Institutioneller Apparat: Bundeskanzleramt etc.
Überblick
Der institutionelle Apparat der Regierungskommunikation wurde maßgeblich von Adenauer selbst mitgestaltet. Die zentralen Institutionen der damaligen Zeit waren das Bundeskanzleramt und das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung; die Pressereferate der einzelnen Ressorts hatten eine vergleichsweise geringe, aber nicht zu vernachlässigende Bedeutung im Rahmen der Regierungskommunikation.1 Immerhin entfielen 1965 „von 259 in der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung tätigen Personen 141 auf das Presse- und Informationsamt und 114 auf die Bundesministerien“ (Hein 1998, S. 44).
Das Bundeskanzleramt unter Otto Lenz
Das Bundeskanzleramt wurde nach der Gründung der BRD direkt dem Bundeskanzler unterstellt und spielte damit auch im Rahmen der Regierungskommunikation eine besondere Rolle.
„Am 20. Januar 1950 wurden die Abteilungen I und II des Kanzleramtes zu einer Abteilung I zusammengefasst, die Dr. Globke leitete. Als Abteilung II galt vom gleichen Zeitpunkt an das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, als Abteilung III die ‚Verbindungsstelle zur Alliierten Hohen Kommission‘. Da das Presseamt von vornherein als Apparat für sich konstituiert war und sich die Verbindungsstelle schnell auf eigene Füße stellte, bestand das Kanzleramt im engeren Sinn seit Frühjahr 1950 praktisch aus der Abteilung I.“ (Kordes/Pollmann 1989, S. 25)
Die zentrale Figur in den Anfangsjahren des Bundeskanzleramtes war der Staatssekretär Otto Lenz (1903-1957), ein CDU-Aktivist mit guten Kontakten zur Industrie. Vor 1945 war Lenz in der katholischen Zentrumspartei aktiv und von 1929 bis 1933 Pressereferent im preußischen Justizministerium. Noch 1944 hatte ihn der NS-Volksgerichtshof zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt.
Geprägt durch das Scheitern der Weimarer Republik und die Machtergreifung der Nationalsozialisten sah Lenz in einer aktiven Presse- und Informationspolitik den Garanten für das Funktionieren eines demokratischen Systems. Nach 1945, vornehmlich in seiner Zeit als Staatssekretär, wirkte er daher vor allem auf eine Verbesserung der politischen Informationsarbeit im Sinne der amerikanischen public relations (sic!) hin.
(Jägers 2013)2
Lenz, heute als „engagierter Demokrat und begabter Kommunikator“ (Buchstab 2003) charakterisiert, wird im Rahmen von Adenauers politischer Öffentlichkeitsarbeit eine entscheidende Rolle zugeschrieben.3 Als Adenauer Ende des Jahres 1950 immer mehr an Zustimmung in der Presse und Öffentlichkeit verlor, wurde Lenz als Hoffnungsträger in das Amt berufen, der eine Stimmungsänderung herbeiführen und die Öffentlichkeit von Adenauers politischem Kurs überzeugen sollte.4 Otto Lenz war von 1951 bis 1953 als Staatsekretär Leiter des Bundeskanzleramtes.
Schaffen von Stellvertreter-Organisationen
Lenz erkannte schnell, dass eine aktive Pressepolitik allein nicht genug war.5 Wesentliche Impulse für den Ausbau der breiten Öffentlichkeitsarbeit gingen in den ersten Jahren der Adenauer-Regierung von ihm aus: „Die Stärke von Lenz lag in der Organisierung einer indirekten Werbung, bei der man nicht sofort den Urheber merkte“ (Köhler 1990). Oder anders gesagt: „Er baute ein ganzes Netzwerk an scheinbar unabhängigen PR-Organisationen auf, die für Adenauer Öffentlichkeitsarbeit betrieben“ (Rosumek 2007, S. 54). Dazu zählten u. a. die Bundeszentrale für Heimatdienst (die heutige Bundeszentrale für politische Bildung), die sich an dem Vorbild der Reichszentrale für Heimatdienst in der Weimarer Republik orientierte, sowie die Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise (ADK), die „zum ersten Mal in Deutschland Wahlkampf nach amerikanischem Muster aufzog“ (Köhler 1990).6
Allerdings stießen Lenz‘ Pläne zur Gründung eines eigenständigen Informationsministeriums national und international auf harsche Kritik, woraufhin sich Adenauer schließlich von ihm distanzierte und Lenz 1953 von seinem Amt zurücktrat.7
Anmerkungen
2 Vgl. auch Baring 1982, S. 22. Zu Lenz auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Lenz
4 Vgl. Hoffmann 1992, S. 1. „Das erschien dringend notwendig, erklärten sich doch nur zwanzig Prozent der Bevölkerung im April 1951 mit der Politik des Kanzlers einverstanden.“ (Köhler 1990)