Organisation und Aufgaben der staatlichen Pressebehörde II

Finanzielle und informationelle Beeinflussung der Presse

Die Aufgaben 1 und 2 (siehe vorherige Seite) wurden auch dahingehend erweitert, zusätzliche Gelder zu akquirieren. Man schuf Stellvertreter-Organisationen, die Fundraising für die konservative Presse betrieben. Formal-rechtlich hatten die Verwaltungsmaßnahmen zur Erschwerung des Pressebetriebs für die Zeitungen aller politisch-weltanschaulichen Richtungen zu gelten. Gerade den konservativen Blättern fiel es aber oft schwer, die nötigen Kautionen aufzubringen. So initiierte die Zentralstelle für Presseangelegenheiten einen Verein konservativer Männer zur Aushilfe für Beschaffung von Zeitungskautionen, der die Aufgabe übernahm, (…)

(…) für die stützungsbedürftigen konservativen Organe Gelder zur Verfügung zu stellen. Durch unmittelbare und verschleierte Pressesubvention wurde erreicht, dass Mitte der fünfziger Jahre in Preußen der Anteil der Regierungspresse an den politischen Blättern etwa 60 Prozent betrug

(Bialowons/Raue 1979, S. 16).

Aufgabe 3 (siehe vorherige Seite) ließ sich noch einmal differenzieren in:

a) „(…) Zeitungen herauszufinden. in denen man regierungsfreundliche Meldungen veröffentlichen konnte. ohne dass das betreffende Blatt offiziell zum Regierungsorgan abgestempelt wurde. Solche Blätter fanden sich vor allem in der Provinz.“

b) „(…) Zeitungen aus jenen preußischen Provinzen zu bearbeiten und zu beobachten, in denen die Presse besonders scharf gegen die Regierung zu schreiben pflegte. Das waren vor allem die Rheinprovinz, wo während der fünfziger Jahre verschiedene Zeitungen den Versuch unternahmen, eine Art zentrales demokratisches Organ zu werden, und die Provinz Posen mit ihrer größtenteils polnischen Bevölkerung. Es gab in der Pressestelle einen besonderen Bearbeiter für polnische Zeitungen und Flugblätter.“ (Bialowons/Raue 1979, S. 10)

Etwa 100 Zeitungen, darunter 47 ausländische, wurden systematisch gesichtet.1

Korrespondenzen als wichtiger Beeinflussungskanal

Ein wichtiges Steuerungsinstrument staatlicher Pressearbeit waren Korrespondenzen als semi-mediale Informationsangebote an die Redaktionen. Sie wurden von diesen auch nachgefragt, da der Presse häufig finanzielle Mittel fehlten, um eigene Nachrichten aus der Fremde einzuholen.

Die Zentralstelle belieferte die Zeitungsredaktionen und fremden Diplomaten durch die ‚Preußische Correspondenz‘ mit amtlichen Nachrichten, gab die ‚Provinzialkorrespondenz‘ für Behörden und Redaktionen in der Provinz heraus und die ‚Berliner Korrespondenzen‘ für auswärtige Blätter. Ihr unterstanden auch der ‚Königlich Preußische Staatsanzeiger‘, das Zentralorgan für amtliche Nachrichten, und als Beiblatt die ‚Preußische (Adler)-Zeitung‘, die die Verteidigung der Regierung zu führen hatte. Der Einfluss, der von diesem Büro ausstrahlte, ging so weit, dass die Zeitungskorrespondenten, die mit dem Büro zu tun hatten, kaum unabhängig von ihm zu nennen sind; ihre Zusammenarbeit beruhte auf gegenseitigen Vorteilen, sowohl informatorischen wie finanziellen.

(Sänger 1966, S. 14; vgl. auch Kunczik 1997, S. 85f.)

Deutschland- bzw. außenpolitische Aufgaben

In Frankfurt am Main, dem Sitz des Bundestages, unterhielt die Berliner Presse-Behörde eine Nebenstelle. Der Bundestag des Deutschen Bundes hatte am 2. September 1850 „auf Initiative Österreichs gegen den Willen Preußens“ seine Tätigkeit wieder aufgenommen.

Hatte es vor der Revolution noch eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Österreich und Preußen im Bundestag gegeben, so traten jetzt die Interessengegensätze zwischen diesen beiden Mächten offen zutage. Durch die Konfrontation der beiden Großmächte wuchs die Bedeutung der mittleren und kleineren Bundesstaaten, die von den beiden Großen umworben wurden und sich jetzt bemühten, im Bundestag als dritte Kraft politisch eine Rolle zu spielen.

(Naumann 2008, S. 43)

Abb.: Das Palais Thurn und Taxis in Frankfurt am Main, Sitz des Bundestages. Quelle: Wiedergabe einer historischen Photographie um 1900 (aus Lübbecke, Fried: Das Palais Thurn und Taxis zu Frankfurt am Main). Autor unbekannt / Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Der Kampf zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland wurde auch mit Hilfe der Presse ausgetragen. Sowohl die Vertreter einer großdeutschen als auch die einer kleindeutschen Lösung versuchten die Medien zu instrumentalisieren. Beide Staaten, Preußen und Österreich, „bestachen in großem Umfang Zeitungen in allen Teilen Deutschlands“ (Bialowons/Raue 1979, S. 9; vgl. auch Kunczik 1997, S. 87).

Die preußische Pressearbeit in Frankfurt und Süddeutschland, wie die Schaffung der preußischen Zentralstelle für Presseangelegenheiten generell müssen auch als Versuch angesehen werden, dem österreichischen Beeinflussungssystem Paroli zu bieten. Nach Bismarcks Aussagen hatten die Österreicher Beziehungen in nahezu jede preußische Zeitung „am Rhein und in Berlin“. „Das wichtigste dieser sozusagen österreichischen Organe war die ‚Allgemeine Zeitung‘ in Augsburg, verlegt von Cotta, nach der sich alle antipreußischen Blätter richteten“, schätzen Bialowons/Raue (1979, S. 10) ein.

Autor(en): T.L.A.-M.G.

Anmerkungen

1 Vgl. Wappler 1935, S. 19.