Grundcharakteristik der 1850er-Jahre
Die 1850er als Jahrzehnt der Reaktion
Die 1850er-Jahre sind in die Geschichte als „Prozess der Reaktion“ eingegangen. Getragen wurde er „besonders in Preußen von der staatlichen Bürokratie, welche ihre ehemals fortschrittlich-liberalen Züge verloren hatte. In Preußen kam auch der feudal-junkerliehe Einfluss wieder verstärkt zur Geltung, und mit Ausnahme der Patrimonialgerichtsbarkeit wurden viele gutsherrschaftliche Rechte wiederhergestellt“ (Naumann 2008, S. 42).
Bezogen auf die damalige Medienpolitik fasst eine pressehistorische Darstellung aus der DDR zusammen:
Der Staat mischte sich in die Presseentwicklung erstens durch den Erlass von Pressegesetzen ein, zweitens indem er beachtliche Teile der Presse mit Hilfe wirtschaftlicher Druckmittel korrumpierte, und drittens, indem er die Redaktionen durch amtliche Pressestellen beeinflusste.
(Bialowons/Raue 1979, S. 7)
Auch Fachpublikationen aus den 1990ern urteilen ähnlich: Vor allem im „Reaktionsjahrzehnt der 1850er-Jahre“ setzten die deutschen Regierungen „auf eine einheitliche, von oben gesteuerte Willensbildung“. Das Bundespressegesetz von 1854 war „in einem durchaus vergleichbaren Geist“ abgefasst wie die Karlsbader Beschlüsse von 1819. „Das während der Revolution (von 1848/49) verlorengegangene Kontrollinstrument der Vorzensur wurde durch eine repressive Verwaltungspraxis ersetzt.“ (Piereth 1994, S. 34) Dazu gehörten in Preußen die Wiedereinführung der Kautionspflicht (12. Mai 1851) und der Stempelsteuer, um die Zeitungsauflagen klein zu halten (2. Juni 1852). Das Strafgesetzbuch vom 14. April 1851 mit dem berüchtigten „Hass- und Verachtungsparagraphen“ 101 tat ein Übriges (Bialowons/Raue 1979, S. 8).
Unterschied der 1850er-Jahre zur Restaurationszeit nach 1819
Allerdings gab es auch einen wichtigen Unterschied zur Zeit zwischen 1819 und 1848: Jetzt war das „anhaltende Bemühen der Obrigkeit auch um aktive Pressearbeit“ erkennbar, das sich „im Ausbau der entsprechenden amtlichen Institutionen spiegelt“. Auch im Bereich der Pressepolitik sei die Reaktion nunmehr „moderner“ als die Restauration nach 1815 gewesen. (Piereth 1994, S. 34)
Spätestens seit den Revolutionen von 1848/49 hatte sich bei den in den deutschen Staaten Herrschenden die Erkenntnis durchgesetzt, „dass wegen der enorm gestiegenen Anforderungen die Pressepolitik innerhalb des Regierungsapparates besser organisiert werden müsse“ (Piereth 1994, S. 33). Wie anderswo setzte man in Preußen auf die Installierung und Vervollkommnung eines Pressebüros mit durchaus wechselnden Bezeichnungen (Literarisches Kabinett, Zentralstelle für Presseangelegenheiten, Literarisches Büro).