Auf dem Weg zum Nationalstaat und zur industriellen Organisationsgesellschaft

Von Preußen zum Norddeutschen Bund: größere Rolle von Außenpolitik und Außenministerium

Abb.: Otto von Bismarck, Kriegsminister Albrecht von Roon und Generalstabschef Helmuth von Moltke (von links nach rechts) 1863. Quelle: Stein, Walter (Hrsg.): Bismarck. Des eisernen Kanzlers Leben in annähernd 200 seltenen Bildern nebst einer Einführung. Siegen/Leipzig: Montanus, 1915 / Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Im preußischen Außenministerium war seit 1863 der „geheime expedierende Sekretär“ Dr. Metzler „mit der Bearbeitung von Presseangelegenheiten beschäftigt“ und stand dabei „in unmittelbarer Verbindung“ mit dem Literarischen Büro (Morsey 1956, S. 177).

Am 16. April 1867 (Annahme der Verfassung) wurde der Norddeutsche Bund gegründet, in dem Preußen eine Hegemonialstellung besaß.1 Das preußische Außenministerium, das seit 1728 als eigene Zentralbehörde bestand, ging 1870 auf den Norddeutschen Bund über.

Pressearbeit des Auswärtigen Amtes

Um die größeren Aufgaben zu bewältigen, wollte Bismarck Metzler einen zweiten Mann zur Seite stellen.

Die Begründung dafür formulierte Legationsrat Dr. Hepke2 in einer kurzen Denkschrift, die aus heutiger Sicht als „zusammenfassende Darstellung der amtlichen Presselenkung im Zeitalter des Norddeutschen Bundes“ gelten kann. Hepke gliederte die Pressearbeit des Auswärtigen Amtes in vier Bereiche: I. „Verfassen von Zeitungsartikeln in unmittelbarem Auftrage des H(errn) Chefs (= Bismarck) (…). II. „(…) die Aufzeichnung der Notizen (aus den Abteilungen des Amtes – T.L.) (… und) die Durchsicht (von Presseorganen – T.L.) (…). III. Informiert und mit dem gesichteten Material versehen werden auf dem Auswärtigen Amt täglich: a) ein Mitglied des Literarischen Büros (… es folgen weitere Adressaten insbesondere bei Zeitungen und Korrespondenzen – T.L.). IV. Die Kenntnisnahme von den neuesten Büchern und Flugschriften auf dem Gebiete der politischen und historischen Literatur (…).“ (Morsey 1956, S. 178f.; vgl. auch Kunczik 1997, S. 90f.)

Nachdem Bismarck Hepke „grünes Licht“ gegeben hatte, wurde auf Empfehlung von Metzler der Leipziger Literat Dr. Moritz Busch als zusätzliche Arbeitskraft für Presseangelegenheiten im Februar 1870 in das Amt geholt. Busch wirkte – wie Bismarck einmal titulierte – als „Hofschriftsteller des Auswärtigen Amtes“ formell bis 1873, vor allem während des Deutsch-Französischen Krieges. (Morsey 1956, S. 180)

Größere Herausforderungen außerhalb und innerhalb Preußens machten Öffentlichkeitsarbeit wichtiger und pluraler

Mit der Übertragung preußischer Kompetenzen und Ambitionen auf den Norddeutschen Bund, „den der Kanzler zum Deutschen Reich weiter zu entwickeln trachtete, erwies sich für Bismarck eine nachhaltigere Unterstützung im öffentlichen Meinen als unumgänglich notwendig. Nicht zuletzt bedurfte er im süddeutschen Raum sowie in der ausländischen Presse stärker als bisher des Verständnisses und der Unterstützung für seine deutsche Politik; die 1866/67 vorhandene Begeisterung über den Zusammenschluss eines Teiles Deutschlands befand sich in weiten Volksschichten im Abklingen.“ (Morsey 1956, S. 177f.)

Die Gewerbeordnung von 1869 (Aufhebung Zunftzwang, allgemeine Gewerbefreiheit) einschließlich der damit verbundenen Abschaffung des Koalitionsverbots (damit Möglichkeit von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und sozialistischen Parteien) und die Aktiennovelle von 1870 (Aufhebung des staatlichen Konzessionszwanges für Aktiengesellschaften) brachten für die industrielle Organisationsgesellschaft einen mächtigen Schub.3 Damit vervielfältigte sich auch die Zahl potenzieller PR-Akteure und wurde die Kommunikationslandschaft bunter.

Autor(en): T.L.A.-M.G.

Anmerkungen

1 Vgl. Goros 1998, S. 62.
2 Hepke hatte im Auftrage Bismarcks im Herbst 1866 einen Entwurf für die Norddeutsche Bundesverfassung vorgelegt. Vgl. Morsey 1956, S. 178.
3 Vgl. Naumann 2008, S. 50.