Galbraith 1968 (I)

Galbraith, der Kapitalismus und Keynes

Abb.: Inhaltsverzeichnis (erste Hälfte) von Galbraith 1968: Die moderne Industriegesellschaft. München; Zürich: Droemer Knaur (im amerikanischen Original erstmals 1967).

Der Autor1 hat knapp zehn Jahre an dem ca. 450-seitigen Buch gearbeitet (S. 7). Galbraith diagnostiziert mehrere Veränderungen im Zeitablauf der wirtschaftlichen Entwicklung. „Früher, vom ersten Auftauchen des Kapitalismus bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, wechselten Expansion und Rezession sich in unregelmäßigen Intervallen ab, blieben aber die Regel. (…) In den zwei Dekaden seit dem Zweiten Weltkrieg erlebten wir keine ernsthafte Depression (…)“ (Galbraith 1968, S. 15).

Ähnlich wie der Marxist Baran (1966, S. 62f.) zeichnet Galbraith die „so genannte(n) Keynes’sche(n) Revolution“ als Zäsur.2 Seitdem greife der Staat in die Wirtschaft ein.

„Er bemüht sich, eine für den jeweiligen Ausstoß der Produktionsbetriebe ausreichende Kaufkraft sicherzustellen. Im Zuge der daraus resultierenden Vollbeschäftigung versucht er außerdem – tastend und nicht immer mit der vollen Unterstützung der Öffentlichkeit – zu verhindern, dass Löhne und Preise  in einer endlosen Spirale einander gegenseitig hochtreiben.“ (Galbraith 1968, S. 15).

Galbraith und Baran: neben Gemeinsamkeiten auch Unterschiede

Abb.: John Kenneth Galbraith 1982. „Top Management Forum“ in Hilton Hotel in Amstedam. Gastspreker professor John Kenneth Galbraith. Foto: Dijk, Hans van / Anefo. Quelle: Wikimedia Commons Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Netherlands https://creativecommons.org/licens es/by-sa/3.0/nl/deed.en

Sah Baran (1966, S. 62) die „Keynes’sche Revolution“ in den USA eher nur auf dem Papier und bald nach dem Zweiten Weltkrieg wieder verraten, so fasst Galbraith sie als Grundlage der Nachkriegsentwicklung in den USA bis zum Erscheinen seines Buches auf.

Auch Galbraith schaut in die 1930er-Jahre zurück, wie die Roosevelt-Regierung in den USA wichtige Ansätze aufgriff, aber auch wie diese von verschiedenen gesellschaftlichen Kräften durchaus unterschiedlich beurteilt wurden. Seine Schilderung einer Situation von gesellschaftlicher Auseinandersetzung und Wandel (S. 253) stützt unsere Schlussfolgerung, dass daraus wesentliche Impulse für Public Relations erwuchsen – auch wenn es bei Galbraith nicht explizit um PR geht (der Begriff taucht auch nicht im Register auf).

Galbraith akzentuiert für die Zeit seitdem nicht nur den Staatseinfluss auf die Wirtschaft, sondern die höhere Planmäßigkeit des Handelns – was er auch und gerade auf die Beeinflussungstätigkeit (als „Management“ und „Manipulation“) bezieht. Es ist davon auszugehen, dass PR implizit als Teil dieser Beeinflussungstätigkeit bzw. der Werbung (siehe weiter unten) aufzufassen ist.

 

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 John Kenneth Galbraith (1908-2006) gilt als einer der einflussreichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Er war Keynesianer und arbeitete auch zeitweise in der Regierungsverwaltung von US-Präsident Roosevelt für den New Deal. Ende der 1930er wirkte er an der Hochschule auch mit dem marxistischen Ökonomen Paul Sweezy zusammen. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/John_Kenneth_Galbraith

2 „John Maynard Keynes (1883-1946), seit 1920 Kopf der ‘Cambridger Schule‘ revolutionierte die allgemein akzeptierte Wirtschaftstheorie durch seine Forderung der Abkehr vom Liberalismus und der Einführung einer manipulierten Geldwirtschaft. (Anm. d. Übers.)“ (Galbraith 1968, S. 15 Fußnote 1)