Galbraith 1968 (III)
Management der gezielten Nachfrage – seine soziale und systemstabilisierende Rolle in der auf Wachstum orientierten Massengesellschaft
Galbraith (1968, S. 235) hält das „Management der Nachfrage (… für) eine bewunderungswürdig subtile Einrichtung unseres Sozialgefüges“.
Es schafft (…) nicht nur eine weitgehende Kontrolle der Nachfrage, sondern es sorgt auch insgesamt für eine unermüdliche Propaganda zugunsten des Gütersystems im Allgemeinen. Von früh bis spät werden die Leute über die Vorzüge aller möglichen Waren unterrichtet und von ihrer absoluten Unentbehrlichkeit überzeugt. (…) diese Punkte werden dann geschickt, ernsthaft und mit einem Unterton echter Anteilnahme als Quellen von Gesundheit, Glück, gesellschaftlichem Aufstieg oder höherem Ansehen dargestellt.
(Galbraith 1968, S. 236)
Insbesondere sei Werbung für die Legitimierung von „Wachstum“ als Ziel des „Industriesystems“ unabdingbar:
Dieses System setzt voraus, dass die Menschen ohne festgesetzte obere Grenze für die Beschaffung von noch mehr Gütern arbeiten. Wenn sie nach Erreichung einer gewissen Bedarfsdeckung zu arbeiten aufhörten, dann wären auch der Expansion des Industriesystems Grenzen gesetzt. Das Wachstum ließe sich als Ziel nicht mehr aufrechterhalten. Die Werbung und die ihr verwandten Künste tragen so zur Formung genau des Menschentyps bei, den das Industriesystem braucht: eines Menschen, der zuverlässig sein Einkommen ausgibt und zuverlässig arbeitet, weil er nie genug bekommt.
(Galbraith 1968, S. 236)
Soziale (Dys-) Funktionen der Werbung – Rolle der Erzieher und Wissenschaftler
Werbung habe eine „bedeutsame soziale Funktion“, sie erstrecke sich „auf die Schaffung von Gewohnheiten, die für das Funktionieren und das Prestige des Industriesystems notwendig sind“ (S. 237). Das Industriesystem wiederum absorbiere „weitgehend“ die unterschiedlichen „Klasseninteressen“ (S. 361).
Das geschieht teils durch die Verringerung der Konfliktursachen, teils durch Ausnutzung der sich daraus ergebenden Formbarkeit der öffentlichen Meinung zur Ausübung einer Kontrolle über Glauben und Einstellung. Auf diese Weise werden die Ziele des Industriesystems von allen übernommen, die damit zu tun haben; sie werden zu Zielen der Gesellschaft selbst.
(Galbraith 1968, S. 361)
Davon ausgehend ergibt sich die immerhin aufgeworfene Frage, „ob das Industriesystem, indem es ökonomische Konflikte auffängt, jede Durchleuchtung sozialer Ziele beendet. Trägt seine Kontrolltechnik – die Manipulierung des Marktgebarens und seine Identifizierung mit den wiederum einer Adaption unterworfenen sozialen Zielen – zu einer Einschläferung der sozialen Selbsterkenntnis bei?“ (Galbraith 1968, S. 362)
Der Kern seiner Antwort, auf die damalige USA bezogen, lautet:
In der Vergangenheit war eine Kritik an dem für den Unternehmer vorteilhaften Vorstellungsgebäude schon durch die entgegengesetzten pekuniären Interessen der Gewerkschaften garantiert. (…) Es besteht kaum Aussicht, dass sie hinsichtlich der Vorstellungen von unserer Außenpolitik eine ähnliche Funktion erfüllen. Ganz abgesehen von ihrer generellen Schwächung sind nämlich ihre eigenen Interessen viel zu eng mit denen der Technostruktur verknüpft. So ruhen die Hoffnungen auf eine solche positive Kritik und die politische Macht, um sie wirkungsvoll werden zu lassen, auf der Gruppe der Erzieher und Wissenschaftler.
(Galbraith 1968, S. 372)
Image-Kommunikation: Unterschied zwischen Wirtschaft und Staat
Galbraith fokussiert nicht, wie oben bereits gesagt, speziell auf Public Relations. Seine Hauptkategorien sind „Management der gezielten Nachfrage“ und „Werbung“.
Gewisse Fingerzeige auf Besonderheiten einer Kommunikation, die nicht unmittelbar auf Nachfrageerzeugung und Absatz von Produkten zielt, ergaben sich schon oben, als verschiedene Formen von Werbung thematisiert wurden. Hier referieren wir eine weitere Argumentationslinie:
„Phantasie und der Aufbau eines Image“ spielten sowohl „zwischen Industriesystem und Staat“ als auch zwischen Staaten bzw. Wirtschafts- und Gesellschaftssystem – insbesondere unter den Bedingungen des Kalten Krieges – eine wichtige Rolle (Galbraith 1968, S. 364ff.). „Die Schaffung dieser Images vollzieht sich (…) wesentlich unauffälliger als bei der Schaffung von Verbrauchernachfrage. Infolgedessen ist die Tiefenwirkung auch größer.“ (S. 365)
Man begegnet der Manipulierung der Nachfrage nach Zigaretten oder Seife mit einer Art von liebenswürdigem Spott (…) Im Gegensatz dazu begegnet man dem Image des Staates mit vollem Ernst. (…) So kommt es, dass wir im öffentlichen wie auch im privaten Bereich – und hier und da aus denselben Gründen – raffinierten Kunstbegriffen ausgesetzt sind, die dem Industriesystem dienen; nur kostet es eine weitaus größere gedankliche Anstrengung, sie im öffentlichen Bereich als Einbildung und Trick zu durchschauen.
(Galbraith 1968, S. 365)