Hirsch 1980 (I)

Hochindustrialisierte Gesellschaften in der Sackgasse – Legitimationsschwund

Abb.: Buchdeckel der amerikanischen Ausgabe von Hirsch: Social Limits to Growth von iUniverse 1999 (Erstauflage 1976). Aus: GoodReads https://www.goodreads.com/book/show/647946.Social_Limits_to_Growth

Hirsch1 konstatiert in seinem Buch, dessen Erarbeitung fünf Jahre bis zum ersten Erscheinen in den USA 1976 gedauert hat, dass „wir (…) mit einer Reihe von Grundproblemen der politischen Ökonomie in den hochindustrialisierten Gesellschaften“ in eine „Sackgasse“ geraten seien. Dies sei „zum Teil auf eine überholte Vorstellung vom Wesen und damit den Versprechungen des wirtschaftlichen Wachstums zurückzuführen“ (Hirsch 1980, S. 7).

Welchen Ausweg empfiehlt der Autor ausgehend von seiner Diagnose? Er plädiert für „eine gezielte Neuordnung der Grundlage der Einkommens- und Vermögensverteilung“ (S. 270).

Wahrscheinlich haben wir die Grenzen einer expliziten gesellschaftlichen Ordnung erreicht, die ohne eine stützende gesellschaftliche Moral existieren kann. (…) Hier liegt die entscheidende Schwäche des rein technokratischen Ansatzes, die Marktwirtschaft ihren gesellschaftlichen Zweck erfüllen zu lassen. Die Gesellschaft befindet sich in Aufruhr, da die einzige Legitimation, über die sie verfügt, die der sozialen Gerechtigkeit ist (…).

(Hirsch 1980, S. 270)

Wachstum wird zum Problem – damit auch als Kommunikationsziel

Keynes und alle seine Schüler sowie die Linken und Marxisten, die durchaus einflussreiche Ökonomen auch in der westlichen Welt und den USA stellten, setzten auf Wachstum als Ziel ökonomischer Tätigkeit und als Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit (vgl. für die Keynesianer Hirsch 1980, Klappentext). Wenn dieses Ziel ökonomisch, politisch und sozial so wichtig war, mussten auch alle Menschen dafür konditioniert werden.

Abb.: Fred Hirsch. Quelle: Rückseite des Buches: Die sozialen Grenzen des Wachstums. Eine ökonomische Analyse der Wachstumskrise. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1980.

Mit dem Aufkommen von Wachstumskritikern, also von Zweifeln an diesem Jahrzehnte lang verfolgten und durchaus begründeten Ziel, musste sich auch das „Koordinatensystem“ von gesellschaftlicher und organisationeller Kommunikation ändern. Fred Hirsch hat mit seinem Buch 1980 die Voraussetzungen dafür problematisiert und auf neue Herausforderungen gesellschaftlicher Verständigung verwiesen, nicht aber explizit den nötigen Wandel von Kommunikation in unserem Sinne als Organisations- bzw. Unternehmenskommunikation behandelt.

Informationsvermittlung zwischen Konsumenten und Produzenten

Hirsch benennt die wesentliche Rolle von Informationsvermittlung zwischen Konsumenten und Produzenten für das Funktionieren von Wirtschaft und Markt und zugleich ihre Problemhaftigkeit sowie Begrenztheit. Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass über den Marktprozess selbst, insbesondere durch den Konsum, Informationen übermittelt werden:

Selbstverständlich beruht die Marktwirtschaft auf Bewertungen, die von individuellen Verbrauchern vorgenommen werden. Diese Bewertungen liefern sowohl den Anreiz als auch das Maß für die wirtschaftliche Tätigkeit im Marktsektor. Die Tatsache, dass die Konsumentenpräferenzen den Produzenten uneingeschränkt über den Marktprozess vermittelt werden, aber auch die Abfolge der Übermittlung selbst, ist von vielen Kritikern in Frage gestellt worden, zuletzt und vor allem von John Kenneth Galbraith. Eine weitere Frage ergibt sich aus dem Unvermögen des Marktprozesses, die Nachfrage nach öffentlichen oder kollektiven Gütern anzuzeigen.

(Hirsch 1980, S. 38)

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Fred Hirsch (1931-78) war ein britischer Ökonom. Er wurde in Wien als Kind einer sozialdemokratischen Familie geboren und emigrierte 1934 nach Großbritannien. U.a. beriet er den Internationalen Währungsfonds. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Fred_Hirsch