Kommunale Öffentlichkeitsarbeit in der Weimarer Republik

Einleitung

Ursachen für die endgültige Etablierung kommunaler Öffentlichkeitsarbeit in der Weimarer Republik1

Der Erste Weltkrieg 1914-1918 intensivierte die kommunale Öffentlichkeitsarbeit, was zunächst verwundern mag. Dieser Krieg hatte in seiner Endphase zum ersten Mal auch spürbare Auswirkungen auf das Alltagsleben der Bevölkerung weitab von der Front. Die „Kriegswirtschaft“ (Lebensmittelversorgung, Kriegsopferfürsorge, Gesundheitsschutz u. Ä.) lag weitgehend in den Händen der Gemeinden und erweiterte erneut ihren Aufgabenkreis, sie mussten zudem die auf die Bürger einstürmenden Anordnungen und Maßnahmen ausführlicher denn je erklären.2

In der seit Beginn des 18. Jahrhunderts „steigenden sozial-kulturellen und wirtschaftlichen Betätigung der deutschen Städte“, ihren Aufgaben der „erziehlichen, gesundheitlichen und sozialen Wohlfahrtspflege“ sowie ihren „wirtschaftliche(n) Unternehmungen zur Befriedigung von Allgemeinbedürfnissen“ lagen wohl bis 1918 die wichtigsten Ursachen für kommunale Öffentlichkeitsarbeit (Cramer 1928, S. 3).3 Auch später blieb dieser Faktor von Bedeutung: Die Kommunen übernahmen nach dem Kriege weitere sozialstaatliche Aufgaben. Das Schlagwort von der „Kommunalisierung“ als Erscheinungsform der „Sozialisierung“ machte die Runde.4

Die Novemberrevolution von 1918 brachte aber vor allem die Abschaffung der Monarchie und der Fürsten in den Teilstaaten. Mit der Weimarer Republik bekam Deutschland zum ersten Mal eine demokratische Staatsform. „Geheimniskrämerei“ war nun nicht mehr Staatsdoktrin, sondern „Publizität“. Allgemeines Wahlrecht und Demokratisierung auf allen Ebenen, ein verändertes Selbstverständnis der ersten deutschen Republik erhöhten Interesse und Einflussmöglichkeiten der Bürger.5

Kommunale PR hatte prinzipiell nunmehr alle Bewohner einer Gemeinde einzubeziehen. Die Demokratisierung und Politisierung der Gemeinden bildete die hinreichende Bedingung, dass sich kommunale Öffentlichkeitsarbeit als spezialisierter Tätigkeitsbereich endgültig in größeren deutschen Städten etablierte.6 (Zur Öffentlichkeitsarbeit der Länder siehe an anderer Stelle im PR-Museum.)

Abb.: Titel eines Aufsatzes des Zeitungswissenschaftlers Otto Groth in Sonderheft (1928). Es erschien anlässlich der Medien-Ausstellung PRESSA 1928 in Köln, an der sich der Deutsche Städtetag mit einer Sonderexposition und die Arbeitsgemeinschaft Städtischer Nachrichten- und Presseämter mit einer Kollektivausstellung beteiligten.

Ämter und Zahlen

Eine Institutionalisierung kommunaler Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vollzog sich vor allem in Form spezifischer Ämter innerhalb der Stadtverwaltungen. Die Zahl städtischer Nachrichten- und Presseämter betrug 1922 mindestens 56, im Jahre 1927 besaßen von den 90 Städten über 50.000 Einwohner immerhin 65 ein solches Amt.7

Als Gründungsjahr des ersten eines solchen Amtes in einer deutschen Stadt gilt schon das Jahr 1906: In Magdeburg wurde damals auf Anregung der örtlichen Presse zunächst die bisherige Rechtsauskunftsstelle zugleich auch Pressestelle, im darauf folgenden Jahr bestellte man eigens dafür einen Pressedezernenten.8 Auch in weiteren Großstädten gründeten sich schon vor dem Ersten Weltkrieg solche Ämter.9

Typische Arbeitsgebiete einer solchen Dienststelle waren z. B. wie im Erfurt der 1920er-Jahre:

1 „Die Nachrichtengebung als der eigentliche Pressedienst“

1.1 Die „mittelbare Pressetätigkeit“ (z. B. Erledigung von Anfragen)

1.2 Die „unmittelbare Pressetätigkeit“ (Weitergabe von Material an die Presse und Veröffentlichung eigener Abhandlungen)

1.3 Pressekonferenzen (einschl. „Besichtigungen der städtischen Einrichtungen“)

1.4 „Bekanntmachungswesen“

2 „Die Nachrichtenbeschaffung im Sinne eines eigenen Nachrichtendienstes für die Verwaltung selbst“

2.1 „Beobachtung und Nutzbarmachung öffentlicher und sonstiger Anregungen aus verschiedenen Quellen“

2.2 „Innerer Berichtsdienst“

(Herbst 1923, S. 32f.; vgl. auch Groth 1928/29, II-358ff.)

