Institutioneller Apparat: Presse- und Informationsamt

Funktionen des Amtes

Das Zentrum der Regierungskommunikation von 1949 bis heute bildet das Presse- und Informationsamt1 der Bundesregierung, häufig auch verkürzt als Bundespresseamt (BPA)2 bezeichnet. Nach den negativen Erfahrungen mit dem Reichspropagandaministerium orientierte sich die Bundesregierung bei der Gestaltung der Organisationsstruktur des BPA an der Reichspresseabteilung der Weimarer Republik. Adenauer selbst wirkte aktiv an der Entstehung des BPA mit, wodurch das Amt eng an ihm ausgerichtet wurde.3

Das BPA hatte ab September 1949 folgende Aufgaben:

Laufende Information des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers, der Bundesministerien, des Bundesrates und Bundestages über Presse- und Funkangelegenheiten des In- und Auslandes; Verbindungsorgan zur in- und ausländischen Presse; Abhaltung von Pressekonferenzen und laufende Unterrichtung der Pressevertreter; Betreuung der Pressevertreter in beruflichen und persönlichen Angelegenheiten.

(Fischer 1993, S. 102f.)

Abb.: Staatssekretär Dr. Felix von Eckardt (ganz rechts) empfängt im Bundespresseamt am 10. Juli 1961 geistliche Würdenträger bzw. ökumenische Persönlichkeiten. Foto: Ludwig Wegmann. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F010959-0011, Wegmann, Ludwig, CC-BY-SA / Wikimedia Commons, Attribution Share alike 3.0 German license http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Es erfüllte also vorrangig zwei Funktionen: Dazu gehörte sowohl die Information der Bundesregierung über Geschehnisse und Stimmungen in der Öffentlichkeit (Hörrohrfunktion) als auch die Information der Öffentlichkeit über die Vorhaben und Programme der Bundesregierung (Sprachrohrfunktion).

Conrad Ahlers, von 1969 bis 1972 selbst Regierungssprecher, blickte zurück: „Aus meiner ersten Dienstzeit im Bundespresseamt Anfang der 50er-Jahre erinnere ich mich, dass wir schon damals Öffentlichkeitsarbeit ganz bewusst als ein Mittel zur Durchsetzung dieses Staates sowohl gegenüber der deutschen Öffentlichkeit als auch gegenüber dem Ausland verstanden haben.“ (Hein 1998, S. 58) Hans Edgar Jahn beschrieb 1953 die Notwendigkeit staatlicher Öffentlichkeitsarbeit konkreter und zwar wie folgt:

Die Regierung muss immerfort Antwort geben auf die vielen Fragen, die jeden Tag in allen Teilen der Bevölkerung auf allen Versammlungen von Berufsvereinigungen, politischen Verbänden usw. an sie gerichtet werden. Sie muss ständig darauf achten, dass alle Missverständnisse über ihre Politik bereinigt werden, sie muss Gerüchten entgegentreten und die Voraussetzungen schaffen, dass auch alle Detailfragen, die die einzelnen Ministerien angehen, beantwortet werden können.

(Zit. nach: Hein 1998, S. 45)

Alltagsarbeit des Amtes

Der Aufbau eines modernen Nachrichtenapparates im Bundes-Presse- und Informationsamt war auch Berichterstattungsgegenstand in den Medien. Ein anschaulicher Bericht aus den Stuttgarter Nachrichten gibt einen Einblick in die Alltagsarbeit des Bonner Amtes 1951:

In der alten Kaserne in der Ermekeilstraße ticken Fernschreiber, Hellschreiber und Telegrafenapparate von 23 Nachrichtenagenturen Tag und Nacht unermüdlich. Um den Wettlauf mit dem Zeitgeschehen aufzunehmen, werden laufend 153 Sendungen von 64 Rundfunkstationen abgehört, und um die wichtigsten Meldungen der Nachwelt zu erhalten, beschäftigen sich rund 180 Beamte und Angestellte lediglich damit, täglich mehr als 300 Zeitungen aus dem In- und Ausland, 60 Zeitschriften und 65 politische Korrespondenzen auszuwerten.
Die fein säuberlich ausgeschnittenen und aufgeklebten Zeitungsausschnitte wandern dann zu den Millionen anderen in das Archiv, dessen Prunkstück eine ‚braune Bibliothek‘ von 1.500 Bänden ist, in denen die Ereignisse der Nazizeit – teilweise von ihren eigenen ‚Größen‘ berichtet – für immer festgehalten sind.
Neben der eigenen Information ist die Erforschung der öffentlichen Meinung durch ‚gallup-ähnliche‘ Einrichtungen für die Bundesregierung ebenso wichtig wie die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die in Bonn geleistete Arbeit. Dies geschieht vor allem durch ein gutes Dutzend ‚Chefs vom Dienst‘, von denen jeweils einer sogar nachts der Presse für Auskünfte zur Verfügung steht.

