Pro-Preußen- und Verwaltungs-Kommunikation in Hardenbergs fränkischer Zeit

Hardenberg mit allen Mitteln

Integration neuer Gebiete in die preußische Verwaltung

Abb.: Karl Alexander, Markgraf von Brandenburg-Ansbach. Gemälde von Johann Leonhard Schneider (1716-1762). Quelle: Wikimedia Commons, Public Domain.

Dienstherr von Hardenberg als Verwalter der fränkischen Gebiete Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Bayreuth ab 1790 war zunächst noch der amtierende Markgraf Karl Alexander (1736-1806). „Schon 1791 aber wurde H. zum königlich preußischen Staats- und Kabinettsminister ernannt, und aufgrund einer Erbverbrüderung gingen Ansbach und Bayreuth zum 1. Januar 1792 in preußischen Besitz über.“ (Stamm-Kuhlmann 2009)

Der neue „Quasi-Gouverneur“ (Stamm-Kuhlmann 2009), der wie ein „Vizekönig“ (Wikipedia: Karl August von Hardenberg) Hof gehalten habe, ging durchaus konsequent-rigoros vor und scheute nicht den Einsatz militärischer Mittel, um ein geschlossenes und einheitlich verwaltetes Territorium zu erreichen.

Ansbach-Bayreuth als Erprobungsfeld der Regierungs-Publizistik

Allerdings nutzte Hardenberg auch aktiv und intensiv publizistische Mittel. Er führte einen „heftigen Federkrieg“, um für „die preußische Belange“ einzutreten. Dieser Kampf um Sympathien bezog sich nicht nur auf politische Themen im engeren Sinne, sondern schloss beispielsweise auch „Aufklärung im Gesundheitswesen“ ein. (Kunczik 1997, S. 72)

Dabei erprobte er Vorgehensweisen, die er auch später propagieren sollte: a) freie Literaten und Publizisten für die Regierung einzuspannen. Und b): Staatszeitungen zur aktiven Meinungsbeeinflussung zu gründen und einzusetzen. Bereits in jener Zeit habe er das Potenzial einer „argumentierenden Überzeugungsarbeit“ (Hofmeister-Hunger 1994, S. 50) gesehen. Allerdings verzichtete auch Hardenberg nicht auf Manipulation, so die Veröffentlichung fingierter Briefe.1

Publizisten auch im staatlichen Auftrag

Abb.: Wilhelm Ludwig Wekhrlin. Kupferstich von 1780. Quelle: Wikimedia Commons, Public Domain.

Zu a): In Ansbach griff Hardenberg auf die Dienste von Wilhelm Ludwig Wekhrlin (1739-1792) zurück, der als einer der „bedeutungsvollsten Vertreter(n) des süddeutschen Journalismus gegen Ende des 18. Jahrhunderts“ und „eine(r) (…) der ersten freiberuflichen Publizisten in Deutschland“ gilt (Czoik).2 Dass in der damaligen Wahrnehmung publizistische, diplomatische und Geheimdiensttätigkeit eng beieinanderlagen und die Parteinahme für revolutionäre Ideen auch unter den Bürgern nicht nur Freunde machte, zeigen Wekhrlins Leben und Tod. Er sah sich sowohl unter französischem Spionageverdacht als auch dem – mindestens teilweise inszenierten – Volkszorn ausgesetzt.3 Bei seinem letzten publizistischen Projekt, den Ansbachischen Blättern, arbeitete Wekhrlin mit Hardenberg zusammen:

W. reiste zwischen 1791 und 92 zwei Mal nach Ansbach (…), wusste den Minister (Hardenberg – T.L.) für sein Project einer Zeitung zu gewinnen und war im April und Mai 1792 in Frankreich, um Correspondenten anzuwerben. Am 15. Juni erschien er wieder in Ansbach, gab jedoch erst vom 1. August an seine Zeitung als ‚Ansbachische Blätter‘ heraus. Er vertraute auf den Schutz des Ministers, als dieser aber Mitte September einmal (…) verreist war, gelang es einem ansbachischen Gegner Wekhrlins (…) allmählich eine Opposition gegen W. in Scene zu setzen (…).

(Knoblauch zu Hatzbach 1896)

Hardenberg erkannte die Tragik der Ereignisse offensichtlich – gewissermaßen auch als ein frühes Beispiel „tödlicher Auswirkungen“ öffentlicher Beeinflussungsprozesse – und wusste Wekhrlins Engagement (und den dafür bezahlten Preis) postum zu schätzen:

Auch wenn sich die gegen ihn (W.) ausgestreuten Gerüchte in keinerlei Form bestätigen, für Wekhrlins angeschlagene Gesundheit sind diese Aufregungen Gift. Er stirbt am 24. November 1792 in Ansbach. Bestattet auf Kosten von Hardenbergs, findet sein Begräbnis nicht, wie damals kolportiert, in aller Stille, sondern unter reger Anteilnahme der Bevölkerung statt. Der von Hardenberg gestiftete Grabstein ist längst verwittert (…).

