Frühe Formen 1814/16

Anfänge und Aufgaben des Literarischen Büros

Frühe Formen: Literarischer Stab 1814/15 und Literarisches Büro 1816

Literarischer Stab im preußischen Hauptquartier und auf dem Wiener Kongress

Abb: Karl Julius Lange (eigentlich Simson Alexander David), der 1806 einen Vorschlag für ein Pressereferat machte, 1808 in einem Schmähbild als Kollaborateur in französischer Uniform. Die publizistische Auseinandersetzung in jenen schwierigen Jahren zog alle Register. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei) http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de

Der preußische Staatskanzler Karl August Freiherr von Hardenberg, der Preußen nach dem Sturz Napoleons auf dem Wiener Kongress vertrat, stellte während dieses politischen Großereignisses in der preußischen Gesandtschaft einen Literarischen Stab aus Staatsbeamten und Schriftstellern zusammen. Karl August Varnhagen von Ense, politischer Literat und Spiritus rector dieses Kreises, war von Hardenberg nach Wien gerufen worden, um spezifische Kommunikationsaufgaben zu erfüllen: regelmäßige Erstellung eines kommentierten Pressespiegels und Berichterstattung darüber; das Verfassen eigener Artikel für verschiedene Zeitungen; Kontaktpflege mit Journalisten und Autoren, um diese ebenfalls zu Artikeln im Sinne der Position Preußens zu bewegen.

Der Literarische Stab in Wien stützte sich teilweise auf Personen und Ressourcen, die beim preußischen Hauptquartier, also der militärischen Führung in den Befreiungskriegen, literarische Arbeit leisteten. Das preußische Hauptquartier sammelte bei seinem gemeinsamen Zug mit den Alliierten gegen Napoleon bis nach Paris auch Journalisten und Schriftsteller um sich.1

Wie beispielsweise später der Erste Weltkrieg ebenso zeigen wird, sind im Kriegsfalle wichtige staatliche Kommunikationsfunktionen in der militärischen Zentrale angesiedelt. Dabei entsteht in der Regel stets ein Problem des Verhältnisses zwischen ziviler und militärischer Kommunikationspolitik, das von Hardenberg seinerzeit geschickt als „Doppelstrategie“ angelegt wurde. Interessanterweise fiel der aktivere, offensivere und liberalere Part dem literarischen Stab beim Hauptquartier zu – so lange dies für den Sieg über Napoleon notwendig erschien. Eine Rezension (Obenaus 1995) fasst wichtige diesbezügliche Forschungsergebnisse von Hofmeister-Hunger 1994 zusammen:

Es kam zu einer Zweiteilung zwischen rigider Berliner Zensurpolitik, die Hardenberg konservativen Beamten anvertraute, und den Aktionen des literarischen Stabs im unmittelbar kontrollierbaren, aktuell informierten Hauptquartier. (…) Insgesamt (…) erlaubte der Bund der Koalitionsmächte gegen Napoleon einen Aufschwung staatlicher Öffentlichkeitsarbeit – es entstand der Eindruck einer erstmals realisierten Pressefreiheit.“ Allerdings seien mit dem Verschwinden der feindlichen Integrationsfigur Napoleon die – jetzt O-Ton Hofmeister-Hunger (dort S. 255f.) – „bereits angelegten Gegensätze zwischen Gouvernement und Schriftstellern – sofern sie sich den nationalliberalen Strömungen anschlossen“ – aufgebrochen. Die öffentliche Meinung – „bislang als Bundesgenossin der Reformbeamtenschaft und des antinapoleonischen Kampfes reklamiert“ – geriet in „offenen Widerspruch zu den ungebrochenen Selbstherrschaftsansprüchen der Bürokratien.

(Zit. nach Obenaus 1995, S. 516)

Zum Literarischen Stab im preußischen Hauptquartier und auf dem Wiener Kongress siehe auch im PR-Museum innerhalb der Darstellung zur Geschichte staatlicher Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikationspolitik in Preußen.

Literarisches Büro 1816

Spätestens seit 1816 lassen sich Aktivitäten eines ersten Literarischen Büros bei der preußischen Regierung nachweisen. Leiter dieser in Deutschland – nach bisherigem Erkenntnisstand – ersten einschlägigen Einrichtung war Friedrich von Cölln, sein Nachfolger nach dem Tod von Cöllns 1820 war Carl Heun.

Im Prinzip wurde mit dem Literarischen Büro ein Vorschlag verwirklicht, den ein Karl Julius Lange schon 1806 machte. Lange – ein wendiger Journalist und eine schillernde Persönlichkeit, die Hardenberg aus der fränkischen Zeit kannte – hatte ein Konzept professioneller Pressebeobachtung erarbeitet und glänzte auch mit anderen publizistischen Ideen.2

Aufgaben des Literarischen Büros waren die Beobachtung der politischen Publizistik und die Berichterstattung über diese Hardenberg gegenüber. Darüber hinaus entwickelte sich dieses Büro unter von Cölln als ein Instrument zur polizeilichen Überwachung: Denunziation von „Staatsfeinden“, das Anschwärzen von vermeintlichen Oppositionellen war keine Seltenheit.3 Hier wirkte sich der Charakter der Zeit bis zu den 1840er-Jahren als Restaurationsphase aus.

Eine Rezension (Obenaus 1995, S. 517) fasst wichtige diesbezügliche Forschungsergebnisse von Hofmeister-Hunger 1994 zusammen:

Das Literarische Büro sei …

wahrscheinlich in Parallele und Ergänzung zum Statistischen Büro direkt unter dem Staatskanzleramt eingerichtet“ worden. „Auch wenn die Quellenlage bisher keine genaue Beschreibung zulässt, wird deutlich, dass das Büro eine Servicefunktion für Polizeiministerium und Staatskanzleramt besaß.

(Obenaus 1995, S. 517)

Abb.: Karikatur auf die Karlsbader Beschlüsse: Der Denker-Club, um 1820. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Die programmatisch-strategische Funktion dieses Literarischen Büros darf aber nicht überschätzt werden. Als Hauptinstrument zur aktiven, positiven Beeinflussung der öffentlichen Meinung setzten Hardenberg und die preußische Administration schließlich auf eine Staatszeitung, man praktizierte also selber „Journalismus“: 1819 wurde die Allgemeine Preußische Staatszeitung gegründet. Und 1819 wurde das preußische Zensurgesetz im Ergebnis der reaktionären Karlsbader Beschlüsse verschärft – das präventive Polizeisystem triumphierte gegenüber dem nachgelagerten Justizsystem.4

Zum Literarischen Büro siehe auch im PR-Museum innerhalb der Darstellung zur Geschichte staatlicher Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikationspolitik in Preußen.

Autor(en): T.L.G.BE.

Anmerkungen

1 Siehe dazu Hofmeister-Hunger 1994, S. 283ff. Vgl. auch Kunczik 1997, S. 78.

2 Vgl. Kunczik 1997, S. 72f.

3 Siehe dazu Hofmeister-Hunger 1994, S. 372ff. Vgl. auch Kunczik 1997, S. 71.

4 Vgl. Obenaus 1995 und Hofmeister-Hunger 1994.