Muster-Messe als wirtschaftliches Phänomen

Warenmesse verlor wichtige Funktionen

Die industrielle Großproduktion mit Massenproduktion und Massenabsatz revolutionierte das Verhältnis zwischen Herstellern und Kunden, zwischen Produktion und Konsumtion. Weder die massenhaften Waren noch manche neuartige Waren konnten in althergebrachter Weise mittels einer Warenmesse umgeschlagen werden. Die Rolle des Handels veränderte sich. So übernahm der Großhandel für viele Waren die einstige Messefunktion.1 Der „Lokohandel (…), d. h. der Handel mit bereit liegender, sichtbarer Ware“, ging in den „Lieferungs- und Terminhandel (… Handel auf Bestellung)“ über (Pohl 1989, S. 416f.).

Musterlagerverkehr machte Messen nicht überflüssig

Abb: Promotor der Lyoner Messe Edouard Herriot (1872-1957), u.a. französ. Premierminister. Fotograf und Zeitpunkt unbekannt. U.S. Library, digital ID ggbain. 23677. Quelle: Wikimedia Commons, Public Domain.

Allerdings machten selbst dauerhafte Musterlager und permanent aktiver Großhandel Messen nicht überflüssig, denn die Effektivität physischer, zeitlicher und räumlicher Konzentration wurde nach wie vor geschätzt. Oder wie es der Franzose Edouard Herriot sagte: Die Mustermesse ermögliche „das größte Geschäft mit den geringsten Mitteln, in der kürzesten Zeit und auf engstem Raum“ (nach Rodekamp 1997, S. 333). Bei der Muster- im Vergleich zur Warenmesse musste und konnte sich die Qualitätsprüfung auf das „Muster“ beziehen, welche dadurch ausgiebiger erfolgte.

Die Warenmesse hatte vor allem „die Händler zusammengeführt“. Hingegen brachte die Mustermesse die Fabrikanten auf die Messe und in direkten Kontakt mit den abnehmenden Groß- und Einzelhändlern (Blaschke 1991, S. 278), die Kundenkommunikation und ihr Feedback in die Produktionsprozesse wurden damit umfangreicher, unvermittelter und vielfältiger. „Die vom Fabrikanten effektiv zu produzierende Warenmenge richtet sich hierbei auch nach dem Umfang der auf der Messe eingegangenen Bestellungen. So erspart er sich den Aufbau eines kostspieligen Vertreternetzes und vermeidet das für Warenmessen spezifische Risiko des Rücktransportes der nicht verkauften Erzeugnisse“ (Möller 1989, S. 111).

Für uns hier vor allem relevant ist, dass die Umstellung auch zu einer veränderten kommunikativen Situation führte.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Rodekamp 1997, S. 331.