Einleitung II

Nacht gut überstanden und am Morgen neu gestartet

Abb.: Der zweite Reichspräsident der Weimarer Republik seit 1925 war Paul von Hindenburg, hier als Generalfeldmarschall. Zu ihm hatte Zechlin ein gutes Verhältnis. Foto: ADN-ZB. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S51620, CC-BY-SA / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Seine Beziehungs-Fähigkeiten, verbunden mit allen politischen Strömungen, und sein operativ-technisches Insiderwissen, unmittelbar aus dem einstigen Machtzentrum, noch dazu qualifiziert durch die Verarbeitung mehrerer Regierungs- und Machtwechsel, haben ihn offenbar auch in der gefährlichen, ihm gewiss unsympathischen NS-Zeit persönliche Souveränität und letztlich Unversehrtheit verschafft. Zechlin hatte nicht nur parteipolitische Übereinstimmung mit dem ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik (von 1919 bis zum Tode 1925) Friedrich Ebert (SPD). Er hatte auch ein gutes Verhältnis1 zum erzkonservativen, monarchistisch gesinnten Präsidenten-Nachfolger (1925-1934) Paul von Hindenburg, der nicht zu Unrecht als „Steigbügelhalter“ Adolf Hitlers bezeichnet wird. Dies alles und ein präsidiales Netzwerkwissen dürften selbst nach Hindenburgs Ableben hinaus eine Art Lebensversicherung für Zechlin in der NS-Zeit bedeutet haben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg holte ihn der niedersächsischen Ministerpräsident Kopf (SPD) wieder als Pressechef in den Dienst einer Regierung. Somit zählt Zechlin zu den Ausnahmepersönlichkeiten, die sowohl vor als auch nach der NS-Diktatur ein hochrangiges Amt in der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit bekleideten.

Beziehungs-Manager, nicht ohne Fehler

Eines seiner Erfolgsrezepte als Reichspressechef war sein weitgehendes Eingehen auf die Aufgaben und Arbeitsroutinen der Presse. Er erklärte die transparente Information der Pressevertreter zu einer seiner obersten Berufsmaxime.2 Dies galt auch gegenüber den Verlegern: Die Führung des Vereins Deutscher Zeitungsverleger habe „bei ihm in vielfachen Verhandlungen und Zusammenkünften stets ein aufmerksames Ohr und den besten Willen gefunden“ (Zeitungs-Verlag1932, S. 417).

Zudem kannte er das internationale Parkett: „In Berlin, beim Völkerbund in Genf und auf der Konferenz in Locarno wurde durch seine Person das Amt geprägt, dessen meisterhafter Handhabung er sich rühmen durfte und die überall bewundert wurde, das hohe Amt eines würdigen Sprechers der Reichsregierung.“ (Zeitungs-Verlag und Zeitschriften-Verlag 1962, S. 212) Zechlin sei in „einer einzigartigen Mischung Diplomat und Journalist (… gewesen), ohne je das journalistische Handwerk erlernt zu haben“ (Zeitungs-Verlag und Zeitschriften-Verlag 1959, S. 1367).

Allerdings war er in dieser vertrauensvollen Haltung nicht frei von Widersprüchen. So wirkte er mit, den staatlichen Einfluss auf die Nachrichtenagentur, das Wolffsche Telegraphische Bureau, durch verdeckte Aktienkäufe zu erhöhen und damit die Nachrichtenpolitik besser im Sinne der Weimarer Reichsregierung beeinflussen zu können.3 Dass der Staat sich als teilweiser Finanzier Einfluss- und Personalrechte sicherte, mag isoliert betrachtet nicht zu verurteilen sein. Dass er dies aber intransparent tat und dass er überhaupt zentrale journalistische Leistungen über Subvention beeinflusste, entspricht nicht dem heutigen bundesrepublikanischen Gebot der Staatsferne von Medien.

Autor(en): S.J.T.L.

Anmerkungen

Anmerkungen

1 Vgl. Zechlin 1956, S. 105; Bauer 1962, S. 67f. Auch Kunczik 1997, S. 168f, zitiert aus Zechlin 1956, S. 105: „Bei dem Reichspräsidenten (Hindenburg) war ich allein. Es hat das einige Male zu gewissen Schwierigkeiten Anlass gegeben, weil ich der Sozialdemokratischen Partei angehörte. In den Jahren 1928/29 wurde von deutschnationaler Seite … darauf hingewiesen, dass es doch gefährlich wäre, den Reichspräsidenten täglich eine halbe Stunde dem Einfluss eines sozialdemokratischen Beamten und Politikers auszusetzen. Als Hindenburg darauf aufmerksam gemacht wurde, sagte er nur: ‚Wieso, Zechlin ein Sozialdemokrat? Dann bin ich es auch‘.“

2 Sichtet man die zeitgenössischen Pressestimmen über Zechlin, so brachten ihm die Journalisten große Anerkennung und Lob für seine Arbeit entgegen (S.J.).

3 Vgl. Koszyk 1972, S. 129f.