Das Nürnberger Nachrichtenamt, seit 1912 bestehend und seit 1922 dem Statistischen Amt angegliedert, gab von 1922 bis 1932 jährlich zwischen 1.100 und 1.500 Mitteilungen für die Presse aus. Ab 1929/30 fanden Pressekonferenzen regelmäßig monatlich statt.10 Das kommunale Nachrichtenamt der Stadt Leipzig beispielsweise betrieb in der Zeit der Weimarer Republik einen Ratspressedienst, der im Jahre 1927 immerhin aus „rund 2.200 Pressemitteilungen und amtlichen Bekanntmachungen“ bestand – nicht mitgerechnet gelegentliche direkte Mitteilungen einzelner städtischer Fachämter an die Presse.11

Autor(en): T.L.

Anmerkungen
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Abb.: Werbeanzeige für die Stadt Leipzig.

1 Teilweise wortgetreue Darstellung nach Liebert 1995.

2 Vgl. Müller 1975, S. 21; Gebhardt 1994, S. 183.

3 Möglicherweise stellt die wirtschaftliche Betätigung deutscher Städte eine Besonderheit dar. Cramer (1928, S. 3) meint dies jedenfalls: „Ganz im Gegensatz zu anderen Ländern hat die gemeindliche Selbstverwaltung in Deutschland im Laufe des vergangenen Jahrhunderts in steigendem Maße sich wirtschaftlich betätigt.“

4 Vgl. Adler 1921.

5 Vgl. Kühr 1993, S. 5f.

6 Vgl. Cramer 1928, S. 3. Zur kommunalen PR in der Weimarer Republik siehe auch Kunczik 1997, S. 179ff.

7 Vgl. Müller 1975, S. 25; Gebhardt 1994, S. 183. Meyer (1930) nennt z. T. andere Zahlen.

8 Vgl. Müller 1975, S. 18f. Fast alle Autoren, die nur Sekundärliteratur verarbeiten, beziehen sich dabei auf die rechtswissenschaftliche Dissertation von Müller (1975) und seine Veröffentlichung von (1977). Der zeitgenössische Autor Herbst (1923, S. 15) nennt sogar das genaue Gründungsdatum: 31. 7. 1906. An aktueller Forschungsliteratur siehe Bieler 2010, S. 65ff. und 258f.

9 Es handelte sich um folgende deutsche Städte: Magdeburg (1906); Kattowitz (1908); Berlin, Charlottenburg, Mannheim (1909); Danzig, Köln (1910); Aachen, Berlin-Lichtenberg, Berlin-Wilmersdorf, Dortmund, Liegnitz, Nürnberg, Offenbach (1912); Berlin-Schöneberg, Kassel, Königshütte, Mülheim/Ruhr, Spandau (1913); Karlsruhe (1914). (Müller 1975, S. 24, und die dort angeführten Quellen; vgl. auch Gebhardt 1994, S. 183, und Herbst 1923, S. 15) Cramer (1928, S. 7) kommt auf nur 9 Gründungen bis Kriegsbeginn 1914.

Eine zeitgenössische Arbeit von 1913 „vergisst“ Magdeburg und nennt nur 6 „städtische Preßämter“: Berlin, Berlin-Schöneberg, Berlin-Wilmersdorf, Mannheim, Nürnberg und Dortmund (Berthold 1913, S. 583). Auch Cramer (1928, S. 7) erwähnt Magdeburg nicht: den Anfang hätten Berlin (1908), Charlottenburg (1909) und Köln (1910) gemacht. Bader (1928) hingegen nennt für das Jahr 1906 zwei Gründungen: Magdeburg und Freiburg im Breisgau. Kunczik (1997, S. 180) zählt auf: 1906: Freiburg i. Br. und Magdeburg; 1908: Berlin, Guben und Kattowitz; 1909: Charlottenburg, Halberstadt und Mannheim; 1910: Köln; 1912: Aachen, Kassel und Nürnberg.

10 Liebert 1999, S. 409.

11 Verwaltungsbericht Leipzig 1927, S. 16. Vgl. auch Liebert 1996/2003.