Entwicklung seit dem 15. Jahrhundert
Regional bedingte Faktoren fördern kontinuierlichen Warenaustausch
„Das 15. Jahrhundert war einer der wichtigsten Zeiträume“ für die Geschichte der Leipziger Messe. Entscheidende Impulse kamen aus der Region selber, die „die Stadt zum Vorort aller Handelsstädte für den Warenaustausch zwischen West- und Mittelosteuropa“ machten:
Neue, frühe kapitalistische Produktionsformen begannen, sich in einem langwierigen, komplizierten und durchaus nicht einheitlichen Prozess durchzusetzen. Diese Veränderungen wurden zuerst in der Textilherstellung wirksam, weil hier zuerst Kaufmannskapital in die Produktion eindrang und das Verlagswesen und ansatzweise auch frühe Formen von Manufakturen entstanden. Zugleich konnten dabei Zunftschranken durchbrochen und ländliche Produzenten einbezogen werden. Eine dadurch mögliche billigere Massenproduktion setzte einen verstärkten Handel mit Rohstoffen voraus (…).
Hinzu kamen vor allem ab 1471 mit den Silberfunden in Schneeberg und damit einem neuen „Berggeschrey“ …
(…) Erfordernisse in den Bergbauzentren im mitteldeutschen Raum und damit im Einzugsbereich der Leipziger Jahrmärkte: das Mansfelder Revier und das Erzgebirge. In nur wenigen Jahren konzentrierten sich z. B. im sächsischen Erzgebirge 50-70.000 Menschen, die – als Lohnarbeiter ohne Grundbesitz – in allen Bedarfsbereichen auf den Markt angewiesen waren. (…) Die Loslösung großer Bevölkerungsteile von der bisher üblichen agrarischen Selbstversorgung, die Spezialisierung ganzer Regionen auf die Herstellung bestimmter Produkte bzw. Rohstoffe, bedingte einen auf hoher Organisationsstufe stehenden, kontinuierlichen Warenaustausch zu allen Jahreszeiten.
(Straube in Rodekamp 1997, S. 21f.)
1497 verlieh König, später Kaiser, Maximilian I. der Stadt ein Messeprivileg und begünstigte damit den Weg zum überregionalen und kontinentalen Handels- und Finanzplatz. Ein zweites Privileg von 1507, das so genannte „Stapelrecht“, schaltete die Messekonkurrenz im Umkreis (so in Erfurt oder Naumburg)1 endgültig aus. Leipzig schuf bauliche Voraussetzungen für ein gedeihliches Messegeschehen: 1501 das alte Gewandhaus für die Tuchhändler und 1555 wurde die Alte Waage zum Messe-Mittelpunkt. Hier wurden die nach Leipzig eingeführten Waren gewogen und verzollt.
Einst gehörte die 1555 errichtete Alte Waage am Markt zu den wichtigsten Gebäuden Leipzigs. Zu Messezeiten herrschte reger Betrieb, denn alle gehandelten Waren unterlagen einer strengen Waagepflicht, und die Zollabgaben mussten festgelegt werden. Später verlagerten die Ratsherren diese Funktion vors Grimmaische Tor. Von 1661 an als erstes Leipziger Postamt genutzt, erlangte das Gebäude Anfang des 20. Jahrhunderts eine neue Bedeutung. Die Alte Waage war viele Jahre Domizil des Leipziger Meßamtes, das am 8. Februar 1917 nach langwierigen Verhandlungen offiziell seine Arbeit aufnahm.
(Orbeck 2007, S. 17)
Kriege und Seuchen, aber auch Bücher
Leipzigs „zentrale geographische und politische Lage“ machte die Stadt „immer zu einem Ort kriegerischer wie friedlicher Auseinandersetzungen (…).“
Wichtige reichs- wie handelspolitische Verkehrsadern führten schon im 15. und 16. Jahrhundert von, nach, durch Leipzig und um die Stadt herum. Das machte sie nicht nur zum Handels- und ‚Reichsmeßplatz‘, sondern samt dem Leipziger Raum immer wieder zum Schlachtenort. In einer weiten, flachen, waldarmen Ebene gelegen, mit Bastionen, Torwerken und Wällen versehen, war außerdem in den umliegenden kleineren Städten und Orten Verpflegung und Ausrüstung für die Soldaten zu holen.
