Überblick über die Zeit von 1945 bis 1955
Dezentraler Neubeginn in den Ländern
Als der von der NS-Diktatur entfesselte Zweite Weltkrieg 1945 das Deutsche Reich (und Preußen) endgültig in die Katastrophe geführt hatte, hörte deutsche Eigenstaatlichkeit und damit auch deutsche Regierungskommunikation zunächst einmal auf zu bestehen. Nunmehr betrieb jede Besatzungsmacht in ihrer Zone eine eigenständige Kommunikations- und Pressepolitik (u. a. in Form verschiedener Kampagnen zur „Reeducation“).1 Nach der Zeit des ausschließlichen Besatzungsregiments entstanden 1949 mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) auf dem Gebiet der drei Westzonen2 ein neuer Staat und damit auch die erneute Notwendigkeit für regierungsamtliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Bereits vor 1949 zeigte sich der Neubeginn staatlicher Öffentlichkeitsarbeit auf der Ebene der Länder sowie der bi- und trizonalen Verwaltungen und also der semistaatlichen Vorgängerinstitutionen der Bundesrepublik. Bei den Länderregierungen wurden sukzessive Pressestellen und -sprecher eingerichtet (z. B. Walter Zechlin bei der Landesregierung Hannover bzw. Niedersachsen 1946 und 1947). 1948 waren in fast allen Ländern zumindest „Ansätze staatlicher Pressestellen – mit oder ohne Regierungssprecher“ – vorhanden.
Bi- und trizonale Vernetzung
Das Frankfurter Verwaltungsamt für Wirtschaft (seit März 1948) unter Leitung von Ludwig Erhard besaß bereits einen Pressesprecher. Dieses seit 1947 bestehende Amt – eine Art sehr weit gefasstes „Wirtschaftsministerium“ – nahm „rasch ‚den Charakter, wenn auch nicht den Namen einer Regierung‘“ an. In der Zeit des Wirtschaftsrates der Vereinigten Wirtschaftsgebiete hatte sich auch die Frankfurter Pressekonferenz konstituiert. (Fischer 1993, S. 102f.)
„Als die drei Westmächte die Ministerpräsidenten ihrer Zonen am 1. Juli 1948 zur Gründung eines westdeutschen Teilstaates und zur Durchführung einer Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung autorisierten, lehnten die Ministerpräsidenten eine solche Wahl ab. Sie wollten einer gesamtdeutschen Nationalversammlung nicht vorgreifen und setzten einen Parlamentarischen Rat durch, der von den Landtagen gewählt wurde.“ (Bundestag 2014) Diesem, am 1. September 1948 gegründeten Parlamentarischen Rat, der mit der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs beauftragt war, wurde eine eigene Pressestelle zugeteilt.3 Diese Pressestelle ging nach der Gründung der BRD in das Bundeskanzleramt über.4
Im Spätherbst 1948 hatte sich der Präsident des Rates an den Rechnungshof der Vereinigten Wirtschaftsgebiete gewandt, um die künftige Organisation einer bundesstaatlichen Verwaltung zu klären.
Erste Jahre der jungen Bundesrepublik von 1949 bis in die Fünfzigerjahre
Das Grundgesetz wurde schließlich am 23. Mai 1949 verkündet und damit war die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Vorschläge zur Verwaltungsorganisation vom Frühjahr 1949 „sahen innerhalb der Bundeskanzlei u. a. auch die Errichtung einer Vereinigten Pressestelle als eine von vier Abteilungen vor“. Die Ministerpräsidenten-Konferenz der drei Westzonen im Sommer 1949 wollte hingegen nur zwei Abteilungen in der Bundeskanzlei, darunter eine Bundespressestelle. Die Pressebehörde wurde dann aber nicht als Teil des Bundeskanzleramtes, sondern „auf Weisung Adenauers“ als eigenes Presse- und Informationsamt der Bundesregierung geschaffen (Fischer 1993, S. 102).
Schwerpunkt der folgenden Darstellung ist die staatliche Öffentlichkeitsarbeit von 1949 bis in die 1950er-Jahre. Ein Meilenstein stellte die Wiedererlangung der westdeutschen Souveränität durch die Pariser Verträge im Jahr 1955 dar. Mit dem Beitritt der westdeutschen BRD zum westlichen Militärbündnis NATO (wie auch dem der ostdeutschen DDR zum Warschauer Pakt) war 1955 die deutsche Teilung für längere Zeit (bis 1989/90) zementiert.
Die erste Phase der Geschichte der jungen Bundesrepublik wurde wesentlich von Konrad Adenauer als Bundeskanzler (bis 1963) geprägt, so dass häufig auch von der Ära Adenauer zu lesen ist. Insbesondere die erste (bis 1953), von der CDU geführte Bundesregierung stand vor der Aufgabe, inhaltlich und organisatorisch auch in der Kommunikationsarbeit einen Neuanfang zu schaffen und ein der Demokratie gemäßes staatliches Kommunikationsmanagement zu etablieren. Die seinerzeitige Praxis der Regierungskommunikation ist dabei heutzutage nicht nur aufgrund ihrer mindestens teilweisen Modernität5, sondern auch aufgrund der einmaligen historischen Ausgangslage im Nachkriegsdeutschland PR-geschichtlich von besonderem Interesse. Zurückgreifen konnten die damaligen Akteure vor allem auf Werte und Praktiken der neuen westlich-atlantischen Verbündeten und auf eigene Traditionen demokratischer Regierungs-PR aus der Weimarer Republik, so in der Vereinigten Presseabteilung von Reichsregierung und Auswärtigem Amt.
Anmerkungen
2 Die Entwicklung in der Ostzone und die dortige Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) muss hier weitgehend außer Betracht bleiben.
3 Vgl. Kunczik 1999, S. 547; Bentele 1997, S. 164.
4 Vgl. Baring 1982, S. 61. Zum ganzen Abschnitt auch Kordes/Pollmann 1989, S. 23f.
5 In der Literatur wird der Regierungskommunikation nach 1949 durchaus Modernität nachgesagt (vgl. Hoffmann 1992, S. 386; Rosumek 2007, S. 50).