Kriegspressekonferenzen 1914-1918 (I. Weltkrieg)

Kriegspressekonferenzen 1914-1918

Neue Form der Regierungs-PR

Abb.: Erster Weltkrieg: Truppen verlassen den Hauptbahnhof Fürth (Bayern) 7. / 8. August 1914. Quelle: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges erkannte die Regierung unter Führung von Reichskanzler Bethmann Hollweg die Notwendigkeit, die Öffentlichkeit über aktuelle Ereignisse zu informieren und damit den Nutzen der Presse. Deshalb fand am 3. August 1914 die erste Kriegspressekonferenz als Kontaktmöglichkeit zwischen Presse und Regierung statt. Sie ging aus den täglichen Sprechstunden des Generalstabs und des Reichsmarineamtes hervor. Von nun an informierte der Generalstab die Pressevertreter über seine Pläne und über Kriegsereignisse. Viele der Richtlinien und Informationen, die den deutschen Pressevertretern auf den Konferenzen vorgesetzt wurden, waren häufig „streng vertraulich“. Um die Geheimhaltung bestimmter Informationen zu sichern, wurde im Jahre 1914 das „Reichsgesetz gegen den Verrat militärischer Geheimnisse“ erlassen, mit dessen Hilfe nun unerlaubte Veröffentlichungen bestraft werden konnten.

… aber auf „neutralem Boden“

Die Kriegspressekonferenzen waren Veranstaltungen der Regierung. Für die Durchführung der Pressekonferenzen wurde neutraler Boden gewählt: das Berliner Reichstagsgebäude. Später wechselte der Standort und die Pressevertreter erhielten ihre Informationen im Abgeordnetenhaus. Anfangs erfolgten die Sitzungen täglich, aber mit Anhalten des Krieges begnügte sich die Regierung mit zwei bis drei Veranstaltungen pro Woche. Vorsitzende waren Vertreter des Reichsmarineamtes, die aber im Oktober 1915 von Georg Schweitzer, einem Beauftragten der Oberzensurstelle, abgelöst wurden. Seine Funktion kann man als die eines „Pressesprechers“ bezeichnen, auch wenn es diese Bezeichnung zu jener Zeit noch nicht gab.

An den Konferenzen nahmen neben den verschiedenen Regierungsvertretern durchschnittlich 100 bis 150 Pressevertreter teil, die durch die Regierung eingeladen wurden. Neben den Pressekonferenzen gab es Pressebesprechungen der stellvertretenden Generalkommandos in den Bezirken, sowie Informationsveranstaltungen für die Presse, die vom Pressedienst der Obersten Heeresleitung einberufen wurden.1

Die Kriegspressekonferenzen erleichterten den Verkehr zwischen der Regierung und der Presse. Gleichzeitig wurden die Journalisten durch die Zensur in ihrer freien Berichterstattung eingeschränkt, wodurch sich die Funktion der Konferenzen darauf reduzierte, den Zensurstellen die Arbeit zu erleichtern. Durch die lancierten Nachrichten wurde die Öffentlichkeit oft in die Irre geführt.

Regionales Beispiel Sachsen – ein punktuelles Zeitdokument von 1916

Für die Bewertung der damaligen Beziehung zwischen Staat und Presse muss berücksichtigt werden, dass – pauschal gesprochen – weder die Regierenden noch viele Journalisten ein im heutigen Sinne demokratisches Selbstverständnis besaßen. Falls doch, glaubten sich diese Persönlichkeiten häufig Erfordernissen des Krieges und der „Vaterlandsverteidigung“ fügen zu müssen, woraus auch eine mangelnde Distanz vieler Journalisten gegenüber den Veranstaltern der Pressekonferenzen erwuchs. Dies lässt sich jedenfalls aus einem Verbands-Dokument sächsischer Journalisten schließen, das zugleich über die Verbreitung von Pressekonferenzen auf unterer Ebene Auskunft gibt: Der Landesverband der sächsischen Presse beschränke sich …

(…) in voller Anerkennung der Notwendigkeit einer militärischen Zensur lediglich darauf, eine sachgemäße und in der Form wohlwollende Ausübung der Zensur zu befürworten“. „In einer Pressekonferenz mit Vertretern der Königlichen Staatsregierung ist kürzlich in humoristischer Weise eine Äußerung aus einer Besprechung im Kriegspresseamt erwähnt worden; sie lautet etwa wie folgt: Die Presse werde dereinst von den Zensurbehörden mit der Wehmut eines Touristen Abschied nehmen, die ihn beschleicht, wenn er sich von dem Führer trennt, der ihn über eisige Berggipfel und an gähnenden Gletscherspalten vorbeigeführt habe. (…) Natürlich bleibt der Wunsch, dass die politische und wirtschaftspolitische Zensur immer mehr weitherziger und gleichmäßiger und nur insoweit ausgeübt werde, als dies die siegreiche Durchführung des Krieges unbedingt erfordert (…). Wenn etwas zur Erfüllung dieses Wunsches beitragen kann, so sind das die in den letzten Monaten auf Veranlassung der Königlichen Generalkommandos des 12. und 19. Armeekorps eingeführten und im Wesentlichen von Vertretern des Königlichen Ministeriums des Innern geführten Pressekonferenzen in Dresden. Dort ist der Presse erwünschte Gelegenheit gegeben, ihre Ansichten und, wo solche vorhanden sind, ihre Klagen zu äußern. In erster Reihe ins Leben gerufen, um die uns jetzt so ernst beschäftigenden Ernährungsfragen zu klären, können diese Pressekonferenzen bei weiterer Ausgestaltung und bei regerer Beteiligung der Presse selbst gewiss nur dazu dienen, ein verständnisvolles Zusammenarbeiten aller Stellen zu dem großen Ziele zu fördern, das wir alle von Herzen wünschen, zur siegreichen Beendigung des Krieges.

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Der letzte Teil des Zitates ist ein Indiz dafür, dass sich die Funktion der Pressekonferenzen mit zunehmender Dauer des Krieges wandelte: Diente sie den Herrschenden zunächst vor allem dazu, die Zensur zu erläutern und dafür bei den Journalisten um Verständnis zu werben, führte der wachsende Problemdruck auf das Hinterland und damit die gesamte Gesellschaft zu neuen Herausforderungen (z. B. Hungergefahr etc.). Dies ließ es den Regierenden geraten erscheinen, Öffentlichkeit und Medien stärker aktiv einzubeziehen. Die Erkenntnis, dass die Kriegsfolgen nicht mehr ohne Information und Mobilisierung der Bevölkerung bewältigt werden konnten, war ein wesentlicher Katalysator für eine Ausweitung von insbesondere staatlicher und kommunaler Öffentlichkeitsarbeit – worauf an anderer Stelle noch eingegangen wird.

Autor(en): J.HE.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Nicolai 1920, S. 51f; Groth 1929, S. 238ff. Auch Mühsam 1918, S. 63, und Koszyk 1972, S. 20.

2 Jahresbericht 1915/16 des Landesverbandes der Sächsischen Presse. Stadtarchiv Leipzig, Kap. 35, Nr. 977.