(Döhl 2011)

Zeitung für die preußische Sache

Abb.: Karte von Ansbach-Bayreuth, Zustand von 1792. Autor: Klaus M. (Mikmaq), Germany (14.9.2008). Quelle: Wikimedia Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.en (CC-BY-SA-2.5).

Zu b): Hardenberg machte mit der Deutschen Reichs- und Staatszeitung ein Blatt möglich, das zwar in und für Preußen gedacht, aber im benachbarten (nicht-preußischen) Nürnberg verlegt wurde. Damit nutzte der Preuße die fränkischen Konstellationen geschickt aus und umging die verschärfte preußische Pressezensur. Seine Versuche, das mit der Zensur beauftragte Kabinettsministerium von einer Sinnlosigkeit einer solchen Verschärfung zu überzeugen, da die verbotene Literatur in den Nachbarterritorien zu erhalten sei, waren gescheitert. Allerdings hatte auch seine Staatszeitung der anbefohlenen Wachsamkeit auf französische Quellen nachzukommen.4

Die Deutsche Reichs- und Staatszeitung („für den Geschäfts- und Weltmann“) stellte eine Symbiose der staatlichen Interessen Hardenbergs und einer publizistischen Initiative von Karl Julius Lange (ursprünglich Alexander Daveson, 1755-1813) dar. Lange trat auch als Herausgeber des Blattes auf.5 Das Zeitungsprojekt ordnet sich in Hardenbergs Kommunikationsarbeit ein, die insgesamt vom Fügen in Zwänge über das Ausnutzen von Gelegenheiten und das Inspirieren anderer bis zu eigener Aktivität reichte.

Fränkische Zeit als Empfehlung für Berlin

Hardenbergs Tätigkeit in den fränkischen Provinzen muss immerhin so nachhaltig gewesen sein, dass die Bevölkerung preußisch bleiben wollte, als die Gebiete später – teilweise mit „Umweg“ über die französische Militärverwaltung – an das Königreich Bayern fielen.6 Die positiven Erfahrungen der preußischen Administration bei der Integration der fränkischen Landesteile und der Gewinnung der Bevölkerung konnten genutzt werden, als Preußen nach dem Wiener Kongress 1815 einen deutlichen Territorialzuwachs zu bewältigen hatte.

1798 musste Hardenberg aufgrund von Verwaltungsumstellungen aus Ansbach-Bayreuth nach Berlin umsiedeln, was ihn der „hohen Politik“ näher brachte.

Autor(en): P.ST.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Hofmeister-Hunger 1994, S. 96; Kunczik 1997, S. 73.

2 Wekhrlin trat mit boulevardesken Anekdoten, satirischen Reisebeschreibungen, aber auch mit Spottschriften gegen Amtspersonen hervor, und setzte sich für politisch Verfemte und die Freiheit der Presse ein. Weiterhin Bialowons 1976, S. 47f., und Stader 1989, S. 111ff.

3 „Nach seiner Freilassung (aus der Haft – T.L.) gibt Wekhrlin im preußisch gewordenen Ansbach die zweimal wöchentlich erscheinende Zeitung Ansbachische Blätter heraus. Bei den Bürgern der Stadt erregt ihr freimütiger Ton bei aller Parteinahme für Preußen indes Unmut, weshalb die Zeitung nach drei Monaten verboten wird, Wekhrlin als verkappter Jakobiner der Volkswut ausgesetzt ist. Unter Hausarrest gestellt und nervlich zerrüttet, stirbt er am 24. November 1792.“ (Czoik o. J.) Siehe auch nachfolgenden Fließtext.

4 Vgl. Haussherr 1963, S. 210ff.; Hofmeister-Hunger 1994, S. 131ff. Bei Kunczik (1997, S. 72) heißt es offenbar falsch: Deutsche Reichs- und Stadtzeitung.

5 Vgl. Deutsche … 1798. Das Zeitungsprojekt scheint auch noch weitere „Väter“ gehabt zu haben, so den „wichtigsten Gehilfen“ von Hardenberg in Franken, Professor von Kretschmann (Kunczik 1997, S. 72) und den Nürnberger Verleger Ernst Christoph Grattenauer (Wikipedia: Simson Alexander David). Lange befand sich auch später in Berlin, um 1805, „im Umkreis Hardenbergs“ (Kunczik 1997, S. 72f.). U. a. gab er den Nordischen Merkur heraus, in dem auch Cölln schrieb (Bialowons 1976, S. 181). Ab 1806 arbeitete er aus Kritik am alten Preußen als durchaus überzeugter ‚Lohnschreiber‘ für die Franzosen (Wikipedia: Simson Alexander David).

6 Vgl. Wikipedia: Ansbach-Bayreuth https://de.wikipedia.org/wiki/Ansbach-Bayreuth