Kommunale Öffentlichkeitsarbeit zwischen Tatsachen und Interessen

Walter Schöne zur amtlichen Pressearbeit1

Die nach bisheriger Erkenntnis im Sinne einer PR-Wissenschaft fundiertesten Aussagen aus der Zeit der Weimarer Republik zur kommunalen PR stammen von Walter Schöne. Er verwies auf die Interessenbindung von Öffentlichkeitsarbeit im Verhältnis zur Presse und charakterisierte amtliche Pressearbeit als geplante, gesteuerte Auftragskommunikation, die aber nicht nur einwegig verlaufen muss.

Der „amtliche“ Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter sei „der publizistische Berater und Anwalt der von ihm vertretenen amtlichen Stelle“, man könne ihm nicht die „Aufgaben des unabhängigen Publizisten zuweisen.“ „Daraus ergibt sich, dass er in erster Linie das Positive hervorheben wird, was im Kampfe der Meinungen für die von ihm vertretene Stelle geltend gemacht werden kann. Das schließt nicht aus, dass er die publizistischen Schwächen seiner Dienststelle kritisiert, aber diese kritische journalistische Tätigkeit wird sich nicht nach außen, an die Öffentlichkeit, sondern an die von ihm vertretene Stelle selbst zu wenden haben.“ (Schöne 1928a, S. 145) Er habe „den Geist der Öffentlichkeit in der Verwaltung lebendig zu machen und lebendig zu erhalten“, „in letzter Instanz“ könne er aber nicht darüber entscheiden, „was in die Presse soll und was nicht“ (Schöne 1923, S. 524). Schöne anerkannte das Bedürfnis einer Stadtverwaltung, den „Verkehr mit der Öffentlichkeit einheitlich zu gestalten, um die sonst unvermeidliche Zufälligkeit und Regellosigkeit der Berichterstattung zu vermeiden“. Notwendig sei „ein planmäßiger Nachrichtendienst (…) mit bestimmt vorgezeichneten Aufgaben und Befugnissen“. Dazu könne auch gehören, dass „Schweigen Pflicht“ sei. (Schöne 1923, S. 517, 519, 521)

Schöne sah allerdings deutliche Unterschiede zwischen Staat und Kommune: In einer staatlichen Pressestelle spiele „die Politik eine ganz andere und viel bedeutendere Rolle (…) als im kommunalen Presseamt“ (Schöne 1923, S. 525). Im Einverständnis mit seiner Grundauffassung über amtliche Pressearbeit erkannte er zwar auch auf kommunaler Ebene Partialinteressen, zum Beispiel die einer Stadt gegenüber anderen Gemeinwesen oder bürokratische Eigeninteressen der Verwaltung; vor allem aber sprach er der kommunalen Öffentlichkeitsarbeit – im Unterschied zu anderen Formen – ein sehr hohes Maß an Gemeinwohl-Orientierung an den Interessen der Einwohnerschaft zu. In mehreren Abhandlungen zur kommunalen Öffentlichkeitsarbeit betonte er vor allem ihren „Tatsachencharakter“. (Schöne 1923, S. 530ff.; Schöne 1927, S. 1063; Schöne 1928a, S. 149) Ihre Aufgabe sei Information und nicht Beeinflussung (Schöne 1924, S. 58).

Abb.: Kopf der von Walter Schöne herausgegebenen Zeitschrift Leipzig (1925). Schöne war „Pressechef“ der Stadtverwaltung Leipzig.

Abb.: Titel von Januar 1930.

Diskussion um Rolle der Parteien

Vor allem gegen Ende des Jahrzehnts erlangte diese Problematik neue Aspekte: Die 1918/19 eingeleitete Demokratisierung führte notwendigerweise zu einer stärkeren Rolle der politischen Parteien auch in den Gemeinden. Schöne erkannte, dass der Informationscharakter kommunaler Pressearbeit auch einschließen müsse, Transparenz der komplizierter gewordenen Willensbildungs- und Verhandlungsprozesse (Verlagerung der Entscheidungen vom Plenum in die Ausschüsse) und damit Öffentlichkeit des parlamentarischen Streites der Interessen – unabhängig von den Kommunikatoren dieser Interessen – zu sichern.2

Allerdings gingen die Diskussionen noch sehr viel weiter: Inwieweit soll kommunale Öffentlichkeitsarbeit wie bisher als Ausfluss einer neutralen, über den Parteien stehenden Verwaltung aufgefasst werden oder soll sie sich an der Kommunalpolitik der jeweils demokratisch herrschenden Partei ausrichten?3 Die Waage der Meinungen darüber neigte sich wohl mehr dem Letzteren zu.4 Allerdings verhinderte der Machtantritt Hitlers 1933, dass dieses zweifellos schwierige Problem auf demokratischer Basis ausdiskutiert werden konnte.

Autor(en): T.L.

Anmerkungen
Walter_Schoene_wird_noch_heute_als_Pressehistoriker_zitiert

Abb.: Walter Schöne war auch Pressehistoriker und wird noch heute als solcher zitiert.

1 Darstellung nach Liebert 1996/2003.

2 Vgl. Liebert 1996/2003 auf Basis von Archivmaterialien.

3 Z. B. Schöne 1928a, S. 148; Meyer 1930.

4 Müller 1975, S. 36f. Vgl. auch Bonte 1997, S. 108ff.