Vertiefung: Aufstieg der Buchstadt Leipzig (nach Keiderling)
Von den ersten Druckern bis zur Reformationszeit
Der Buchdruck wurde um 1450 in Mainz erfunden und trat seinen Siegeszug zunächst im süddeutschen Raum an. Leipzig habe – so der Buchwissenschaftler Keiderling – „die so wichtige Frühentwicklung des Buchdrucks komplett verschlafen.“ Um 1480 „gab es (…) schon in 87 deutschen Städten Druckereien. Und Leipzig war noch nicht einmal darunter.“
Keiderling weiter: „Aber bald darauf siedelten erste Drucker-Verleger in der Nähe des Leipziger Marktplatzes. Konrad Kachelofen und Melchior Lotter der Ältere waren die bekanntesten unter ihnen. Kachelofen fertigte zwischen 1485 und 1500 rund ein Drittel der über 1000 nachgewiesenen lokalen Frühdrucke. Die Erneuerung eines älteren Leipziger Messeprivilegs durch Kaiser Maximilian I. brachte einen Heimvorteil für die junge Branche. Von nun an wurden drei Mal jährlich, nämlich im Frühjahr, Herbst und zu Neujahr, Buchmessen abgehalten. Für umherreisende Drucker-Verleger und Buchhändler waren sie eine willkommene Gelegenheit, um einen Zwischenstopp einzulegen. Sie brachten Bücher und viel Unternehmergeist mit. Einige ließen sich in der Stadt nieder oder eröffneten eine Filiale. Es gab aber auch die Möglichkeit, nichtverkaufte Bücher innerhalb der Stadtmauern einzulagern, um den teuren Abtransport zu sparen. Leipzig wurde zum Lager- und Stapelplatz von Literatur. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich die Leipziger Buchmesse nach der Frankfurter zur zweitwichtigsten in deutschen Landen.“
Vor allem dann aber die „seit 1517 einsetzende Reformationsbewegung eines Martin Luther“ und damit jede Menge an Bestsellern werteten die mittel- im Vergleich zu den süddeutschen Standorten auf. (Keiderling 2013, S. 10)
Leipzig löste Frankfurt ab
Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-48), der Leipzig „mit voller Wucht“ traf, galt Frankfurt am Main „noch immer als die führende Messe- und Buchhandelsstadt Deutschlands“. Zunehmende Nachfrage nach deutschsprachiger Literatur, der gute Ruf der Universität oder die liberale Zensur bildeten nach Ansicht des Leipziger Buchwissenschaftlers Thomas Keiderling die entscheidenden Faktoren für den weiteren Aufstieg Leipzigs.
Frankfurt und Leipzig traten in ein „offenes Kräftemessen“ ein, das vor allem über den optimalen Termin ausgefochten wurde. Buchhandelsakteure beförderten die diesbezügliche Rats-Politik durch demonstrative und persuasive Kommunikation: „Der einflussreiche Leipziger Verleger Philipp Erasmus Reich besuchte 1764, nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs, die Frankfurter Messe ein letztes Mal, um seine dortigen Bücherlager demonstrativ aufzulösen. Zugleich überzeugte er die anderen Leipziger Buchhändler, ein Gleiches zu tun. Dieses Zu-Grabe-Tragen bescherte der Frankfurter Buchmesse, die sich bereits seit Jahrzehnten in einer Krise befand, das definitive Aus. Binnen Kurzem versank sie in Bedeutungslosigkeit und wurde am Ende völlig eingestellt.“
Leipzig hatte es geschafft: „Die deutsche Buchhändlerschaft reiste von nun an fast geschlossen zu den Leipziger Messen. Und so blieb es nicht aus, dass die hiesige Buchmesse alsbald auch für ausländische Buchhändler interessant wurde. Die historische Ablösung der Frankfurter benötigte mehr als 200 Jahre. Sie entsprach vollauf den Veränderungen auf dem deutschen Buchmarkt und sie ist auch für den heutigen Betrachter ein Lehrstück kluger Standort- und Regionalpolitik.“ (Keiderling 2014, S. 9)
Doch Geschichte endet nie, und so sollte sich später, unter anderen historischen Verhältnissen, das Blatt wieder wenden.