Regierungssprecher

Tätigkeitsprofil

Die zentrale Figur des BPA war von Beginn an der Sprecher der Bundesregierung. Tenscher (2002, S. 46) hat auf theoretisch-systematischer Ebene aus den „strukturellen und organisatorischen Imperativen des Bundespresseamts (BPA)“ primäre Tätigkeitsfelder von Regierungssprechern seit 1949 abgeleitet, einschließlich der „seit 1977 verbotenen Wahlkampfaktivitäten“, und sie als Hypothesen für ein empirisches Befragungsprojekt genutzt:

  • „Planung und Leitung der routinemäßigen und der wahlkampfbezogenen Politikvermittlungsaktivitäten des BPA nach außen, das heißt in Richtung Massenmedien und Bürger,
  • Planung, Koordinierung und Leitung der ressortübergreifenden Politikvermittlungsaktivitäten nach außen,
  • politische Beratung der Bundesregierung und insbesondere des Kanzlers, inklusive der Unterrichtung über wahrgenommene Themen und Stimmungen,
  • Planung und Leitung der Politikvermittlungsaktivitäten nach innen, das heißt das Management der internen Organisationskommunikation des BPA“.

Unstete Phase

In den ersten Jahren zwischen 1949 und 1952 fand ein ständiges Kommen und Gehen auf dieser Position statt. Fischer (1993, S. 103) bezeichnet den Posten als „Schleudersitz“. „Denn bereits während seiner ersten Kanzlerschaft ‚verschliss‘ Konrad Adenauer mit Heinrich Böx, Paul Bourdin, Heinrich Brand und Fritz Twardowski nicht weniger als vier Leiter des Presse- und Informationsamtes“.1

Als Nachfolger von Twardowski war bereits der CDU-Abgeordnete Kiesinger nominiert. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über die Unterstellungsverhältnisse zerschlug sich das jedoch. Bei einer Besprechung mit dem Staatssekretär im Bundeskanzleramt, Otto Lenz, „prallten die Meinungen aufeinander“:

Kiesinger ging davon aus, dass man es sich abgewöhnen müsse, das Informationsministerium für eine Sache des totalitären Staates zu halten. Wenn er auch nicht Minister werden wollte, so hielt er es doch für unerlässlich, dass er als Bundespressechef direkt dem Bundeskanzler unterstellt würde und die Möglichkeit eines engen Kontaktes mit ihm besitzen müsse. Der Staatssekretär war der Meinung, dass der Bundespressechef ihm unterstehen müsse und dass sich bei der Überlastung des Kanzlers praktisch nicht umgehen lasse, dass der Staatssekretär des Innern im Bundeskanzleramt den Pressechef informiere und dirigiere. Der Bundeskanzler Adenauer stellte sich auf denselben Standpunkt und damit war Kiesingers Kandidatur erledigt.

(Irren und Wirren 1951, S. 6)

Erste Amtszeit von Eckardts

Abb.: Felix von Eckardt, Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 16.2.1952 bis 30.4.1955 und vom 1.7.1956 bis 30.6.1962. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-P000185, CC-BY-SA / Wikimedia Commons, Attribution Share alike 3.0 German license http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Doch dann kehrte Stabilität ein: Am 15. Februar 1952 bekam der evangelische Felix von Eckardt (1903-1979) die Ernennung zum bereits fünften Leiter des BPA und Sprecher der Bundesregierung. In der Weimarer Zeit als Journalist tätig gewesen, verbrachte er die NS-Zeit als Filmbuchautor und Regisseur.

Als vielbeschäftigter Drehbuchautor war von Eckardt für das NS-Regime offenbar wertvoller als ein Frontsoldat. Denn die Tobis-Filmgesellschaft erreichte, dass die Wehrmacht ihn nicht einzog. (…) Nach dem Untergang des NS-Regimes konnte von Eckardt endlich wieder in seinen Beruf als Journalist zurückkehren. Da er politisch unbelastet war, erhielt er von den amerikanischen Besatzungsbehörden sogar die Lizenz zur Herausgabe einer Zeitung.