(UP 1951, S. 2)

Im Jahr 1952 gab das BPA 25 verschiedenen Pressespiegel, Informationsdienste und Mitteilungen heraus, die an Politiker, Verbände und Journalisten verteilt wurden.4

Organisation, Personal und Finanzen

„Im Bundeskanzleramt war eine Zweiteilung in ein Staatssekretariat des Innern und ein Staatssekretariat für Auswärtige Angelegenheiten vorgesehen. Solange die Stelle des Staatssekretärs des Innern im Bundeskanzleramt nicht besetzt war, unterstand das Presseamt dem Bundeskanzler direkt, danach dem Staatssekretär. Von Anfang an hatte der Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung aber unmittelbares Vortragsrecht beim Kanzler.“ (Kordes/Pollmann 1989, S. 24)

Organisatorisch vergrößerte sich das BPA fortlaufend. Nach und nach wurden immer neue Referate eingerichtet, so z.B. ein zunächst geheim gehaltenes Referat für Wehrfragen.5 Dementsprechend stieg auch die Mitarbeiterzahl ständig an: Im Jahr 1950 arbeiteten 176 Mitarbeiter im BPA, fünf Jahre später waren es schon 394.6 Da das Außenministerium erst 1951 gegründet wurde, war die Auslandabteilung bald das Kernstück des BPA und erfüllte eine außenpolitische Ersatzfunktion.7

Kordes/Pollmann (1989, S. 28) bringen Geschäftsverteilungspläne von 1951 und 1952. Aus dem Jahr 1953 existiert ebenfalls ein Organisationsplan des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Der Leiter des Amtes und Regierungssprecher wird darin missverständlich – in Anlehnung an den „Reichspressechef“ aus der Weimarer Zeit – als „Bundespressechef“ bezeichnet. Neben einer Zentralabteilung verzeichnet das Organigramm fünf weitere Abteilungen: Chefredaktion, Nachrichtenwesen, Inland, Ausland sowie Film, Funk, Fernsehen. Die Abteilungen wiederum sind in drei bis zehn Referate gegliedert, solche heißen beispielsweise: Bulletin, Nachrichtenzentrale, Innenpolitik, Berlin und SBZ, Parlamentarische Informationen usw. (Walker 1982, S, 423)

Der Etat stieg dabei stetig an: Im Gründungsjahr 1949 lag er noch bei 897.000 DM, 1955 hatte er sich mit 19,75 Mio. DM schon mehr als verzwanzigfacht.8

Am 30. Juli 1958 wurde Amtsleiter Felix von Eckardt zum beamteten Staatssekretär ernannt und das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung unmittelbar dem Bundeskanzler unterstellt, es musste künftig seinen Haushalt selbst vertreten“ (Kordes/Pollmann 1989, S. 25). Zur Stellung des BPA lässt sich zusammenfassend aus heutiger Sicht sagen: „Der Rechtscharakter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung ist weder durch eine spezielle Rechtsnorm noch durch einen formellen Organisationserlass definiert. Das BPA ist eine oberste Bundesbehörde und untersteht unmittelbar dem Bundeskanzler. Es ist also keine dem Bundeskanzleramt oder einer anderen obersten Bundesbehörde nachgeordnete Behörde.“ (Kordes/Pollmann 1989, S. 30)

Autor(en): A.-D.S.T.L.

Anmerkungen

1 Vgl. Hoffmann 1992, S. 45; Köhler/Schuster 2006, S. 16. „Ein Organisationserlass zur Einrichtung des Presse- und Informationsamtes existiert nicht. Die Pressestelle beim Parlamentarischen Rat war im September 1949 nach Bildung der ersten Bundesregierung in das Bundeskanzleramt übernommen worden. Sie war die Keimzelle des BPA. Wollte man ein Gründungsdatum des Bundespresseamtes festlegen, so müsste man es mit dem der Errichtung des Bundeskanzleramtes koppeln: dem 16. September 1949.“ (Kordes/Pollmann 1982, S. 24)

2 „In einem Schreiben des Bundesministers des Innern vom 15. März 1952 über die Abkürzungsbezeichnungen der obersten Bundesbehörden wird als Abkürzung für das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vorgeschlagen: PIA der Bundesregierung oder BPIA. In einem Schreiben vom 21. Mai 1952 wurde auf Weisung des Staatssekretärs des Bundeskanzleramtes die Abkürzungsbezeichnung ‚BPA’ verwendet. Diese Abkürzung hat sich durchgesetzt.“ (Kordes/Pollmann 1989, S. 25)

3 Vgl. Bundesregierung 2012; Hoffmann 1992, S. 47. Bei dem Aufbau eines neuen Informationsapparates war allerdings Fingerspitzengefühl gefragt, um nicht den Eindruck zu erwecken, eine ähnliche Massenbeeinflussung wie zu Zeiten des Nationalsozialismus etablieren zu wollen. Aus diesem Grund wurde die direkte Unterstellung des BPA unter den Bundeskanzler bald wieder rückgängig gemacht und das Amt im Januar 1950 an das Bundeskanzleramt angegliedert, wo es bis 1958 eine unselbstständige Abteilung blieb (vgl. Walker 1982, S. 9f.).

4 Vgl. Baring 1982, S. 72; Hoffmann 1992, S. 50.

5 Vgl. Baring 1982, S. 25.

6 Vgl. Walker 1982, S. 100.

7 Vgl. Kunczik 1999, S. 552.

8 Vgl. Baring 1982, S. 72; Hoffmann 1992, S. 50.