Stadt- und messehistorisches Zwischenfazit: Blütezeit bis 1914

Leipzig vor 1914 als eine deutsche Metropole und auf dem Weg zur Weltstadt

Die Entwicklung von Stadt und Messe nach dem Ersten Weltkrieg wird zum Teil widersprüchlich interpretiert. Aber unbestritten ist wohl, dass die Zeit im deutschen Kaiserreich, also vor dem ersten Weltkrieg, als Boomperiode Leipzigs und seiner (Muster-) Messe anzusehen ist.

Leipzigs größte Blüte lässt sich genau datieren. Denn zwischen 1885 und 1910 explodierte die Einwohnerzahl von 170.000 auf 613.000. In dieser Zeit macht die Mustermesse die Stadt zur wichtigsten Drehscheibe des Welthandels; auch im Verlagswesen und im Rauchwarenhandel wurden starke internationale Führungspositionen errungen. Wäre diese Entwicklung nicht abrupt abgebrochen, könnte Leipzig heute wie Berlin, Hamburg und München den Ruf einer Weltstadt beanspruchen.

(Tappert 2004, S. 48)

Leipzig entwickelte sich in jenen Jahren zu einer deutschen und europäischen Metropole, zu einer Top-City, was auch die späteren und gegenwärtigen Ambitionen und Visionen Leipzigs (zum Beispiel Olympiabewerbung) historisch-mental zu erklären vermag.

Anfang des 20. Jahrhunderts war Leipzig die fünftgrößte Stadt in Deutschland. Unter den führenden Industriestädten lag sie an zweiter Stelle nach Berlin. Als Zentrum des gesamten mitteldeutschen Industriegebiets, der nach dem Ruhrgebiet zweitgrößten Wirtschaftsregion Deutschlands, war ihre Stellung unangefochten.

(Dunte 2004, S. 48)

Leipzig zog noch einmal alle Register und entfaltete eine Ausstellungsoffensive

„Als Leipzig im 19. Jahrhundert zu einem wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Zentrum in Deutschland aufstieg, erwarb die Stadt auch eine hohe Attraktivität als Sitz neu geschaffener nationaler Institutionen.“ Dies bezog sich vor allem auch auf dauerhafte Sammlungen und zeitweilige Expositionen von Wissen und Innovationen. Dies zahlte sich Anfang des 20. Jahrhunderts aus, man denke hier zum Beispiel an die Deutsche Bücherei – die noch heute für jeden Studierenden, Wissenschaftler und sonstigen Wissensbegierigen einen Glücksumstand darstellt.

International wirkte die Bugra 1914, wenngleich die „Weltpolitik“ den Leipzigern einen Strich durch die Rechnung machte.

Sogar die New York Times geriet ins Schwärmen: Sie pries die Bugra 1914 als das Kulturereignis im deutschen Sommer 1914. (…) Leipzig war einst das Zentrum von all den Dingen, die zur Herstellung eines Buches gehören. Deshalb war es folgerichtig, dass die Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik (Bugra) nach Leipzig einlud. Vom Mai bis Oktober 1914 kamen Gäste aus 22 Nationen auf das Gelände der späteren Technischen Messe, auf dem ein Jahr zuvor die Internationale Baufach-Ausstellung stattgefunden hatte. Vorgestellt wurden Maschinen und Produkte der Papierherstellung über Schriftgießerei, Druckverfahren, Reprotechnik, Buchbinderei und Buchhandel bis zu Zeitungs- und Nachrichtenwesen, Bibliothekswesen und Bibliophilie. Etwa 2,3 Millionen Menschen aus aller Herren Länder besuchten die Ausstellung, welcher der Ausbruch des Ersten Weltkrieges allerdings ein jähes Ende bereitete.

(Orbeck 2014, S. 14)

„`Die Vision der Veranstalter, dass nicht Pulver und Blei, sondern Lettern und Druckerschwärze die internationalen Beziehungen prägen mögen, musste in den Wirren des Kriegsbeginns begraben werden`, sagt Stephanie Jacobs, die Leiterin“ des Deutschen Buch- und Schriftmuseums Leipzig. (Orbeck 2014, S. 14)

Aber es gab auch weitere Initiativen, wie die eines Reichswirtschaftsmuseums: Der Ursprung dafür (…)

liegt im dritten Kriegsjahr des Ersten Weltkrieges, als die ‚Volksaufklärung‘ und Propaganda nach innen und außen neu organisiert und verstärkt wurde. Die Leipziger Handelskammer regte die Gründung eines Deutschen Kriegswirtschaftsmuseums an, das eine Sammlung über die Veränderungen während des Weltkrieges aufbauen und daraus Wanderausstellungen erarbeiten sollte. (…) Kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges ging das Museum mit einer propagandistischen Sonderausstellung ‚Kriegswirtschaft und Weltblockade‘ an die Öffentlichkeit. Als Ausstellungsort war der 1917 fertiggestellte Monumentalbau des Verbandes Deutscher Handlungsgehilfen (VDH) in der Zeitzer Straße 8-14 (heutige Karl-Liebknecht-Straße) gewählt worden.

(Held 2015, S. 14)

Da es allerdings nicht gelang, mit verschiedenen Akteuren eine Finanzierung auf die Beine zu stellen, kam 1923 das Aus. (Held 2015, S. 14)

Der Erste Weltkrieg und folgende Krisen als „Dämpfer“

Der „Erste Weltkrieg traf den internationalen Handel besonders hart und die Messe gewann anschließend nie wieder die frühere Position.“ Weitere Faktoren wirkten sich aus:

Die Oktoberrevolution (in Sowjetrussland – T.L.) sorgte dafür, dass die Rauchwarenhändler jahrelang ihren Hauptlieferanten verloren. Gleichzeitig nutzte Englands Hauptstadt London geschickt Deutschlands internationale Isolierung und zog diesen Markt an sich. Die Weltwirtschaftskrise ließ auch noch den Buchabsatz einbrechen und die Nachfrage der Leser nach Zeitschriften anziehen. Berlin und München gelang es dadurch, Leipzig als Druckstandort zu überflügeln.

(Tappert 2004, S. 48)

Autor(en): T.L.