(Grau 2014)

Der eloquente von Eckardt wurde zu einem von Adenauers engsten politischen Beratern und genoss auch in den Reihen der Journalisten ein hohes Ansehen.2 Er bekleidete dieses Amt „– bis auf kurze Unterbrechung durch Edmund Forschbach im Zeitraum 1955/56 – bis Mitte 1962“ und erhielt „infolge seiner engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Kanzler den Beinamen ‚getreuer Eckardt‘“ (Fischer 1993, S. 103). Adenauer schätzte ihn und war sich vor allem auch der „Wahlkampfrelevanz der agilen Informationspolitik Eckardts“ bewusst.

Zweite Amtszeit von Eckardts

Deshalb holte der Kanzler ihn 1956 aus der zwischenzeitlichen UNO-Botschaftertätigkeit wieder zurück auf den BPA-Chefposten. Dabei stieß Adenauer auch auf Widerstand aus seiner eigenen Partei, was auf unterschiedliche Akzente in den bevorzugten Methoden der Pressebeeinflussung zurückzuführen war:

Starke Kräfte der CDU-Fraktion (Krone, Lenz) widersetzten sich der Ablösung des amtierenden BPA-Chefs, Edmund Forschbach, obwohl die Presse einhellig seine unergiebige Amtsführung beklagte. Die Vermutung, dass Forschbach gehalten werden sollte, weil er der parteipolitischen Nutzbarmachung des ,Reptilienfonds‘ zugänglicher schien als ehedem Eckardt, war deshalb keineswegs abwegig.

(Walker 1982, S. 31)

Felix von Eckardt hatte den BPA-Leiterposten erneut vom 1. Juli 1956 bis 1962 inne. Auf ihn folgte vom 1. Juli 1962 bis 14. November 1967 Karl-Günther von Hase, der spätere ZDF-Intendant. Dieser beschrieb das Dilemma des Regierungssprechers wie folgt: „Man darf da keinen Ehrgeiz in eigener Sache haben, aber um der Regierung doch klarzumachen, dass der Regierungssprecher nicht […] ein Grammophon ist, der das nachspielt, was da im Kabinett gesagt worden ist, sondern dass er in der Lage ist, die Regierungspolitik, wie man so schön sagt, gut zu verkaufen“ (Tenscher 2002, S. 48).

Sprecher-Typen

Brand (1950) und Forschbach (1955/56) entsprachen dem „Typus des klassischen Ministerialbeamten“; Böx (1949), Bourdin (1949/50) und von Eckardt (1952-55 und 1956-62) – wie auch v. Eckardts Stellvertreter Krueger – kamen aus dem klassischen Journalismus. Von Twardowski (1950-52), wie auch später (ab 1962) von Hase oder andere, waren „weder reine Beamte noch reine Journalisten, sondern Männer mit Erfahrungen in der Ministerialbürokratie, der Diplomatie und vor allem in verschiedenen Funktionen innerhalb des BPA oder der Pressetätigkeit des Auswärtigen Amtes“ (Walker 1982, S. 138).

Felix von Eckardt war es „ganz unzweifelhaft, der so etwas wie ein Amtsimage des Sprechers der Bundesregierung schuf, und es gelang ihm auch, ein durchaus kooperatives Verhältnis zu den in der ‚Bundespressekonferenz e. V.‘ zusammengeschlossenen Bonner Journalisten herzustellen.“ (Fischer 1993, S. 103)

Regierungssprecher und Bundeskanzler von 1949 bis 1998 nach Tenscher (2002)

Abb.: Tabelle aus Tenscher, Jens: Chefbeleuchter und Schattenmänner. Zum Selbstverständnis deutscher Regierungssprecher. Quelle: PR-Magazin Nr. 2/2002. S. 45. Hinweis: Die von Tenscher in seiner Arbeit interviewten Regierungssprecher sind in der Tabelle fett gedruckt.

 

Autor(en): A.-D.S.T.L.

Anmerkungen

1 Charakterisierungen dieser Personen in Der Spiegel 1957.

2 Vgl. Hoffmann 1992, S. 71; von Eckardt 1971, S. 32 und 173; Küsters 1988, S. 24. Eine sehr plastische Darstellung von Leben und Werk von Eckardts – wie auch Charakterisierungen seiner BPA-Vorgänger – brachte Der Spiegel (1957).