Herbert Gross

Einleitung

Abb.: Herbert Gross, links 1967 (Quelle: Die Welt) und rechts 1957 (Quelle: Handelsblatt). Recherchiert von J.P.

Herbert Gross1 (1907-1976) mit seiner Publikation „Moderne Meinungspflege“ von 1951 war einer der Ersten, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland grundsätzlich, auf programmatischer Ebene mit Public Relations auseinander gesetzt haben. Zugleich gab er Anleitungen für die unternehmerische Praxis.

Sein Konzept steht aus heutiger Sicht allerdings im Schatten solcher PR-Nestoren wie Carl Hundhausen, Albert Oeckl und Franz Ronneberger.2 Dafür gibt es mehrere Gründe:

  • a) Gross fand seine Antriebe, sich mit PR zu beschäftigen, in der konkreten politischen und mentalen Situation der damaligen jungen Bundesrepublik bzw. zuvor der westlichen Besatzungszonen und seinen Schlussfolgerungen, die er daraus zog: dem Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell der (sozialen) Marktwirtschaft zum Sieg zu verhelfen. Aufgrund der weltanschaulich-wirtschaftspolitischen Gebundenheit seiner Auffassungen über PR können diese auch als solche über Propaganda „als ideologischer Kommunikation“3 eingestuft werden, obwohl sich Gross von solcher distanzieren wollte. Diesen Widerspruch haben gerade schon zeitgenössische Rezensenten anderer gesellschaftspolitischer Ausrichtung so eingeschätzt, als die soziale Marktwirtschaft noch nicht unumstrittenes bzw. etabliertes Modell war.4
  • b) Die soziale und weltanschauliche Zerrissenheit Nachkriegsdeutschlands vor Augen und die Tiefe der Interessengegensätze zugleich unterschätzend, imponierte ihm die Stabilität der US-amerikanischen Gesellschaft und Loyalität ihrer Bevölkerung zum Unternehmertum über Schichtengrenzen hinweg. Eine wichtige Ursache dafür sah er in langjährigen, erfolgreichen Public Relations. Insofern – aber nur insofern – kann Gross als Vertreter der „Importthese“ gelten, also der Auffassung, PR sei nach 1945 aus den USA nach (West-) Europa eingeführt worden.
  • c) Gross entwickelte sein Kommunikationsideal, indem er sich am amerikanischen Verständnis von Public Relations – allerdings in einer vermeintlichen Ur- bzw. Reinform und nicht als modischer „Firnis“ – orientierte und zugleich damit auseinander setzte. Europäisch-deutschen Traditionen der Interessensauseinandersetzung und insbesondere der Rolle des (Sozial-) Staates sowie korporativer Strukturen stand er kritisch gegenüber. Allerdings betonte er, dass amerikanische Verhältnisse nicht 1:1 auf das Westdeutschland der Nachkriegszeit übertragen werden könnten. Dies führt ihn sogar zu begrifflicher Distanzierung vom PR-Begriff.
  • d) Indem er den heute ungebräuchlichen Begriff „Meinungspflege“ bevorzugte, wird er von manchen oberflächlichen Betrachtern nicht als Teil der Denktradition über PR bzw. Öffentlichkeitsarbeit wahrgenommen. In der Tat ging er teilweise über Kommunikation hinaus: Zentral wichtig war ihm, dass die innere Einstellung der Unternehmer der wirkungsvollen Pflege der öffentlichen Meinung vorausgehen müsse.
  • e) Gross kann als Experte in Wirtschaftsfragen charakterisiert werden. PR war biografisch gesehen nur ein Thema unter mehreren. In den nächsten Jahren konzentrierte er sich auf Marketing, Vertrieb und Handel. Daher gilt er auch als Populisator des Marketing.

Autor(en): J.P.T.L.

Anmerkungen

1 Die Schreibweise schwankt, so ist auch „Groß“ zu lesen.

2 Heinelt (2002, S. 111) verzeichnet für den Beginn der 1950er-Jahre einen „regelrechte(n) Boom“ an Publikationen über PR. Zeitgenössische Autorennamen sind – neben Gross – insbesondere: Hundhausen, Domizlaff, Vogel, Jahn, Korte und Mörtzsch. Aus heutiger Sicht reflektieren diese Entwicklung vor allem Binder (1983), Szyszka (1997, insbesondere S. 37ff., 115ff., 164f., 233ff., 327f.), Hein (1998), Kunczik (2002), Bentele/Liebert (2005, S. 228f.), Lies (2008) und Bentele/Fröhlich/Szyszka (2008, S. 115f.).

3 Zur Propaganda u. a. Arnold 2003 und Liebert 2012.

4 Vgl. weiter hinten Schelsky 1952.

 

Bildnachweis für Beitragsfoto (ganz oben): Herbert Gross 1957 (Quelle: Handelsblatt). Recherchiert von J.P.