(Grundmann 2004, S. 3)
Im 17. Jahrhundert verursachten Feldzüge, Epidemien und Fehlspekulationen der Messe erhebliche Probleme. Allerdings konnten Kriege – unter damaligen Bedingungen lokale bzw. wandernde und noch nicht totale, omnipotente Ereignisse – die Wirtschaft in bestimmten Sektoren auch ankurbeln: Der Handel versorgte „die Armee mit Nachschub und profitierte dabei vor allem bei Rossmärkten“ (Leipziger Messe GmbH ca. 2002, S. 10).
Beeinträchtigungen des Handels durch Kriege und Epidemien, so zwischen 1680 und 1683, animierten die Händler auch dazu, das Stapelprivileg Leipzigs zu umgehen. Um eine weitere Aushöhlung der Messerechte durch auswärtige Kaufleute zu verhindern, schufen die Leipziger die so genannte Handelsdelegation.
„Um 1680, als die deutsche Sprache die lateinische ablöste (…), begann der Aufstieg Leipzigs zum wichtigsten Umschlagplatz für Bücher.“ Der zunehmende Anteil an Belletristik und Universitätsneugründungen östlich von Elbe und Oder begünstigten ebenfalls Leipzig im Vergleich zum früheren Literatur-Hauptumschlagplatz Frankfurt am Main (Rodekamp 1997, S. 251).
Messe als Einkaufsstätte des Adels und staatliche Finanzquelle
Fürstlich-rechtliche Privilegien verloren zunehmend an Bedeutung für die Entwicklung der Messe, zumal sie auch früher eher als rechtliche Bestätigung vorhandener Realzustände denn als Impuls für neue Entwicklungen zu begreifen sind.2 Allerdings blieben königlich-fürstliche Einflüsse wichtig. Sowohl der sächsische König in Dresden als auch die europäische Großmachtambitionen verfolgenden Könige im nahen Preußen betrachteten Leipzig als wichtige Geldquelle und Handelsmetropole.
Der Einkauf von Luxusgütern auf den Messen gehörte, neben der Begutachtung des Absatzes sächsischer Waren, zum Programm der Messebesuche des jeweiligen Potentaten. Ihrer Eigenständigkeit bewusst, wohl aber den Vorteil dieser Besuche erkennend, bemühten sich Leipzigs Bürger fleißig um die Gunst ihrer Landesherren. Sie bereiteten ihnen freundliche Empfänge, zu denen Begrüßungshymnen, Festgelage und auch die Pferdeumzüge gehörten, die nach dem Einläuten den eigentlichen Beginn der Messen anzeigten.
(Rodekamp 1997, S. 212)
„Im Siebenjährigen Krieg (1756-63) stand die Stadt fast ununterbrochen unter preußischer Besatzung; 10.286.430 Taler hatten die Leipziger Kontributionen zu leisten. Daran erinnert heute keine Tafel und kein Gedenkstein.“ (Grundmann 2004, S. 3) Die napoleonischen Kriege (Völkerschlacht 1813) setzten Leipzig arg zu.
Anmerkungen
1 Halle (Saale) war bereits 1469 als Konkurrent ausgeschaltet, allerdings nach zuvor wechselnden kaiserlichen Anordnungen (pro Leipzig, dann pro Halle und schließlich wieder pro Leipzig). Vgl. Rodekamp 1997, S. 18f.
2 Vgl. Rodekamp 1997, S. 21. Die Privilegien Maximilians bezogen sich zudem auf bestimmte Termine, die sehr wichtig für den Erfolg einer Messe waren.