Hardenberg als Staatskanzler
Doppelstrategie gegenüber den Franzosen
1810 stand Karl August von Hardenberg vor dem Höhepunkt seiner Karriere: Er wurde Staatskanzler von Preußen, dieses Amt hatte er bis 1822 inne. Mit einem Male war er Minister des Inneren und der Finanzen, stand an der Spitze der preußischen Verwaltung und nahm an Vorträgen des auswärtigen Departements teil. Dem preußischen König war er direkt unterstellt, sodass alle Entscheidungen der Form nach aus dem Kabinett des Monarchen kamen.1
Napoleon hatte nichts mehr gegen eine Rückkehr Hardenbergs in die Regierung einzuwenden: Der tüchtige Administrator bot die beste Gewähr dafür, dass Preußen seine – im Frieden von Tilsit vereinbarten – Zahlungen an Frankreich einhalten könne. Zuvor war es dem Ministerium Dohna-Altenstein nicht gelungen, den regelmäßigen Transfer der Verpflichtungen sicherzustellen. Zu Beginn seiner Staatskanzlerschaft agierte Hardenberg also durchaus im Interesse Napoleons.2
Ein Dreivierteljahr nach seinem Eintritt in das Kanzlergeschäft begann Hardenberg, sich im Verborgenen gegen Napoleons System zu wenden. Davon ausgehend führte er in den Folgejahren ein geheimes Kabinett unter sich, das neben dem öffentlichen unter Außenminister Goltz bestand.3
Fortführung der Reformen Steins auch gegen Widerstände
Politisch konzentrierte sich der Staatskanzler – wie in den Folgejahren – darauf, die Reformen seines Vorgängers Stein weiterzuführen. Als Kernstück leitete der Staatskanzler mit dem Edikt vom 27. Oktober 1810 die Reform der Finanzen ein. Grundgedanken des neuen Finanzsystems waren u. a. die ,,(a)llgemeine Gewerbefreiheit und (die) Gleichstellung der Abgaben zwischen Land und Stadt“ (Steffens 1907, S. 148). Diese Prinzipien stießen allerdings auch auf nicht unbeträchtliche Widerstände.
Hardenberg nutzte die neue Gesetzgebung als Instrument seiner Öffentlichkeitsarbeit: So wurde bereits im Oktober 1810 die Gesetzessammlung für die Königlich Preußischen Staaten veröffentlicht, die der „lückenlosen Information über die Reformgesetzgebung verpflichtet war“. Da diese von allen Behörden, Gerichtsherren und Landräten zwangsweise abonniert wurden, war eine hohe und flächendeckende Verbreitung unter Amtspersonen und Multiplikatoren gewährleistet. (Hofmeister-Hunger 1994, S. 215. Vgl. auch Dittmer 1992, S. 67, und Kunczik 1997, S. 76)