Die „Philosophie“ regierungsamtlicher Öffentlichkeitsarbeit und Medienpolitik

Presse braucht Lenkung

Auch nach der Umbenennung und Reorganisation der Behörde, die seit 1851 „Centralstelle für Preßangelegenheiten“ hieß, bestanden Haupttätigkeiten des Büros – wie oben dargestellt – in der Beobachtung der Presse und der versuchten Presselenkung (mit Geld und Information). Lenkung erschien den preußischen Pressepolitikern notwendig, um die „Gefahren“ einer freien Presse beherrschen zu können. Die Revolutionsjahre hatten die Macht einer freien Presse aufscheinen lassen, die die Regierung nun vielmehr für sich zu instrumentalisieren gedachte.

Ministerpräsident Manteuffel:

Die Bedeutung, welche die freie Presse für die Entwicklung des Staatslebens hat und der Einfluss, den diese auf die Zustände ausübt, legen der Staatsregierung in allen ihren Beamten die Pflicht auf, nicht allein auf dem Wege der Gesetzgebung und durch Anwendung der bestehenden Gesetze den Gefahren dieser Freiheit zu begegnen, sondern auch auf jene zuverlässige Weise dahin zu wirken, dass sich der Einfluss der gegenwärtig leider in der Hand Unfähiger und Böswilliger befindlichen Presse zu einem segensreichen gestaltet.

(Zit. nach Sänger 1966, S. 15)

Öffentliche Meinung und Staat

Abb.: „Macht geht vor Recht“, Karikatur aus dem Kladderadatsch, Nr. 6, vom 8.2.1863. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei.

Umgekehrt sei aus liberalistischer Perspektive die Existenzberechtigung einer regierungsamtlichen Zentralstelle für Presseangelegenheiten generell in Zweifel gezogen worden. Auch sei ihr Image schlecht gewesen, so wurde sie als „Preßkorruptionsanstalt“ oder als „Berichtigungs- und Inspirationsbuerau“ mit monopolistischen Neigungen tituliert (nach Wappler 1935, S. 90).

Manteuffel erkannte – so nach Wappler (1935, S. 91) – durchaus die wachsende Rolle der öffentlichen Meinung und sah diese, gemeinsam mit dem bürgerlichen Freiheitsideal, in einer widersprüchlichen Beziehung mit der „den Staaten zeitlos eigenen auf Macht- und Selbsterhaltung zielenden Staatskunst“. Er betrachtete den Staat „als wertvollsten Faktor der Menschheitsgeschichte“, den es zu erhalten und zu stärken galt. „Manteuffel und seine in diesen Fragen nächsten Berater Quehl und Metzel“ hätten – in der Interpretation von Wappler – „in den politischen Freiheitswünschen und dem nationalen Sehnen des Bürgertums den ‚Machttrieb von unten‘, der am Gegenstand seines Interesses mitzuarbeiten wünschte“, gewürdigt.

Um dieser Gründe willen, nicht aus polizeilichen Erwägungen heraus, sollte eine entsprechende Organisation von oben zu einer einheitlichen Willensbildung und Willensentfaltung beitragen.

(Wappler 1935, S. 92)

Außen- und Innenpolitik

Die stärkere Geltung einer demokratischen „Philosophie“ staatlicher Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wurde auch durch die seinerzeit typische Verquickung von Außen- bzw. Deutschlandpolitik und Innenpolitik erschwert. Solange die deutsche Nationenbildung nicht abgeschlossen war und mehrere Optionen bot, ließen sich interne und externe Akteure nicht klar abgrenzen. Öffentlichkeit und öffentliche Meinung sowie Medienpolitik einer (demokratischen) Gesellschaft mit ihren Normen und Gesetzen beziehen sich – auch heute noch – zuvörderst auf einen Geltungsbereich und Regulierungsraum, der nationalstaatlich definiert ist. Institutionen regierungsamtlicher PR sind an den jeweiligen (National-) Staat gebunden.

Innerhalb einer (demokratischen) Gesellschaft übliche Normen der Transparenz und Diskussion, der Wahrhaftigkeit und Meinungsfreiheit, der Toleranz und Friedlichkeit werden im zwischenstaatlichen Verkehr – selbst von demokratischen Staaten – nicht zwangsläufig vorausgesetzt bzw. gelebt. Die Auslands-PR unterscheidet sich teilweise deutlich von der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit gegenüber den eigenen Bürgern, ganz abgesehen von solchen Praktiken wie Geheimnisschutz bzw. Spionage auch zwischen befreundeten Staaten. In einer historischen Situation – wie in den 1850er-Jahren bzw. bis 1866 –, wo die Grenze zwischen „innen“ und „außen“ ungeklärt ist, mussten die gegenüber externen Akteuren als legitimiert geltenden restriktiveren Praktiken auch auf die internen Verhältnisse durchschlagen.1

Lenkung und Repression, Pressearbeit und Polizei

Die Zugehörigkeit der Zentralstelle zum Staatsministerium und nicht zum Innenministerium beschränkte einen repressiv-polizeilichen Charakter der Behörde. Allerdings habe sich die Zentralstelle „zeitweise des dem Ministerium des Innern unterstehenden Polizeiapparates bedient“, vor allem in Presseangelegenheiten mit außenpolitischer Brisanz.

Dabei seien Manteuffels Anweisungen vom Ressortminister von Westphalen, der gegenüber der Presse grundsätzlich negativ eingestellt war, noch konservativer und vor allem rigoroser ausgeführt worden als beabsichtigt. (Wappler 1935, S. 93) Ferdinand Otto Wilhelm von Westphalen (1799-1877, Innenminister von 1850 bis 1858, gilt als „einer der schärfsten Vertreter der preuß(ischen) Reaktion der 1850er-Jahre“ (Brockhaus 1994, Bd. 24, S. 110).

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 Ähnlich war die Situation der deutschen Zweistaatlichkeit zwischen 1949 und 1990. Neben der schließlich eingetretenen deutschen Wiedervereinigung wurden auch andere historische Entwicklungen für möglich gehalten, beispielsweise eine „Österreichisierung“ der DDR.