Vertiefung aus aktuellem Anlass: 1000 Jahre Leipzig

Das Festjahr 2015 als PR-Aufgabe

Das Festjahr 2015 anlässlich der Ersterwähnung Leipzigs vor 1000 Jahren wurde zu einer großen organisatorischen und PR-Herausforderung. Als „Drehscheibe“ zwischen Bürgern, Wirtschaft und Verwaltung fungiert ein eigens gegründeter Verein „Leipzig 2015 e. V.“ aus privaten und institutionellen Mitgliedern, Leipziger Bürgern und prominenten Leipzig-Botschaftern. Vgl. http://www.leipzig2015.de Die Schirmherrschaft über das Jubiläum übernahm Bundespräsident Joachim Gauck. Der Verein stellte eine „Fankollektion“ zusammen, gab diverse Publikationen heraus und warb mit Plakaten sowie auf Bahnen und Flugzeugen in- und außerhalb Leipzigs für das Festjahr. Ein Newsletter informierte die Mitglieder. Unterstützt wird der Verein von Platin- und Goldsponsoren. Weitere Kommunikationsmaßnahmen, ggf. mit Partnern: Gold- und Silbermünzen, Briefmarken-Sonderedition etc.

Über mehrere Monate hinweg fanden viele Veranstaltungen statt: allein von Mai bis Oktober über 200. Einen Höhepunkt bildete das so genannte „StadtFestSpiel Lipsias Löwen“ am 30. Mai 2015 mit fünf beweglichen Bühnenskulpturen. Die anschließenden „StadtFestTage“ bis zum 7. Juni klangen mit dem traditionellen Leipziger Stadtfest aus. Mehrere Events und Ausstellungen thematisierten auch die Kommunikations- und Messegeschichte der Stadt. Im Museum für Druckkunst beispielsweise zeichnete eine Sonderausstellung „500 Jahre Druck- und Verlagsstandort“ nach. Vgl. http://www.druckkunst-museum.de

Zeitgleich beging die Stadt 2015 mehrere andere Jubiläen, so 850 Jahre Leipziger Messen und 100 Jahre Leipziger Hauptbahnhof, des „bis heute flächenmäßig größten europäischen Kopfbahnhofs“ (1000 Jahre Leipzig. 2014, S. 10).

Informationen aus: 1000 Jahre … 2014; StadtFestSpiel … 2015; Wir feiern 1000 Jahre … 2015.

Zum historischen Hintergrund 1015

Das Jubiläum 1000 Jahre Leipzig geht auf die bisher bekannte früheste Erwähnung des Ortes in der Geschichtsschreibung zurück: Im siebten Buch seiner Chronik für das Jahr 1015 schreibt Thietmar, Merseburger Bischof (975/976-1018), über Eid, von 992 bis 1015 Bischof von Meißen1: Dieser sei „eben mit großen Geschenken aus Polen zurückgekehrt“ und „gab am 20. Dezember in der Burg Leipzig Christus seine treue Seele zurück“. (Also er verstarb.) Die erwähnte Burg, im Original „in urbe libzi“, müsse „westlich der heutigen Großen Fleischergasse auf dem Hügel des damaligen Matthäikirchhofes gelegen haben“. Der Bericht wird für verlässlich gehalten, die Chronik von Thietmar sei neben Widukinds „Sachsengeschichte“ eine der wichtigsten Quellen für das 10. und 11. Jahrhundert. (1000 Jahre Leipzig … 2014, S. 5)

Nach neuesten Erkenntnissen gehörte zu der eher kleinen Burg noch eine große Vorstadt. „Zu einem Zusammenwachsen dieser Keimzelle mit Kleinsiedlungen in der Umgebung (so am heutigen Markt, der Petersstraße, Thomaskirchhof, auch einer Richtstätte samt Galgen am Leuschnerplatz, kam es wohl erst nach 1100 – als der jetzt entdeckte Stadtgraben verfüllt wurde und ein neues Wegenetz entstand.“ (Rometsch 2015a, S. 13)

„Neben Geistlichen und Herrschern, die bei ihren Reisen in den Burgen sichere Raststätten fanden, passierten um 1015 vor allem Krieger der jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Heinrich II. und dem polnischen Fürsten Boleslaw Chrobry die Keimzelle Leipzigs. Außerdem Waffen-, Schmuck-, Wein- und vor allem Sklavenhändler, die über Leipzig Gefangene aus slawischen Gebieten (das Wort Sklave entwickelte sich aus Slawe) in die arabischen Kalifate in Spanien und Nordafrika lieferten.“ (Rometsch 2015a, S. 13)

Besiedelt war der Leipziger Raum schon deutlich eher. „631 wurde die Anwesenheit von Sorben auf dem hiesigen Gebiet erstmals erwähnt.“ (Orbeck 2013a, S. 15) Die heutige Innenstadt von Leipzig war um 800 allerdings noch ein Wald (Rometsch 2015, S. 17).

Zum historischen Hintergrund um 1165

Die 1965 begangene 800-Jahr-Feier bezog sich hingegen auf die Stadtwerdung Leipzigs, nicht die Ersterwähnung: „Damals nahmen die Stadtväter eine Urkunde zu den städtischen Rechten zum Anlass, die zwischen 1156 und 1170 verliehen wurde.“ (Museumsdirektor Dr. Volker Rodekamp in: 1000 Jahre Leipzig … 2014, S. 5)

Leipzigs 800-Jahr-Feier 1965 „bezog sich auf das Jahr 1165 und einen Stadtbrief, den Markgraf Otto der Reiche Leipzig verlieh. Das Datum ist bei Forschern allerdings umstritten. Denn das Dokument ist undatiert, der Zeitraum wurde lediglich anhand von Lebensdaten und Zeitzeugen eingegrenzt. Uni-Professor Enno Bünz, der zu den Herausgebern des vierbändigen Buchprojektes zur Historie Leipzigs gehört, geht sogar von einer Fälschung aus. Die als Stadtbrief deklarierte Urkunde soll zwischen 1156 und 1170 ausgestellt worden sein. Dazu wird derzeit noch geforscht.“ (Orbeck 2013, S. 15)

Möglicherweise ist der Stadtbrief eine Fälschung, sein Inhalt aber nicht.

Handelt es sich bei der Urkunde um eine Fälschung in der Absicht, die. Stadtprivilegien nachträglich mit einem vorgetäuschten markgräflichen Einverständnis zu untermauern? Urkundenfälschung – eine gängige Praxis damaliger Zeit – erforderte eine hohe Kunstfertigkeit und fundierte Kenntnisse über den Aufbau derartiger Dokumente. Professionellen Fälschern aber wären Fehler wie falsch herum hängende Siegel oder Zeitwechsel bei der Beschreibung der Privilegienverleihung kaum unterlaufen. Alles an der Urkunde deutet darauf hin, dass sie in großer Eile verfasst worden sein muss, um einem wichtigen Würdenträger zu einem unerwarteten Zeitpunkt ein Dokument mit Hinweis auf die Stadtrechte präsentieren zu können.

Wahrscheinlich stammt der Stadtbrief erst aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts, denn der als Schreiber genannte markgräfliche Kaplan Walter von Meißen kommt als Verfasser definitiv nicht in Betracht. Vielleicht handelt es sich um hastig verfasstes Gedächtnisprotokoll, mit dem die Stadtväter 1216 nach einem Bürgeraufstand den Markgrafen Dietrich von Wettin auf ihre verbrieften Rechte hinweisen wollten.

(Schwibbe 2007, S. 21)

Autor(en): T.L.

Anmerkungen

1 In manchen Veröffentlichungen heißt der Bischof auch Eido.