Messe in der DDR von 1949 bis 1961

Erste Jahre: Leipzig als potenziell gesamtdeutscher Platz

Die am 7. Oktober 1949 gegründete Deutsche Demokratische Republik war ein staatlicher Ausdruck deutscher Teilung und weltpolitischer Blockbildung, ein Ergebnis und Instrument des Kalten Krieges zwischen Ost und West. Zukunftsfähigkeit und Dauer der deutschen Zweistaatlichkeit konnten damals noch nicht abgesehen werden. Wie fragil der junge ostdeutsche Staat ohne die Unterstützung der sowjetischen Siegermacht war, zeigte der Arbeiteraufstand von 1953. Die DDR hatte sich zudem den jeweiligen weltpolitischen Optionen und Strategien der Sowjetunion zu fügen, wozu auch eine deutsche Wiedervereinigung gehören konnte (Beispiel „Stalin-Noten“ von 19521). Unter diesen Bedingungen und auf Basis der bisherigen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Ost- und Westdeutschland musste die junge DDR auch auf deutsche Gemeinsamkeiten und Zusammenarbeit setzen.

Dafür konnte der historische Messeplatz Leipzig einen wichtigen Beitrag leisten, was DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl 1951 unter Anspielung auf die deutsche Kleinstaaterei im 19. Jahrhundert so formulierte:

Die Leipziger Messe ist ein gegebener Mittler zur Schaffung einer organischen einheitlichen deutschen Wirtschaft. (…) So steht Leipzig nach hundert Jahren wiederum vor der Aufgabe, dass sich hier die Wirtschaftler aus allen Teilen unseres Vaterlandes treffen, um für eine geregelte Warenzirkulation im gesamtdeutschen Raum einzutreten.

(Zit. nach: Beier 1999, S. 655f.)

Die DDR setzte bekanntermaßen wirtschafts- und gesellschaftspolitisch auf das Modell der Planwirtschaft. Darin war das marktwirtschaftliche Instrument Messe schwer zu integrieren. Zwangsläufig bekam die Messe Ausstellungscharakter – sollte als „Leistungsschau“, als „Schaufenster“ dienen – und damit eine politische Funktion.2 Allerdings vollzog sich die Neuorientierung der Leipziger Messe nicht ohne Widersprüche, sowohl von den Konzeptionen als auch den Kompetenzen her: Das der Messe vorstehende Ministerium für Außen- und Innerdeutschen Handel und die Staatliche Plankommission waren nicht immer einer Meinung. Auch sind aus den – vor allem frühen – 1950er-Jahren Diskrepanzen zwischen Stadt Leipzig und DDR-Regierung bekannt.3 Das Leipziger Messeamt wurde 1950 „volkseigener Betrieb“ (VEB) und 1953 der Kammer für Außenhandel der DDR unterstellt.4

Interessante Einblicke in die Messe-Logistik 1950

Abb.: Quelle: Leipziger Messe Informationen Nr. 1 1950.

Zweite Hälfte der 1950er-Jahre: Leipzig wird zum internationalen Ost-West-Handelsplatz

Ab 1954 startete die Messe wieder international durch, 1955 kehrten die Leipziger zu zwei Messen im Jahr zurück. Als Mitte der 1950er-Jahre die politische, militärische und wirtschaftliche Integration beider deutscher Staaten in die jeweiligen Machtblöcke weitgehend vollzogen und damit die deutsche Einheit unrealistisch geworden war, musste sich auch die Handelspolitik der DDR ändern. Leipzig brachte das eine wirtschaftliche Messe-Funktion zurück und die Messe wurde wieder internationaler:

Der Aufbau einer eigenen, von der Bundesrepublik unabhängigen Wirtschaft lieferte die DDR den Konditionen des Weltmarktes aus. Das durch gigantische Investitionen in die Schwerindustrie entstandene Defizit im Bereich der Leichtindustrie sollte durch Westimporte kompensiert werden. Was geschah, ist auch als Reaktion auf das westdeutsche ‚Wirtschaftswunder‘ zu verstehen. (…) Offiziell verschleierte man dabei freilich, dass dieser Ost-West-Handel nach marktwirtschaftlichen Prinzipien vonstatten ging.

Erst der Ost-West-Handel, der ganz stark durch die politische und ideologische Auseinandersetzung bestimmt war, verlieh der Leipziger Messe eine nachvollziehbare Legitimation. Nur durch diese Konstellation erhielt die Durchführung von Messen ihren Sinn, und damit war und blieb ein solcher zentraler Handelsmarkt ein Instrument der Marktwirtschaft.

(Beier 1999, S. 656f.)

Zudem hatte der Arbeiteraufstand von 1953 den Herrschenden in der DDR einen gehörigen Schrecken eingejagt. Mit dem „Neuen Kurs“ (bis etwa 1957) versuchte man die Bevölkerung zu besänftigen, wozu auch materielle und kulturelle Zugeständnisse gehörten. Diese brauchten mehr Handel mit dem Westen.

Gegen Ende der 1950er-Jahre rückten die Länder der Dritten Welt stärker in den Blick der DDR-Handelspolitik. Da auch diese häufig über wenig Devisen verfügten, wurden Kompensationsgeschäfte „Ware gegen Ware“ vereinbart. Die DDR nutzte diese Beziehungen zudem erfolgreich, um den deutschen Alleinvertretungsanspruch der BRD zu unterlaufen und ihre politische Anerkennung als souveräner Staat in der Welt voranzutreiben.5

In der Ende der 1950er-Jahre sich zuspitzenden „Systemauseinandersetzung“ (Sputnik-Schock etc.) versuchte das sozialistische Lager, auch bei der Befriedigung von Alltags- und Konsumbedürfnissen der Menschen Leistungsfähigkeit (1958/59 fielen in der DDR die letzten nachkriegsbedingten Lebensmittelkarten weg) oder sogar – propagandistisch durch letztlich unrealistische Zielvorstellungen begleitet – Überlegenheit zu demonstrieren.6

Seit 1954 existierte für die Leipziger Messe eine Regierungskommission der DDR, in die unter Leitung des zuständigen Ministeriums auch weitere Fachministerien, Stadt Leipzig und Messeamt eingebunden waren.7 Die Messe bekam 1954 ein Pressezentrum.8

Autor(en): T.L.

Anmerkungen
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Abb.: Triebwagen auf der Herbstmesse 1954. Foto: Roger & Renate Rössing. Quelle: Deutsche Fotothek / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

1 Die Ernsthaftigkeit der Stalinschen Vorschläge ist zwar umstritten, sie dürften aber bei Feind und Freund Multioptionalität im Bewusstsein erhalten und gerade auch bei der ostdeutschen SED Zweifel und Unsicherheit über die Endgültigkeit ihrer Herrschaft und der Existenz der DDR erzeugt haben.

2 Beier 1999, S. 656 und 665.

3 Vgl. Beier 1999, S. 657f.

4 Rodekamp 1997, S. 356.

5 Beier 1999, S. 662f.

6 Beier 1999, S. 664.

7 Vgl. Beier 1999, S. 659.

8 Rummelsburg 1954, S. 20.