Fremdenverkehrs- und Standort-PR

Aufschwung städtischer Außenkommunikation

Die Diskussion um das Verhältnis von Information und Persuasion in der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit hatte noch eine andere Dimension: Es bildete sich ein Markt der Städte, auf dem sie als Wettbewerber auftraten.1 Unterschiedliche Auswirkungen von Kriegskonjunktur und -folgen auf die Kommunen sowie territoriale Veränderungen infolge des von Deutschland verlorenen Krieges erhöhten die Konkurrenz zwischen den Städten deutlich.2

Die Fremdenverkehrs- und Standort-PR nahm einen gewaltigen Aufschwung, nicht nur auf Reichsebene (1920 Gründung der „Reichzentrale für deutsche Verkehrswerbung“), sondern gerade auch in den Städten.3 Zunächst – vor dem Ersten Weltkrieg – war die Fremdenverkehrs- und Imagewerbung (auch als Städtereklame, Verkehrswerbung od. ä. benannt) außerhalb der Verwaltung institutionalisiert, meist in so genannten „(Fremden-) Verkehrsvereinen“.

Schon 1916 schien es sich offenbar zu lohnen, ein Buch unter dem Titel „Die Reklame der Städte“ herauszugeben – die darin wieder gegebene Umfrage unter deutschen Städten zeigt die Vereine eindeutig als Hauptträger der „Städtereklame“. Sie erschlossen sich z. T. auch die neue Aufgabe der Werbung um Industrieansiedlungen, diese andere Dimension bildete wohl einen wichtigen Grund, ein stärkeres Engagement der Verwaltungen anzumahnen. Tatsächlich waren schon vor dem Ersten Weltkrieg innerhalb der Verwaltungsstruktur erste „Verkehrsämter“ entstanden.4

Fremdenverkehrswerbung und -PR wurden vor allem in den 1920ern intensiviert5, wegen der Verschuldung und damit Devisenknappheit Deutschlands vor allem auch gegenüber dem Ausland. Leipzig z. B. war stolz, seine touristischen „Werbeschriften“ für das Jahr 1927 „in Gestalt der amerikanischen Faltprospekte“, wie man ruhig zugeben mochte: „nach amerikanischen Vorbildern“, herausgeben zu können – u. a. auch um am „Kampf Deutschlands um den letzten amerikanischen Touristen“ teilzuhaben (Leiske 1927, S. 9f.).

Für die PR zum Zwecke der Wirtschafts- und Tourismusförderung bzw. für die allgemeine Imagekommunikation der Stadt war auch der Propaganda-Begriff gebräuchlich. Im Folgenden ein Beispiel für den sehr weit gehenden Begriff der (kommunalen) Wirtschaftspropaganda:

Alle bisher teilweise langsamer vorwärtsschreitenden Entwicklungsformen wie Industrieförderung, Lagerhofanlagen, Heranziehung von Industrien, Industriegelände und Industriebahn, Flugplätze, Städtehäfen, Förderung bestehender Industrien, Ausbau zu qualitativen Verfeinerungen, Veröffentlichungswesen, Herausgabe von Wirtschaftsberichten und Abhandlungen sowie ähnliches Propagandamaterial laufen in dem Begriff der Wirtschaftspropaganda zusammen (…).

(Herbst 1925, S. 100)

Abb.: Tourismusflyer über Leipzig ca. 1925 (Titel).

Abb.: Tourismusflyer über Leipzig ca. 1925 (Innenseite).

Abb.: Titel des „Leipziger Konzert-, Theater- und Verkehrsblattes“ 1926.

Abb.: Titel der Leipziger Zeitschrift „Vorschau“ 1931, die eine Fusion der vorherigen Monatszeitschrift „Leipzig“ und des „Leipziger Konzert-, Theater- und Verkehrsblattes“ darstellt.

Organisatorische Integration von Bürgerinformation und Außenkommunikation?

Gegen Ende der Zwanzigerjahre machte es sich als eine Tendenz geltend, das Nachrichten- bzw. Presseamt mit dem Verkehrsamt zu koppeln bzw. zu vereinigen: Im Jahre 1930 war dies immerhin in 25 von 70 Städten, die eine Umfrage des Deutschen Städtetages beantwortet hatten, der Fall. Diese Fusionen (einschließlich solcher mit dem Wirtschaftsamt) wurden kontrovers diskutiert.6

Schöne, Verfechter des Tatsachencharakters kommunaler Pressearbeit, meinte, die kommunale Wirtschaftspropaganda müsse „nicht nur aus Gründen der intellektuellen Reinlichkeit“ besonderen Wirtschaftsämtern vorbehalten bleiben. „Unzweckmäßig ist es (…), ein Presseamt zur Propagandastelle für Industrieansiedlungen, für Fremdenverkehr, Ausstellungswesen, kurz: zum kommunalen Mädchen für alles zu machen.“ (Schöne 1923, S. 533; Schöne 1928a, S. 151; ebenso: Bader 1931, S. 243) Er konnte sich dabei auch auf Journalistenkreise berufen, die einen Glaubwürdigkeitsverlust städtischer Pressearbeit kommen sahen.7 Die Zeitungsverleger hingegen befürchteten zurückgehende Anzeigenaufträge der Städte, wenn im redaktionellen Teil „kostenlose Propaganda“ gemacht würde.8

Fusions-Befürworter führten als Argumente ins Feld: zweifellos vorhandene Verwandtschaften von kommunaler Nachrichtenarbeit und Wirtschaftspropaganda, die zunehmende Bedeutung wirtschaftlicher Aufgaben der Städte, die „Modernität“ von Werbung bzw. „Propaganda“ und ihre zunehmende Rolle im menschlichen Alltag.9

Der Zeitgeist wandte sich offenbar gegen die aus der Statistik kommenden Verfechter einer tatsachenorientierten, nüchternen Informationsarbeit (z. B. Walter Schöne) und hin zu einer „Psychologisierung“ bzw. „Emotionalisierung“. So lassen sich Anzeichen für eine verstärkte Rezeption amerikanischen PR- und Werbegebarens finden. Es ist sicherlich auch kein Zufall, dass sich Emil Dovifat, Hauptvertreter der normativen Richtung in der deutschen Publizistikwissenschaft und Verfechter einer Gesinnungspublizistik, Ende der 20er/Anfang der 30er-Jahre für kommunale Öffentlichkeitsarbeit interessierte.10

Abb.: Titel eines Aufsatzes von Emil Dovifat in Sonderheft (1928).

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Liebert 2005.

2 Vgl. Reulecke 1992, S. 150f.

3 Vgl. Deinlein 1927.

4 Liebert 1995. Dort unter Bezug auf: Walter 1916, S. 2ff., 36ff.; Skibitzki 1993; Leiske 1927. Zur Standort-PR siehe auch Kunczik 1997, S. 180f.

5 Z. B. Städtetag 1928, S. 265ff.

6 Bader 1931, S. 243; auch Bader 1928.

7 Schöne 1928a, S. 151f.

8 Groth 1928/1929, II-367.

9 Vgl. Herbst 1923, S.29; Herbst 1925.

10 Vgl. z. B. Dovifat 1928.