Walter Zechlin
Der Beständige in der unsteten Zeit
Bei Walter Zechlin (1879-1962) handelt es sich um einen Protagonisten regierungsamtlicher Öffentlichkeitsarbeit aus den PR-Geschichts-Perioden Konsolidierung und Wachstum (1918-1933) und Neubeginn und Aufschwung (1945-1958).1 Seine Beamtenlaufbahn begann er bereits im kaiserlichen Deutschland und trat kurz vor dem Ende des Kaiserreiches auch in die staatliche Pressearbeit ein.
Zechlin hielt sich fünfeinhalb Jahre und damit länger als jeder seiner Vorgänger und Nachfolger im Amt des „Reichspressechefs“ der Weimarer Republik.2 Dabei handelte es sich um eine inoffizielle, aber sehr übliche Funktionsbezeichnung.3 Genau genommen war damit der Direktor, also Leiter der Vereinigten Presseabteilung der Reichsregierung und des Auswärtigen Amtes (im Folgenden häufig verkürzt: Vereinigte Presseabteilung) gemeint, einem Vorläufer des heutigen Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung.
War Zechlin bis 1932 auf der zentralstaatlichen Ebene aktiv, so gelang ihm nach 1945 ein Neustart auf Länderebene. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Teilstaaten hatte bereits in der Weimarer Zeit begonnen, entfaltete sich aber nun umfassend in der westdeutschen Bundesrepublik.
Gelobt wurden Zechlins „nicht alltägliche journalistische Begabung, seine diplomatische Gewandtheit, seine geistige Beweglichkeit, gepaart mit vielseitigem Wissen, und seine persönliche Liebenswürdigkeit“ (Deutsche Presse 1929, S. 743). Er sei „nach außen ein ungemein beweglicher Mensch“ gewesen, „überaus klug und geschickt, witzig und spritzig, ein Temperament, das übersprudeln kann. So rücksichtslos er – mit Verlaub – gegen sich und andere sein konnte, rühmen seine Mitarbeiter ihm nach, dass ihm das Niveau seiner Persönlichkeit erlaubte, ihnen Spielraum zur eigenen Entfaltung zu lassen.“ (Deutsche Presse 1932, S. 214f.)
Loyal und fachlich ausgerichtet
Das Vertrauen der Weimarer Staatsoberhäupter genoss Zechlin, weil er sich immer loyal gegenüber ihnen verhielt. Er verstand sich in seiner Funktion als Reichspressechef als Sprachrohr der Regierung, deren Interessen und politische Entscheidungen er auch dann bedingungslos vertrat, wenn sie seinen eigenen Ansichten widersprachen. Zechlin amtierte unter Zentrums- und SPD-Kanzlern. Obwohl er selber parteipolitisch – als Sozialdemokrat – gebunden war, habe er „zu der Presse aller Parteirichtungen die denkbar besten Beziehungen“ gehalten (Zeitungswissenschaft 1926, Nr. 12, S. 12). Eine Regierung rechts vom Zentrum wollte er dann 1932 aber nicht mehr vertreten.
Er war nicht lagerorientierter Gesinnungs-Propagandist oder elitärer Obrigkeitsstaats-Beamter der alten Schule, sondern Profi-Kommunikator mit einer fachlich-sachlichen Einstellung in einem sich modernisierenden Medien- und Kommunikationssystem. „Zechlin gab diesem Amt (des Reichspressechefs – T.L.) den neuen Stil, der sich von dem Gebaren der Geheimräte des Kaiserreichs so erfrischend abhob, und der auch (das Zitat stammt von 1962 – T.L.) in der Bundesrepublik heute noch nicht wieder erreicht ist.“ (Zeitungs-Verlag und Zeitschriften-Verlag 1962, S. 212) Dazu gehörte auch, den systematischen und also wissenschaftlich zu begleitenden Charakter der Kommunikationsarbeit zu erkennen. Zechlin war bis zum Frühjahr 1932 Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Zeitungskunde und förderte die Zeitungswissenschaft als akademische Disziplin.
Anmerkungen
1 Nach Bentele 1997 bzw. Bentele/Liebert 2005.
2 Ausschlaggebend hierfür waren seine umfangreichen politischen Sachkenntnisse, seine fachlichen Kompetenzen auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit und, allen voran, seine guten persönlichen Beziehungen zu den politischen Entscheidungsträgern der Weimarer Republik sowie zu den in- und ausländischen Journalisten der Zeit (S.J.).
3 Die Bezeichnung Reichspressechef war angesichts des Unabhängigkeitsideals der Journalisten nicht unumstritten. Sie implizierte, dass der Leiter der Vereinigten Presseabteilung gegenüber den Pressevertretern weisungsbefugt war, was jedoch faktisch nicht zutraf (vgl. Bauer 1962, S. 80f., Wilke 2007, S. 109, Zechlin 1956, S. 20). Da sich die Bezeichnung in der Literatur aber als geläufig eingebürgert hat, soll sie auch hier verwendet werden (S.J.).
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