Regierungskommunikation von 1945/49 bis in die Fünfzigerjahre
Einleitung
Historisches: lange Tradition und Wandel
Deutsche (bzw. preußische) Regierungen betreiben spätestens seit dem 19. Jahrhundert eine mehr oder weniger systematische Kommunikationsarbeit. Deren Hauptaufgaben vor 1919 bzw. 1945 waren die Beobachtung und die Beeinflussung der Presse bzw. der öffentlichen Meinung, teilweise aber auch die Verhinderung von Informationen. 1815/16 wurde das erste Literarische Büro beim preußischen Staatskanzler Hardenberg eingerichtet, 1841 das Ministerial-Zeitungsbureau im preußischen Innenministerium gegründet, 1848 gefolgt vom Literarischen Cabinet. U.v.a.m. Dazu gibt es an anderen Stellen des PR-Museums ausführliche Abhandlungen. Stets war die jeweilige staatliche Öffentlichkeitsarbeit bzw. Regierungskommunikation von den allgemein-politischen und PR-historischen Zeitumständen geprägt. Dies galt auch für die Weimarer Republik, die NS-Diktatur und die Zeit nach 1945. Hier betrachten wir die Regierungskommunikation in der Vor- und Frühgeschichte der (west-)deutschen Bundesrepublik, der „alten“ BRD.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann nach Bentele die vierte Periode der deutschen Public Relations: die Phase des Neubeginns und Aufschwungs.1 Im Ausland standen der Abbau des negativen deutschen Images sowie die Beschaffung von Informationen über das Ausland selbst im Vordergrund, im Inland galt es vor allem Vertrauen in Staat und Gesellschaft aufzubauen sowie die Grundlagen und Werte der Demokratie nachhaltig zu vermitteln. Dabei kristallisierten sich drei zentrale Herausforderungen im Rahmen des Neuaufbaus der politischen Öffentlichkeitsarbeit in der Nachkriegszeit heraus: die Hypothek des Dritten Reiches und seines Kommunikations- (Propaganda-)verständnisses, die Frage nach der institutionellen Organisation der PR und ein Mangel an qualifizierten (auch moralisch geeigneten) Fachkräften.2
Systematisches: einige Definitionen
Kommunikation des Staates bzw. von Regierungen ist zunächst einmal politische Kommunikation. Letztere kann „als derjenige Teil menschlicher Kommunikation definiert“ werden, „der sich entweder thematisch oder aufgrund der Beteiligung von Akteuren des politischen Systems der Politik zurechnen lässt“ (Bentele 1998, S. 130-131). Ausgehend von einer weiteren Unterscheidung in Kommunikation politischer Akteure und in die auf Politik bezogene Kommunikation von Akteuren außerhalb des politischen Systems handelt es sich bei staatlicher Öffentlichkeitsarbeit um ersteren Typ, um eine Form politischer Öffentlichkeitsarbeit mit gewissen Besonderheiten.
Regierungskommunikation (oder Regierungs-PR) wiederum kann als Teil staatlicher Kommunikation bzw. Öffentlichkeitsarbeit angesehen werden.3 In manchen Quellen erfährt der Begriff Regierungskommunikation aber eine bestimmte Akzentuierung oder eine andere, meist umfassendere Bedeutung. Gebauer in Jarren/Sarcinelli/Saxer (1998, S. 464) sieht den Schwerpunkt in Entscheidungsrechtfertigung nach innen und außen, ergänzt um die Informations- und Kommunikationsabläufe im Zuge von Politikvorbereitung. Neuerdings – also nicht zwangsläufig in ihren historischen Erscheinungsformen – trete dazu die Frage, inwieweit staatliche Kommunikation zu einer stärkeren Einbeziehung der Bürger in den politischen Entscheidungsprozesses führen könne – im Sinne einer Politikmitgestaltung.
Systematisches: Aspekte von Regierungskommunikation
So gesehen – bezogen auf eine Demokratie – befinde sich die Regierung im Schnittpunkt dreier Kommunikationsfelder: „a) Im Zentrum der Regierungskommunikation steht ihre Einbindung in das politisch-parlamentarische System des Grundgesetzes.“ b) „Neben solcher Einbindung in die spezifischen Kommunikationsstrukturen einer repräsentativen Demokratie ist die Regierung unmittelbarer Adressat und Initiator in einem breiten öffentlichen Kommunikationsprozess.“ c) „Der dritte große Kommunikationsbereich betrifft das Zusammenwirken mit dem ‚Staatsapparat‘ im weiteren Sinne (…)“. (Gebauer in Jarren/Sarcinelli/Saxer 1998, S. 464)
Pfetsch (1998, S. 237) – als eine Autorin innerhalb des Forschungsfeldes der politischen Kommunikation – begreift Regierungskommunikation als „Interdependenzmanagement“: Auf der Makroebene „im Sinne der Moderation zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Systemen durch die Herstellung allgemeinverbindlicher Entscheidungen“ und auf der Mikroebene „im Sinne der Verhandlungen und Abstimmungen mit anderen Akteuren“.
Anmerkungen
1 Bentele 1997, S. 161 und 164.
2 Vgl. dazu: Kunczik 1999, S. 552; Hoffmann 1992, S. 386; Rosumek 2007, S. 49.
3 Zu einem möglichen Verständnis dieses Begriffes siehe auch: Köhler, Miriam Melanie; Schuster Christian (2006): Regierungs-PR im Feld der politischen Kommunikation. In: Köhler, Miriam Melanie; Schuster, Christian (Hrsg.) (2006): Handbuch Regierungs-PR. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S.13-34. (Vorher schon Bergsdorf.)
Bildnachweis für Beitragsfoto (ganz oben): Die Mikrofone der Medien auf dem Flughafen Köln-Bonn-Wahn stehen für Statements der bundesdeutschen Regierungsdelegation nach ihrer Rückkehr aus Moskau im September 1955 bereit. In der ersten Reihe Bundeskanzler Konrad Adenauer (winkend), rechts neben ihm Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier. Foto: Helmut J. Wolf. Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-2005-0141, Wolf, Helmut J., CC-BY-SA / Wikimedia Commons, Attribution Share alike 3.0 German license http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en