Kommunikation im Zeichen der Befreiung von Napoleons Herrschaft II
Kommunikationspolitik in der (Berliner) Heimat bzw. am Ort der Regierung
Hardenberg trug der patriotischen Volksstimmung erst im Frühjahr 1813 Rechnung und ließ die Presse in Berlin nun an einer längeren Leine. Faktisch ohne Zensur, weil von der russischen Armee protegiert, kam das Russisch-Deutsche Volksblatt unter August Kotzebue heraus (am 4. März 1813 war die russische Armee in Berlin eingezogen, das Blatt erschien vom 1. April bis zum 30. Juni 1813).1
Bereits vorher hatten schon hatten Berliner Liberale versucht, eine ernsthafte, wahrhaft politische Zeitung zu gründen. Die patriotisch gesinnten Gelehrten Niebuhr und Prediger Schleiermacher stellten sich an die Spitze. „Aber erst auf Drängen von Scharnhorst gestattete schließlich Staatskanzler Hardenberg für die Dauer des Krieges“ (!) am 20. März das Erscheinen des Preußischen Korrespondenten. Das Blatt stand (nur) unter der Zensur des Auswärtigen Amtes und kam erstmals am 2. April heraus. (Bialowons 1976, S. 241)
Darüber hinaus erhielten die preußischen Redaktionen Anfang Juli Anweisungen, die sie nach Verlangen des Königs besonders zu berücksichtigen hätten. Das Dokument reichte von der Förderung nationaler Gesinnungen bis zur Vorsicht und Zurückhaltung gegenüber Napoleon: „Das gegenwärtige Verhältnis des Waffenstillstands erfordert eine vorzügliche würdige und zarte Behandlungsweise.“ (Zit. nach: Groth 1929, S. 75) Die preußische Pressepolitik vermied es, politische Zukunftsprojektionen zu erwähnen.2
Es bestand durchaus noch die nicht unbegründete Furcht, Napoleon könne zurückkommen. Und der Korse hatte noch kommunikativen Einfluss. So wurden z. B. die Schlesische wie die Leipziger Zeitung zu französischen Diensten gezwungen und in Dresden eine „Zentrale der französischen Propaganda“ geschaffen, „die Zeitungen (…) mit Material zugunsten Napoleons versorgte“ (Groth 1929, S. 76).
Kommunikationspolitik beim militärischen Hauptquartier bzw. im Felde
Im Laufe des Jahres 1813 gingen allerdings Hardenberg und damit der preußische Staat – genauer gesagt: die militärische Zentrale und ihr Umfeld – immer mehr in die kommunikationspolitische Offensive. Dabei wurde eine Doppelstrategie verfolgt, (…)
indem sie mit der rigiden Berliner Zensurpolitik die Ruhe an der ‚Heimatfront‘ garantierte (…) und den aktiven Part dem unmittelbar kontrollierbaren, aktuell informierten Hauptquartier zuteilte
(Hofmeister-Hunger 1994, S. 258f.).
Während also die in der Hauptstadt ansässige Zeitungszensur wieder gewohnt unduldsam durchgriff, bewirkte die Einigkeit der verbündeten Mächte gegen den gemeinsamen Feind im Hauptquartier „einen Aufschwung staatlicher Öffentlichkeitsarbeit in bisher unbekannten Dimensionen“ (Hofmeister-Hunger 1994, S. 254). Hardenberg betrieb mit seinem Literarischen Stab eine aktive Pressepolitik. Dieser verfasste Flugblätter, kooperierte mit Journalisten sowie Trägern des deutschen Nationalgedankens und beschäftigte Schriftsteller. Dazu gehörte auch Karl August Varnhagen von Ense, über den es im PR-Museum eine eigene Abhandlung gibt.