Leben und Tätigkeiten I

Dr. Herbert Gross war ein westdeutscher Wirtschaftspublizist, „PR-Gründervater“ (Rosumek/Ackermann 2007, S. 57) und „Marketing-Populisator“ (Hüttner/Heuer 2004, S. 74).

Lebensweg bis 1945: Wissenschaftler, Marktbeobachter und Korrespondent

Geboren wurde Gross am 18. Juli 1907 in Hannover. Aus seiner Kindheit und Jugend weiß man wenig. Vermutlich hat er aber eine starke Bindung zu seiner Mutter gehabt, der er sein späteres Buch „Moderne Meinungspflege“ widmete. Nach einem Studium an der Universität Kiel arbeitete er von 1928 bis 1932 als wissenschaftlicher Assistent am Kieler Universitäts-Institut für Weltwirtschaft (und Seeverkehr). Dort publizierte er regelmäßig Aufsätze zu wirtschaftspolitischen Themen mit Auslandsbezug und habilitierte sich auch später.1 Als Experte für die deutsche Weltwirtschaft fand er in den Jahren 1932 bis 1942 eine Anstellung als Chef-Wirtschaftskorrespondent in New York für die vom Reichswirtschaftsministerium veröffentlichten Nachrichten für den Außenhandel.

Im Klappentext von Gross (1967) heißt es über die Jahre in Amerika, er sei auf dem Gebiet der Marktbeobachtung tätig gewesen. Einige Quellen sehen seine Tätigkeit für das Reichswirtschaftsministerium und auch seine aktive Mitarbeit bei der nationalsozialistischen Wochenzeitung Das Reich jedoch kritisch.2

Nach 1945: Medien-Gründer und Publizist

Abb.: Gross hatte engen Kontakt mit Ludwig Erhard (Foto), hier als Wirtschaftsminister 1963, später Bundeskanzler. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F015320-0001, Patzek, Renate; CC-BY-SA / Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Nach Kriegsende trat er sogleich als Gründer und Namensgeber des Handelsblattes hervor – einer Wirtschaftszeitung, die heute zum Kanon der deutschen Qualitätspresse gehört.3 Gross hatte bei der britischen Militärbehörde eine Lizenz für ein Presseorgan mit weltwirtschaftlicher Ausrichtung4 beantragt – und sie auch erhalten. Am 16. Mai 1946 erschien in Düsseldorf die erste Ausgabe des Handelsblattes. Allerdings wurde ihm die Lizenz nur kurze Zeit später wegen seiner langjährigen Tätigkeit für Das Reich und seiner kritischen Äußerungen zu den alliierten Demontageplänen wieder entzogen.5 Es gibt auch noch andere Begründungen für die Lizenzrückgabe.6 Gross blieb aber zwischen 1950 und 1972 regelmäßiger freier Autor und Leitartikler.

Daneben und zuvor initiierte und förderte er weitere publizistische Vorhaben, so war er Herausgeber des „Beratungsbriefes der Wirtschaftspolitischen Gesellschaft von 1947“ in Frankfurt am Main (siehe dazu an anderer Stelle mehr).

(Fortsetzung nächste Seite)

Autor(en): J.P.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Kleinschmidt 2002, S. 198.

2 Die Zeit 1998: „Gewiss, manche von den Journalisten, die dort als Edelfedern gehobene NS-Prosa schreiben sollten, verweigerten sich dem politischen Anspruch, wichen ins Unpolitische aus oder versteckten gar Widerspenstiges zwischen den Zeilen. Aber merkwürdig ist es doch, dass fast alle, die im Reich – Seite an Seite mit Josef Goebbels wöchentlichen Leitartikeln – als Redakteure und Korrespondenten tätig waren, nach 1945 ohne Anstandspause weiterschreiben konnten.“

Vgl. Plank 2007, S. 135f.: Das Reich (1940-1945) war nach dem Völkischen Beobachter die auflagen- und reichweitenstärkste deutsche Zeitung. Aufgrund zahlreicher Auslandskorrespondenten bot sie einen mit anderen Zeitungen unvergleichbaren Informationsgehalt. Abgesehen vom politischen Ressort wurden den namhaften Autoren journalistische Freiräume wie in keiner anderen Zeitung des NS-Regimes gewährt. Mitarbeiter beim Reich zu sein, bedeutete daher nicht unbedingt, auch das ideologische Gedankengut weiter zu tragen.

3 Vgl. u. a. http://www.vhb.de/VHBContent/default.aspx?_t=ft_marken

4 In der Antragsbegründung hieß es laut WDR (2011), das Blatt sei eine Antwort auf „das wachsende Bedürfnis aller Kaufleute, eine Unterrichtung über Bedingungen und Notwendigkeiten der wieder aufzubauenden Wirtschaft zu gewinnen“.

5 Die Lizenz wurde dem erfahrenden Wirtschaftsjournalisten Friedrich Vogel übertragen, der Gross‘ Vorhaben weiterverfolgte und das Handelsblatt zur „meistgelesenen bundesdeutschen Zeitung für Wirtschaftsfragen“ machte (Wilke 1999, S. 322f.).

6 „Angeblich spielt das – nie bestätigte – Gerücht eine Rolle, Gross habe während seiner Korrespondententätigkeit in den USA Wirtschaftsspionage betrieben.“ Oder: „(…) seine liberale Grundhaltung, welche die seit 1945 regierende Labour-Partei und insbesondere den Deutschlandminister John Hynd, einen ehemaligen Gewerkschaftsfunktionär, stören.“  http://www.vhb.de/VHBContent/Unternehmen/Daten-und-Fakten/default_25.aspx