Messe in der DDR der 1960er-Jahre

Schwierige Jahre nach dem Mauerbau

Abb.: Blick zur Petersstraße, links Messehaus am Markt. Leipziger Jubiläumsmesse 1965. Foto: Zentralbild Horst Sturm. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-D0302-0001-020, CC-BY-SA / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

Der Mauerbau von 1961 kappte viele Verbindungen der planwirtschaftlichen DDR mit ihrer marktwirtschaftlichen Umwelt, darunter auch solche, die der DDR-Wirtschaft vorher nützlich waren. Die DDR musste nun auf wirtschaftliche Unabhängigkeit von der westdeutschen Bundesrepublik setzen, auf „Störfreimachung“ vom „kapitalistischen Klassenfeind“. Umgekehrt bestraften BRD und NATO-Bündnispartner die DDR für die Mauer, die im DDR-Politjargon „antifaschistischer Schutzwall“ hieß: Der seit 1951 bestehende Vertrag über den innerdeutschen Handel wurde gekündigt, man rief zum Boykott der Leipziger Messe auf. Diese aufgeheizte Atmosphäre führte zu mancherlei propagandistischen Scharmützeln, auch auf der Leipziger Messe – zu politischen Spruchbändern im Straßenbild sowieso.1

Dennoch war damit nicht das Aus im innerdeutschen Handel oder das Ende der Leipziger Messe verbunden, wohl aber ein zeitweiliger Rückschlag.2 Nicht alle westdeutschen Firmen folgten dem Boykottaufruf und wurden deshalb von der Bild-Zeitung an den Pranger gestellt. Die DDR spielte zudem die westlichen Akteure geschickt aus, indem sie Großaufträge an anwesende ausländische, nichtdeutsche Firmen vergab.

Normalisierung und Aufschwung des Außenhandels

1963 fuhr die DDR die politische Agitation im Messegeschehen zurück.3 Ab 1963 zogen zudem mit dem Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung (NÖSPL) für einige Jahre marktliche bzw. flexible Elemente in die Planwirtschaft ein. Rückblickend hat es sich dabei um den tiefgreifendsten Versuch in der Geschichte der DDR und der realsozialistischen Länder jener Zeit gehandelt, die Wirtschaft zu reformieren.4 Es dürfte kein Zufall sein, dass damit auch Überlegungen zur Marktkommunikation und zur Öffentlichkeitsarbeit im kapitalistischen und eigenen Wirtschaftsgebiet einher gingen. In der Fachzeitschrift Neue Werbung erschienen 1964 zunächst Beiträge von Alfred Klein: Public Relations und unsere Außenhandelstätigkeit auf kapitalistischen Märkten und von F. Tamme: Kluge Öffentlichkeitsarbeit im Ausland.5

Seit der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre stieg der Handel der DDR mit dem kapitalistischen Wirtschaftsgebiet stark an.6 Ob dies mit der 1963 eingeleiteten NÖSPL zusammen hing und welche – ggf. modifizierte – Rolle darin die Leipziger Messe spielte, kann hier nicht erörtert werden. Leider sparte die große wissenschaftliche Konferenz von 1997 anlässlich des 500. Jubiläums der Verleihung des Messeprivilegs durch Maximilian I. an Leipzig in ihrem „DDR-Teil“ die sechziger – wie auch die achtziger – Jahre aus.Vgl. zu den 1960er-Jahren aber aktuell Otto 2015, S. 153-157. Immerhin führte die NÖSPL zu Strukturveränderungen im Leipziger Messeamt, so in der Presseabteilung.

Organisation und Ausbau der Kommunikation

Abteilungsstrukturen

Anfang der 1960er-Jahre verfügte das Leipziger Messeamt über zwei für Kommunikation relevante Abteilungen: Nr. 4, die Werbeabteilung, und Nr. 5, die Presseabteilung.

Der Werbeabteilung unterstanden die Arbeitsbereiche der Werbemittelherstellung (u. a. die Werbegeschenke), die allgemeine Werbung (Verkehrswerbung, Projektionswerbung, Tonwerbung, Werbung auf Messen und Ausstellungen etc.), die Besucherwerbung (Schriftwechsel Deutschland, Schriftwechsel Ausland), die Werbekartei (Kartei Ausland, Kartei Westdeutschland), die Werbe- und Marktforschung (Fremde Messen) und das Betriebsarchiv.

Dreh- und Angelpunkt der PR-Tätigkeit des Leipziger Messeamtes war die Presseabteilung.

(Elze 1997, S. 11)

Dieser war das 1954 eingerichtete Pressezentrum direkt unterstellt.

Zur Presseabteilung gehörte (außerdem) die Leipziger Messeredaktion, der wiederum der Pressedienst zugeordnet war. Die Messeredaktion gab zusammen mit der Technischen Redaktion die Eigenpublikationen der Messe heraus (…).

