Messe und sozialistische Öffentlichkeitsarbeit

Sozialistische Öffentlichkeitsarbeit

Die folgende Darstellung konzentriert sich auf die Messe als Kommunikationsereignis und ihre Kommunikationsarbeit. Diese kann mindestens in Teilen als Werbung und Öffentlichkeitsarbeit charakterisiert werden, die sich allerdings unter den Bedingungen zunächst der sowjetischen Besatzungsmacht und dann der sozialistisch-planwirtschaftlichen DDR vollzogen haben.

Eine grundsätzliche und ausführliche Diskussion um Möglichkeit und Grenzen von Öffentlichkeitsarbeit/PR „im Sozialismus“ bzw. von „sozialistischer Öffentlichkeitsarbeit“ kann und soll in dieser Abhandlung nicht geführt werden.1 Es folgen lediglich einige einordnende Bemerkungen.

Politische Messefunktionen und Propaganda

Da die Leipziger Messe neben wirtschaftlichen ebenso politische Funktionen erfüllte, war Auslands-Öffentlichkeitsarbeit der Messe zwangsläufig auch mit staatlicher Propaganda verknüpft:

Da die Leipziger Messe eine Veranstaltung der DDR ist, kommt es darauf an, die Identität zwischen Messe und Staat klar herauszustellen und mit der Öffentlichkeitsarbeit für die Messe Auslandsinformationen für die DDR zu verbinden, wie umgekehrt fast alle auslandsinformatorisch tätigen Organe und Institutionen der DDR in ihre Aufgabenstellung die Popularisierung der Leipziger Messe mit einschließen.

(Merkwitschka 1968, S. 102; zit. nach Bentele 1997, S. 153)

In einer aktuellen Arbeit wird konstatiert: Vor dem Mauerbau konnte man „das strategische Kommunikationsmanagement des Leipziger Messeamtes auch temporär als Public Relations bezeichnen“. Nach 1961 hingegen habe „Auslandspropaganda gegenüber den ausländischen, nicht-sozialistischen Teilöffentlichkeiten“ im Vordergrund gestanden. (Otto 2015, S. 194f.)2

Nach innen wurde die Kommunikation der und über die Leipziger Messe ebenso für staatlich-politische Zwecke genutzt. Eine solche Indienstnahme gab es auch in der Demokratie der Weimarer Republik. Auf Basis eines diktatorischen bzw. autoritären Gesellschaftssystems – wie in der DDR – gerät sie allerdings grundsätzlicher und umfassender. Dies bedeutet aber nicht, dass jede einzelne Kommunikationsaktivität, jede einzelne Information der Leipziger Messe in der DDR propagandistischer Natur war.

Wirtschaftliche Messefunktionen und PR

Die Messen hatten eine wirtschaftliche, geradezu existenzielle Bedeutung für die DDR, um den unverzichtbaren Außenhandel mit dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet zu fördern. Wer von westlichen Unternehmen und Institutionen Waren, Geld und Reputation wollte, musste sich auf die Spielregeln des marktwirtschaftlichen Systems einlassen. Dies schloss auch ein, im kapitalistischen Wirtschaftsgebiet übliche Kommunikationsprinzipien und -instrumente anzuwenden: so Absatzwerbung und Public Relations. Da PR im Westen pluralistisch begründet war, galt es auch dies zu berücksichtigen und nicht in Propaganda zu verfallen.

Auch für die Messe mag das zutreffen, was ein DDR-Kommunikator für seinen ehemaligen Arbeitgeber, ein Kombinat, schrieb:

Auf außenwirtschaftlichem Gebiet war Öffentlichkeitsarbeit in der DDR für ein Unternehmen, das intensive Außenhandelsbeziehungen pflegte, nahezu unproblematisch und deckungsgleich mit PR in der Marktwirtschaft (…).

(Müller in Liebert 1998, S. 13)

Im Interesse des wirtschaftlichen Erfolgs war es nicht geboten, diese unmittelbare Wirtschaftskommunikation staatlich-politisch oder ideologisch zu befrachten.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. dazu: Bentele 2005 bzw. 2008, Liebert 1998.

2 Die überarbeitete Fassung der Dissertation von Astrid Otto an der FU Berlin ist primär theoretisch ambitioniert und nicht in erster Linie – wie aufgrund des Untertitels auch vermutet werden könnte – eine „nur“ historische Abhandlung zur Messekommunikation am Beispiel Leipzigs. Selbstverständlich geht es nicht ohne konkrete Geschichte der Messe-PR oder „-PR“, diese nimmt aber nur ein Kapitel von insgesamt sechs ein. Die Zeiträume von 1959 bis 1974 und 1985 bis 1987 (begründet auf Seite 67) werden anhand von Primärquellen aus der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (Bundesarchiv SAPMO), dem Sächsischen Staatsarchiv und dem Unternehmensarchiv der Leipziger Messe aufgearbeitet. Außerdem standen zwei ehemalige Messeamtsmitarbeiter für narrative Interviews zur Verfügung. Besonderes Augenmerk widmet Otto der DDR-Regierungskommission Leipziger Messe (S. 139ff., 149ff., 159ff.). Siehe Otto 2015. Vgl. auch Rezension von Liebert 2015.

1998 fand in Leipzig eine Tagung zum Thema „PR/Öffentlichkeitsarbeit in der DDR“ statt

Titel_PR_in_der_DDR

Abb.: Titelseite der Tagungspublikation von 1998 (Liebert 1998)

Vorwort_PR_in_DDR_erste_Seite_S._5

Abb.: Erste Seite des Vorwortes der Tagungspublikation von 1998 (Liebert 1998)