Zusammenfassung (I)
Zusammenfassung
Beschäftigung mit Public Relations am Beispiel des Wirtschaftsunternehmens
Alle sechs Dissertationen beschäftigen sich grundsätzlich und theoretisch-systematisch mit Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations. Am wenigsten explizit (aber sehr wohl der Sache nach) geschieht dies bei Schobert 1968, der allgemeiner ansetzt und das Verhältnis von öffentlicher Meinung und Unternehmung problematisiert. Fünf der sechs Arbeiten führen den Begriff „Public Relations“ im Titel, zumindest als Klammervermerk. Zwei Promotionsschriften verwenden im Titel (auch) „Beziehungspflege“, eine (Ludemann 1952) „Partnerschaftspflege“.
Mit einer Ausnahme (Skowronnek 1979) fokussieren alle Dissertationen auf PR in der Wirtschaft bzw. von Unternehmen. Das schließt nicht aus, dass auf einer sekundären Ebene auch Aussagen zur PR in anderen Praxisfeldern getroffen werden (so bei Löckenhoff 1958, S. 16ff.). Und Skowronnek (1979) beschäftigt sich in ihrem allgemein-grundlegenden Teil auch mit unternehmerischer PR und PR allgemein. Dass PR überwiegend als Kommunikationsdisziplin der Wirtschaft diskutiert wurde, lässt sich vermutlich auf die Einflüsse der entsprechenden amerikanischen Diskussion und auf die – durch den Wirtschaftsaufschwung getragene – rasante Entwicklung der Unternehmens-PR in der frühen Bundesrepublik erklären.
Haedrich/Barthenheier/Kleinert (1982) präzisieren – unter inhaltlichem Verweis auf Jessen/Lerch (1978) – diese Vermutung noch. Entscheidend für die PR im westlichen Nachkriegs-Deutschland sei (…)
(…) das Ziel gewesen, ‚Interessen-Identitäten‘ zwischen Wirtschaft und Bevölkerung herzustellen. Die ‚freie Marktwirtschaft‘ war den Deutschen fremd. (…) In der Lösung der ‚sozialen Fragen‘ sahen auch die PR-Theoretiker jener Zeit die Hauptaufgabe (Gross 1952; Vogel 1952). Sie räumten der Relation Unternehmen-Mitarbeiter die Priorität ein. (…) Das Unternehmen wurde somit als soziale und nicht nur ökonomische oder rechtliche Einheit gesehen.
(Haedrich/Barthenheier/Kleinert 1982, S. 10f.)
Diese Einschätzung wird unter den ausgewerteten Dissertationen insbesondere durch den Bezug auf Partnerschafts- bzw. Beziehungs-Pflege bei Ludemann (1952), Löckenhoff (1958) und zusätzlich „Human Relations“ bei Steybe (1958) bestätigt.
Grundsätzliche Perspektiven
Fünf der sechs Arbeiten nehmen eine neutrale bis grundsätzlich positive Haltung zur Öffentlichkeitsarbeit/PR ein. Sie argumentieren systemimmanent auf dem Boden einer demokratisch-westlichen und Markt-Gesellschaft. Bei Skowronnek (1979) kommt insgesamt eine kapitalismus- und PR-kritische Haltung zum Ausdruck. Allerdings ist auch ihr Ziel, eine (ideale, partizipationsfördernde) PR per definitionem zu „verteidigen“ bzw. für den staatlich-politischen Bereich detailliert zu entwerfen.
Dass sich in den späteren Arbeiten (Schobert 1968, Skowronnek 1979) gegenüber den früheren doch die inhaltlichen Akzente verschieben, hat möglicherweise mit der sich in den 1960er-Jahren verändernden Rolle von PR zu tun: Die Meinungs-, Beziehungs- bzw. Partnerschaftspflege trat in den Hintergrund, „PR wurden zur Waffe des Konkurrenzkampfes. Sie wurden dem Marketing untergeordnet.“ (Haedrich/Barthenheier/Kleinert 1982, S. 11) Damit wurde „PR von Wirtschaftsunternehmen“ Teil eines anderen Konzeptes, was auch Einfluss auf die Titelformulierungen und Herangehensweisen von Dissertationen und Fachpublikationen gehabt haben dürfte. Und es gerieten PR-Praxisfelder außerhalb der Wirtschaft stärker in den Blick (wie bei Skowronnek 1979).