(Elze 1997, S. 11)

Ein Organisationsplan von 1966 verzeichnet einen Direktionsbereich „Werbung und Öffentlichkeitsarbeit“, der von einem stellvertretenden Direktor – hier Fred Merkwitschka – geleitet wurde. Damit kann also von einem spezifischen Funktionsverständnis für Öffentlichkeitsar-beit – im Unterschied zu Werbung – ausgegangen werden. „Laut der Organisationsanweisung von 1966 arbeiteten offiziell insgesamt 19 Personen alleine auf Leitungsebene des Direktionsbereichs Werbung und Öffentlichkeitsarbeit des Leipziger Messeamts. Davon waren sieben in der Presseabteilung tätig.“ (Otto 2015, S. 157) Allerdings findet sich in der Binnenstruktur des Direktionsbereiches – jedenfalls nach dem Organigramm von 1966 – der ÖA-Begriff nicht wieder.

Otto geht – wie aus ihrem folgenden Zitat zu schließen ist – von einer Synonymität von Öffentlichkeitsarbeit und Presse aus: „Welche genaue Funktion der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit“ – die aber in der Organisationsgrafik als Presse firmiert – „mit den sogenannten Gruppen `Publikationen‘, ‚Allgemeiner Pressedienst`, `Redaktion Technik` und `Redaktion Konsumgüter` Mitte der 1960er Jahre zugeschrieben wurde, bleibt ungewiss.“ Dazu fand sie für den Zeitraum 1964-1969 keine Akten oder Zeitzeugenaussagen. (Otto 2015, S. 157) In der Tat lässt der Begriff „Presse“ (nicht „Pressearbeit“!) zu, dass damit nicht nur die Bedienung der journalistischen Massenmedien, sondern auch die „organisationseigene Presse“ (Corporate Media) eingeschlossen ist – worauf auch die Subsubstrukturen „Publikationen“ und „Redaktionen“ hindeuten.

Abb.: Organigramm 1966 aus: Otto 2015, S. 156.

Eine Unterabteilung Werbung gab es allerdings. Ein mögliches Begriffsverständnis, dass unter Öffentlichkeitsarbeit alle anderen Unterabteilungen (`Gestaltung`, `Presse`, `Verlag` und `Vertrieb`) als Summenformel gemeint sein könnten, erweist sich nach Kenntnis der jeweiligen Binnenstruktur höchstens „zur Hälfte“ als plausibel (siehe im Organigramm).

Jubiläumsmesse 1965 gab neuen Schub

Abb.: „Historische Messe“ auf dem Naschmarkt in Vorbereitung der Jubiläumsmesse 1965. Foto: Zentralbild Sturm. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-D0227-0001-044, CC-BY-SA / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Im Frühjahr 1965 fand die so genannte Jubiläumsmesse 800 Jahre Leipziger Messe statt. Dafür war ein Jahr zuvor eine Regierungskommission unter Schirmherrschaft des DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht gebildet worden. Für die Stadt Leipzig und ihre Messe brachte das einige bauliche Neuerungen (z. B. Messeamt am Markt).

„Zur Jubiläumsmesse 1965 wurde die Werbeabteilung des Leipziger Messeamts durch einen Sonderstab Werbung erweitert, der das Leitthema `Für weltoffenen Handel und technischen Fortschritt‘ entwickelte. (…) 1967 wird die Abteilung Werbung in die Gruppen ‚Planung und Koordinierung des sozialistischen Wirtschaftsgebiets und DDR‘, ‚kapitalistisches Wirtschaftsgebiet‘, `Westdeutschland` und `West-Berlin‘ sowie `Werbemittelherstellung` umstrukturiert und damit auf die unterschiedlichen Werbemärkte angepasst.“ (Otto 2015, S, 157)

Mitte der 1960er-Jahre gab es offensichtlich Überlegungen zu einer Optimierung der Öffentlichkeitsarbeit der Messe, wie Bentele (1997, S. 153) unter Berufung auf die Dissertation von Fred Merkwitschka8 von 1968 schreibt: So geht es um PR-Medien wie MM-Informationen, Informationen für Facheinkäufer und MM-Interview, um „Exklusivbedienung“ bestimmter journalistischer Medien, Journalisteneinladungen in die DDR und um „besondere Publikumsattraktionen“.

 

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Elze 1997, S. 11.

2 Vgl. Rodekamp 1997, S. 356.

3 Elze 1997, S. 12.

4 U. a. Liebert 1998, S. 6 und 97. Auch: http://www.hdg.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/KontinuitaetUndWandel/WirtschaftlicheEntwicklungenInOstUndWest/neuesOekonomischesSystem.html

5 U. a. Liebert 1998, S. 97.

6 Vgl. Schreiber 1999, S. 668.

7 Vgl. Zwahr/Topfstedt/Bentele (Hrsg.) 1999.

8 Merkwitschka war damals Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Leipziger Messe.