Indizien zum Verhältnis von Öffentlichkeitsarbeit, Journalismus und Werbung
In der DDR:
Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit wie auch Werbung ließen sich in der DDR durchaus als unterscheidbare Berufsfelder identifizieren, was schon in den unterschiedlichen Bezeichnungen „Journalist“ vs. „Pressebeauftragter“ vs. „Werbeleiter“ zum Ausdruck kommt. Allerdings waren alle übergeordneten politisch-ideologischen Zielstellungen unterworfen, was ihre Selbstständigkeit sowie die Gestaltungsfreiheit ihrer gegenseitigen Verhältnisse einschränkte. Dennoch gab es diese „Beziehungen“. Vgl. dazu bei Otto 2015, insbesondere S. 114-116 und 119-127.
Einer der von Otto interviewten Zeitzeugen aus dem Leipziger Messeamt sagt über die lokale Presse: ,,(…) wir haben praktisch eine Zeitung gehabt in Leipzig, die jeden Tag voll hinter der Leipziger Messe stand und die Öffentlichkeitsarbeit für die Leipziger Messe gemacht hat (…)“. Nun könnte man ketzerisch einwerfen, dass das eher die heutigen (!) Verhältnisse mit einer Monopolzeitung beschreibt, denn zu DDR-Zeiten gab es eine Hand voll Tageszeitungen in der Messestadt – jede Blockpartei hatte ihre eigene. Aber die SED-Zeitung war zweifellos die mit Abstand wichtigste und der Zeitzeuge hat „praktisch“ Recht.
Ottos Hauptthese: „Das PR-System in der DDR hat sich nicht vom System Journalismus als eigenständiges Funktionssystem gelöst und war dem politischen Funktionssystem untergeordnet.“ (Otto 2015, S. 204)
In der BRD:
Die prominenten politischen Journalisten aus Westdeutschland waren wohl eher professionell-distanziert bzw. -kritisch gegenüber der DDR-Messe eingestellt. Fach- bzw. Branchenjournalisten hingegen sahen die Leipziger Messe wohl eher verlegerisch-ökonomisch und achteten – DDR hin oder her – aufs „Geschäft“ und auf ein „ordentliches“ Aufwand-Nutzen-Verhältnis.
In den Pressegesprächen mit bundesdeutschen Journalisten wurde vereinbart, dass sie über bestimmte Produkte einen Beitrag verfassen sollten. Laut dem Bericht des Pressekollegiums (der Vorsitzende des Pressekollegiums war gleichzeitig erster Staatssekretär des Presseamts) kamen die bundesdeutschen Fachpressevertreter den Vorstellungen hinsichtlich Produktauswahl sowie der Reihenfolge kostenloser Veröffentlichung von redaktionellen Beiträgen in großem Maße entgegen.
(Otto 2015, S. 177)
Auch die folgende Aussage aus einem internen Evaluationsbericht der PRler aus der DDR-Chemieindustrie von 1985 stellt den BRD-Journalisten kein Ruhmesblatt aus:
Die meisten BRD-Journalisten sind an redaktionellen Beiträgen interessiert, die mit Anzeigen gekoppelt werden. In der Regel handelt es sich um Journalisten, die mehrere Fachzeitschriften vertreten und kontinuierlich (…) Informationen wünschen. Sie sammeln vorproduziertes Material und stellen wenig gezielte fachliche Fragen.
(Zit. nach Otto 2015, S. 177)