Öffentlichkeitsverständnis Friedrichs des Großen

Vergleich zu Napoleon

Abb.: Titel von: Everth, Erich (1931): Die Öffentlichkeit in der Außenpolitik von Karl V. bis Napoleon. (= Politik und Öffentlichkeit. Beiträge zur Lehre von der Publizistik) Jena: Gustav Fischer.

Der Zeitungswissenschaftler Erich Everth (1931) hebt in seiner historischen Längsschnittanalyse der Öffentlichkeit in der Außenpolitik „von Karl V. bis Napoleon“ neben dem großen Korsen auch den „großen Friedrich“ hervor, im Inhaltsverzeichnis als einzigen der preußischen Könige. Zwischen beiden Persönlichkeiten sah er deutliche Unterschiede, die auch durch den zeitlich-historischen Unterschied zustande kamen.

Natürlich habe Napoleon

(…) zur Öffentlichkeit von vornherein in einem ganz anderen Verhältnis als etwa Friedrich der Große (gestanden). Er rechnete mit dem Volke anders als der blaublütige Herrscher, dem das Volk nur als Mittel, allenfalls als Hemmnis seiner Arbeit am Staat erschien, aber noch nicht so sehr als ein Faktor, den man auf Schritt und Tritt berücksichtigen musste. In Napoleons sämtlichen Äußerungen ist viel mehr und öfter vom Volk die Rede als bei Friedrich, der fast immer bloß vom Staate sprach, und das war bei Napoleon nicht allein Berechnung, sondern es war ihm natürlich; Nation war ja auch der neue große Begriff, den die Revolution gebracht hatte und den Friedrich kaum kannte, der ihm jedenfalls nicht vertraut war. (…) Napoleon hatte Verständnis für die reale Bedeutung populärer Meinungen. Denn er war der Erbe dieser Revolution und ihr Schüler. (S. 416) (…) Napoleons Cäsarismus war, echt cäsarisch, mit einem Tropfen demokratischen Öls gesalbt.

(Everth 1931, S. 417)

Haltung zum Volke

Abb.: Friedrich II. Gemälde von Anton Graff (1736-1813), 1781. Quelle: Wikimedia Commons, Public Domain.

Von Friedrich II. schrieb Everth (1931, S. 14), dass dieser „wenig nach der Meinung seiner Untertanen fragte“ und es kaum üblich gewesen sei, „ihre Stimmungen politisch zu verwerten, weder indem er sie zu seiner Hilfe aufputschte, noch indem er diplomatisch oder publizistisch auf angebliche populäre Meinungen verwies“. Allerdings war der König zu der Einsicht gelangt, dass ein „unwissendes und dummes Volk“ nicht etwa leichter, sondern schwerer zu regieren war als ein „genügend gebildetes“ (Zit. nach Kunczik 1997, S. 67f.).

Letztlich typisch sei aber die „aristokratische Auffassung des Ancien Régime“ gewesen, „wie sie Friedrich 1743 in einem Brief an Voltaire gezeichnet hatte: ‚Volk? Hirsche, die den Park der vornehmen Leute bevölkern‘ (…)“. (Everth 1931, S. 417)

Anders sah das allerdings mit der Haltung gegenüber den „vornehmen Leuten“, den Gebildeten, Beamten etc., auch als Leser der Presse, aus. U. a. war der König Teil eines internationalen Kommunikationsgeflechtes von Intellektuellen: sozusagen eines sozialen, wenn auch elitären, Netzwerkes, das nicht wie heute auf Online-Medien, sondern Briefen beruhte:

Friedrich der Große begriff sich selbst als ein Angehöriger einer ‚république des lettres‘, jenes europaweiten Kommunikationsnetzes der Philosophen, Aufklärer, Gelehrten und Literaten, die über Korrespondenzen und Austausch ihrer Werke miteinander in Verbindung standen.

(Staatsbibliothek Berlin 2012)

Autor(en): T.L.