Die Situation zu Beginn des Ersten Weltkriegs

Auseinandersetzungen um die ersten Kriegsmessen

Kurz nach Kriegsausbruch 1914 kam es zwischen vielen potenziellen Messebesuchern und der Stadt Leipzig zum – teilweise auch publizistisch ausgetragenen – Streit darüber, ob die Michaelismesse stattfinden oder abgesagt werden sollte. Leipzig mit Oberbürgermeister Rudolf Dittrich an der Spitze wollte international ‚business as usual‘ demonstrieren und verschob den Messebeginn lediglich um einige Tage. Die Aussteller hingegen fürchteten, auf den Kosten sitzen zu bleiben, und wiesen auf kriegsbedingt schlechte Verkehrsverhältnisse hin. Trotz kostenseitigem Entgegenkommen der Leipziger sprach sich die überwältigende Mehrheit der Wirtschaftsverbände und Kammern gegen die Kriegsmesse 1914 aus, so dass schließlich das Dresdner Innenministerium das Abhalten der Messe untersagte. Nach Protesten aus Leipzig und nochmaligen Zugeständnissen bezüglich der Kosten nahm Dresden seine Verfügung zurück. „Die Messe fand statt und wurde zum Fiasko.“ (Geyer 1997, S. 118)

Sehr geringe Teilnahme und wirtschaftliche Verluste 1914 waren einerseits Wasser auf die Mühlen der Messegegner auch für 1915. Andererseits dauerte der Krieg inzwischen schon länger als anfangs überall gedacht, und die Wirtschaft sah sich gezwungen mit dem Kriegszustand zu arrangieren. Die Kriegsgegner Frankreich und England eröffneten 1915 „Konkurrenzmessen in London, Birmingham, Lyon und Bordeaux“ (Rodekamp 1997, S. 337).

Plötzlich wurde eine Messe, auf der die (deutsche) Wirtschaft Stärke zeigen und zugleich friedlich handeln konnte, bei vielen ökonomischen, politischen etc. Akteuren wieder zu einer attraktiven Vorstellung. Leipzig griff dieses Interesse der Branchenverbände auf und signalisierte weitestgehendes Entgegenkommen, „wenn die Verbände ihrerseits für einen guten Besuch der kommenden Messe einträten“ (Geyer 1997, S. 118).

Unmittelbare Vorgeschichte der Messeamtsgründung

Flugs darauf, am 6. Januar 1915, gründete sich in Berlin als Verein die Zentralstelle für Interessenten der Leipziger Musterlagermessen. Vereinsvorsitzender wurde der Porzellanfabrikant Philipp Rosenthal. Als Geschäftsführer fungierte ab Sommer 1916 der Verbandsfunktionär Dr. Raimund Köhler, der später zum Direktor des Leipziger Messeamtes werden sollte. Dem darin zum Ausdruck kommenden stärkeren Einfluss der Reichswirtschaftsverbände auf die Messeangelegenheiten hatte sich Leipzig in den kommenden Monaten und Jahren zu stellen.

In einem komplizierten Ringen verständigten sich alle Akteure auf eine Organisationslösung, die Selbstverwaltung sowie Professionalisierung ermöglichten und die Messe damit „zu einer Angelegenheit der Wirtschaft“ machte (Geyer 1997, S. 122). Die innovative und juristisch selbstständige, als Verein konstruierte Institution trat als Messeamt im Februar 1917 in Aktion. Gegründet worden war das neue Amt bereits im Sommer 1916 und im zweiten Halbjahr 1916 genehmigte der Reichstag jährliche Zuschüsse. Die Mitarbeiter des ehemaligen Messeausschusses der Handelskammer gingen in das Messeamt über.1

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Geyer 1997, S. 118-122.