. Hammanns Aufgabe war es, für eine zentrale Pressepolitik der Regierung zu sorgen. Er baute die Pressestelle des Auswärtigen Amtes so stark aus, dass sie zur einzigen offiziellen Informationsquelle für die Presse wurde. Über Hammanns Büro liefen von da an die gesamten offiziellen Beziehungen zur Presse. Das Literarische Büro sah sich damit zentraler Kompetenzen beraubt. Kaum jemand kooperierte noch mit der Behörde.

Rivalitäten im Machtapparat bei der Pressearbeit

Dagegen entstand das „System Hammann“: Hammann versorgte regierungsfreundliche Journalisten mit Informationen, kritische oder gar gegnerische Pressevertreter wurden dagegen mit mageren Auskünften von Hilfskräften abgespeist. Als Nebeneffekt der Zentralisierung der Pressearbeit durch die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes ergab sich, dass der Reichskanzler keinen direkten Zugriff mehr auf Informationen hatte, sondern abhängig war vom Auswärtigen Amt. Diese Abhängigkeit stieß in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts zunehmend auf Kritik, so dass im Vorfeld des Ersten Weltkriegs die staatliche Pressepolitik wieder neu geordnet werden und das Pressereferat der alleinigen Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes entzogen werden sollte. Dies geschah nicht, weil Hammann am 27. Dezember 1916 das Feld räumte, da er angeblich seinen Aufgaben nicht mehr gewachsen sei. Schon seit Oktober 1915 übte das neue Kriegspresseamt eine strenge Zensur der Presse aus.

1920, zwei Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde dann auch das bis dahin faktisch noch bestehende Literarische Büro aufgelöst. Allerdings gab es da schon andere Institutionen der Regierung der Weimarer Republik für Pressearbeit.3 Auch oder gerade unter demokratischen Verhältnissen können Ressortstreitigkeiten eine große Rolle spielen, wie der Untergang des Literarischen Büros zeigt: „Im Herbst 1919 kam es zum Streit um die Mittel für das Literarische Büro, nachdem sich der sozialdemokratische Innenminister … eine Pressestelle eingerichtet hatte.“ Der Streit zwischen Staats- und Innenministerium konnte schließlich nicht konstruktiv gelöst werden und „lief auf eine Abwicklung hinaus“, zumal auch andere Ministerien die Stelle für verzichtbar hielten. (Lau 2003, S. 138f.)

Autor(en): C.G.K.Z.T.L.G.BE.

Anmerkungen

1 Siehe dazu u. a. Kunczik 1997, S. 83-104. Sänger 1966, S. 16-20. Auch schon Groth 1929 und Wappler 1935. Zu den Ansätzen von 1814/16 vgl. Kunczik 1997, S. 78 und S. 71, nach Hofmeister-Hunger 1994, S. 372.

2 U. a. Kunczik 1997, S. 99ff.

3 Vgl. Kunczik 1997, S. 166ff.