Messe in der Besatzungszeit

Erste Aktivitäten 1945 und 1946

Im Oktober 1945 (18.-23.10.) fand die erste Messeveranstaltung nach dem Zweiten Weltkrieg, die Musterschau Leipziger Erzeugnisse, statt. Dies geschah auf Anordnung der Sowjetischen Militäradministration Deutschlands (SMAD). Nur 751 Ausstellerfirmen zogen über 90.000 Besucher an.1 Die Gewerbeschau war eine Veranstaltung „messeähnlichen Charakters“ und wurde seinerzeit „als ‚voller Erfolg‘ bei der Ausweitung des Warenaustausches sowohl innerhalb der sowjetischen Besatzungszone als auch nach dem Osten Europas bewertet“ (Zwahr 1999, S. 598).2

Die „erste deutsche Nachkriegsmesse“ im eigentlichen Sinne – tituliert auch als „Friedens-Messe“ – begann am 8. und endete am 12. Mai 1946 in Leipzig. Damit war die seit 1942 kriegsbedingt unterbrochene Kontinuität der Leipziger Messen wieder hergestellt. Eine erste Anregung dazu hatte Dr. Raimund Köhler – bis 1937 erster Präsident des Reichsmesseamtes – bereits am 13. Juli 1945 dem sowjetischen Militärkommandanten gegeben. Schon in der kurzen amerikanischen Besatzungszeit zuvor gab es entsprechende Initiativen, die von den Amerikanern aber abschlägig beantwortet worden waren.3

Zur Messe 1946 kamen über 172.400 Personen, davon ca. 12.750 aus den Westzonen bzw. West-Berlin.4 „Die Messe kam zustande, weil sich in ihr Messeinteressen der (sowjetischen – T.L.) Sieger, der Befreiten (diese in Gestalt antinazistischer Wiederaufbau- und Erneuerungspolitiker) wie der Besiegten verbanden.“ (Zwahr 1999, S. 584) Wichtige Leipziger Akteure waren der sowjetische Stadtkommandant Oberleutnant Trufanow, der noch sozialdemokratische (später SED) Oberbürgermeister Dr. Erich Zeigner, der liberaldemokratische Bürgermeister Johannes Sachse, der kommissarische Leiter bzw. Direktor des Leipziger Messeamtes, Walter Seidel (SPD), und sein Hauptgeschäftsführer Dr. Kurt Pröpper.5

Nicht der Umfang der Handelsgeschäfte bestimmte (…) die Wirkung der Messe vom Mai 1946, sondern die Wiederherstellung eines messestädtischen und zunächst deutschen Führungsanspruchs in Leipzig und für Leipzig, und dies unter den Bedingungen alliierter Besatzungsherrschaft und bald schon Besatzungsrivalität, überformt durch die beginnende Teilung Europas und der Welt im Kalten Krieg.

Das entstehende Konkurrenzverhältnis dynamisierte Wirtschaft und Politik. Es polarisierte zugleich. Denn spätestens im Sommer 1946 wurden in der britischen Zone die Weichen zur Gründung der Hannovermesse gestellt. Der Westzonenhandel konnte wohl nur auf diese Weise verknüpft und intensiviert werden. Die britische Initiative fand die Unterstützung der amerikanischen Militärregierung.

(Zwahr 1999, S. 611)

Gesamtdeutsche Messe 1947

Die letzte und durchaus eindrucksvolle gesamtdeutsche Messe sah Leipzig 1947. „31 Branchen mit 2.771 Ausstellern aus Westdeutschland und weiteren 16 europäischen Staaten waren vertreten; mehr als 172.000 Besucher wurden gezählt.“ (Rodekamp 1997, S. 355) Auch danach rang Leipzig um die Zukunft seiner Messe. 1949 war die Hälfte der Vorkriegsausstellungsfläche nach den Zerstörungen wiederhergestellt.6

Das Leipziger Messeamt, zunächst ab 1945 der Landesverwaltung Sachsen unterstellt, bekam 1949 als vorgesetzte Dienststelle die Deutsche Wirtschaftskommission (DWK). Dabei handelte es sich um eine 1947 gegründete deutsche Zentralbehörde in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), eine semi-staatliche Struktur der künftigen DDR.7

Um die kommunikative Ausstrahlung des Messeplatzes Leipzig in seiner ganzen Dimension einschätzen zu können, sei darauf verwiesen, dass neben dem Messeamt auch innerhalb der kommunalen Verwaltung „PR-Stellen“ arbeiteten: Nachrichtenamt und Verkehrsamt.8

Autor(en): T.L.

Anmerkungen
Leipzig_ruft_Handwerk_1950

Abb.: Schon auf der Messe von 1946 stellte wieder das Handwerk aus. Hier werben die ostdeutschen Handwerkskammern für die Messe 1950. Ausschnitt aus einer zeitgenössischen Publikation.

1 Leipziger Messe GmbH ca. 2002, S. 24; Rodekamp 1997, S. 355.

2 Vgl. auch Pönitz 1994, S. 29ff.

3 Vgl. Zwahr 1999, S. 585-595. Auch Rodekamp 1997, S. 355.

4 Zwahr 1999, S. 606.

5 Vgl. Zwahr 1999, S. 600f. Viele der Messeexperten, wie Seidel, Köhler und Voss, verließen Leipzig später in Richtung Westen (S. 614f.).

6 Rodekamp 1997, S. 356.

7 Vgl. u. a. Liebert 1988, S. 91.

8 Vgl. dazu den Beitrag von Liebert in Liebert (Hrsg.) 1998, S. 23-37.