„PR“ und die alte deutsche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: die „Gretchenfrage“
Hundhausen hatte in seinen Fachartikeln von 1937/38 über die USA die Frage gestellt, was denn von dem dort so auffälligem Interesse an „Public Relations“ für Deutschland neu sei. Dabei verwies er auf die lange Kommunikationstradition deutscher Unternehmen. Sind also „Public Relations“ bloß ein amerikanisches Synonym für das, was es in Deutschland immer schon gab, aber durchaus mit unterschiedlichen Begriffen belegt wurde? Bzw. ist es eine neutral-wertfreie Bezeichnung für die Praxis unternehmerischer Presse- und Kommunikationsarbeit, ohne spezifischen Sinngehalt?
Nach den sechs ausgewerteten Dissertationen zu urteilen, eher nicht. Alle Arbeiten sprechen den „Public Relations“ eine besondere Bedeutung zu oder verknüpfen sie mit einem spezifischen theoretischen Ansatz, wenngleich mehrere auch allgemein einen vagen oder uneinheitlichen Begriffsgebrauch kritisieren. Insgesamt hat aber die amerikanische Diskussion eben doch Impulse und neue Akzente für die deutsche Reflexion von unternehmerischer Kommunikation ab den 1950ern gebracht.
„PR“ und die alte deutsche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Erfahrungsvorteil der USA
Im Unterschied dazu kann nach 1945/1949 nicht von einer direkten Fortsetzung1 der deutschen Diskussion über Unternehmens- bzw. Organisationskommunikation vor 1933 gesprochen werden, sie war vermutlich nicht mehr bekannt, wurde in Teilen auch durch die Zeit der NS-Diktatur als diskreditiert empfunden oder wurde als nicht relevant eingeschätzt, weil sie nicht unter dem Label „PR“ stattgefunden hatte.2 Die westlichen Besatzungszonen – die spätere Bundesrepublik Deutschland (BRD) – standen nach 1945 v.a. unter amerikanischem Einfluss, was die Rezeption von PR-Auffassungen und -Praxis aus den USA gewiss erleichtert hat. Indirekt war die „deutsche Position“ aber insoweit präsent – und in dieser Weise nicht immer von Vorteil –, indem eine gewisse Grundreserviertheit gegenüber dem „amerikanischen“ Begriff PR und eine kulturelle Vorsicht vor der „Übernahme“ amerikanischer Ansichten vorherrschte.3
Der wahre Hauptgrund für den stärkeren Einfluss amerikanischer Auffassungen gegenüber dem mühsamen Anknüpfen an demokratische Diskurse im Deutschland vor 1933 dürfte aber einfach darin liegen, dass die Entwicklung des zugrunde liegenden sozialökonomischen (industriellen bzw. kapitalistischen) Systems in der Welt weiter vorangeschritten war. Deutschland hatte keine (wirtschaftlichen und kommunikativen) Erfahrungen, wie eine globale Wirtschafts- und Finanzkrise (die von 1929ff.) – also eine Systemkrise – letztlich unter demokratisch-pluralistischen (!) und marktwirtschaftlichen Konkurrenzverhältnissen (!) bewältigt werden konnte. Deutschlands „Ausweg“ aus der Krise in Form einer totalitären Diktatur und einer (zumindest ab Kriegsbeginn) Zentralverwaltungswirtschaft hatte bekanntlich in eine „Sackgasse“ und zur Katastrophe geführt.
In den Jahren ab 1948/49 machten die Westdeutschen nun Erfahrungen unter demokratisch-marktwirtschaftlichen Verhältnissen, die ohne Zutun der USA nicht zustande gekommen wären. Historisch gesehen ist es sicherlich kein bloßer Zufall, wenn im Jahr der DPRG-Gründung 1958 (vorsichtshalber sagen wir aufgrund des nicht erschöpfenden Recherchestandes: mindestens) zwei Doktortitel für Arbeiten über PR vergeben wurden.