Reflexion staatlicher Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Staatskommunikation als Propaganda
Staatliche Pressearbeit wurde auch in der Weimarer Zeit weiterhin primär als eine Form von Propaganda betrachtet.1
In Deutschland waren zu Beginn der 20er Jahre die Ansichten über den Begriff Propaganda noch geteilt. Zwar hatte das Image dieses Ausdrucks durch die Anwendung im Ersten Weltkrieg gelitten, doch finden sich in der Literatur jener Zeit Beispiele sowohl für eine positive wie auch für eine negative Interpretation.
(Binder 1983, S. 26)
Obwohl Propaganda nach alter Manier einerseits kritisiert wurde, glaubte man andererseits auch in der Weimarer Republik noch an ihre Wirkung. Amtliche Pressearbeiter mussten in der Weimarer Republik mit dem permanenten Misstrauen aus der Bevölkerung umgehen. „Kritiker maßen jede Pressepolitik, die über restriktive oder repressive Maßnahmen hinausging, an der Pressepolitik des Kaiserreiches und der Kriegspropaganda.“ (Lau 2003, S. 14)
Es gibt keine Nachweise dafür, dass Mitarbeiter von Pressestellen der Länder die Literatur zur Public Relations bzw. Pressearbeit, die in den zwanziger Jahren vermehrt publiziert wurde, rezipierten.
Dies hätte der Diskussion über staatliche Pressearbeit einen Schub gegeben, sie von der einseitigen Fixierung auf Propaganda im innenpolitischen Lagerkampf weggelenkt und die Fragen nach Professionalisierungsdefiziten politischer Öffentlichkeitsarbeit aufgeworfen.
(Lau 2003, S. 375)
Chancen auf Verbesserung der Pressearbeit blieben deshalb meist ungenutzt. Regierungen würdigten ihre Pressestellen nicht genug als Vermittler eines ständigen informellen Austausches und als Mittler gesellschaftlicher Integration. So war es ihnen auch nicht möglich, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit staatlicher Nachrichtenpolitik und damit die Einflusschancen langfristig und nachhaltig zu verbessern.2
Spannungsverhältnisse amtlicher Kommunikation
Eine Diskussion um Probleme staatlich-behördlicher Presse- und Öffentlichkeitsarbeit hat es allerdings durchaus gegeben, allerdings nicht spezifisch für die Landesebene.3 Akteure und Beobachter amtlicher Publizistik reflektierten die unterschiedlichen Funktionen und Arbeitsprinzipien von Verwaltung und Presse, woraus Spannungen erwachsen. „Eine gewisse Abneigung gegenüber amtl[ichen] Verlautbarungen u. Dementis liegt im Wesen der P[resse] begründet. Die oft zwangsläufig uniformierende amtl[iche] Nachrichtenübermittlung u. mitunter gebotene Zurückhaltung der Behörden geben immer wieder Anlass zu Reibungen.“ (Cramer 1931, Sp. 372)
Schöne diskutierte in seinem zeitungswissenschaftlichen Lehrbuch von 1928 (S. 143), woher die „zwiespältigen Gefühle“ der Presse gegenüber den amtlichen Pressestellen kommen. Sie erklärten sich „ferner aus der Zeit des kämpferischen Journalismus, da der Journalist als Volkstribun der Obrigkeit fordernd gegenüberstand.“ Das neue parlamentarische System biete aber ganz andere Bedingungen: Diese Gegensätze seien „in gewissem Umfange nur noch bei der politischen Opposition vorhanden. Die Regierung selbst verkörpert den Volkswillen. Als Volkstribun fühlt sich in erster Linie der Abgeordnete.“ Mit anderen Worten: Amtliche Pressearbeit und Journalismus haben in einer parlamentarischen Demokratie nicht mehr dieselben Funktionen wie in autoritären Systemen.4
Amtliche Öffentlichkeitsarbeiter sahen sich in ein Spannungsfeld von Information und Persuasion gestellt, und zwar in doppelter Hinsicht: Zum einen in Bezug auf die schon weiter vorn behandelte Frage, wie parteilich-politisiert staatliche Kommunikation sein darf oder muss. Schöne beispielsweise – allerdings im Blick auf Städte und Gemeinden – war ein Verfechter des Tatsachencharakters amtlicher Pressearbeit.5
Und zum anderen entfaltete sich dieses Spannungsfeld durch die in den Zwanzigerjahren auch zunehmende Rolle von wirtschaftlicher Standort-PR und Fremdenverkehrswerbung.6 Was Cramer (1931, Sp. 371) speziell für die Kommunen diagnostizierte, musste auch für die Länder zutreffen, die innerhalb Deutschlands und gegenüber dem Ausland durchaus in Konkurrenz zueinander standen: Die – politisch gesehen neutrale – Pressearbeit der meisten Städte „trägt auch eine propagandist[ische] Note, vornehmlich auf dem Gebiet des kulturellen Lebens, des Ausstellungs- u. Verkehrswesens.“