Staatliche Öffentlichkeitsarbeit in der bürgerlich-liberalen Revolution von 1848/49

Bis zum Sommer 1848: Märzrevolution, Pressefreiheit und Literarisches Kabinett

1848 brachte die politische Lage zur Explosion. Die Februar-Ereignisse in Paris schwappten in die deutschen Länder über: Im März stand ganz Deutschland im Zeichen der Revolution, deshalb auch die Rede von der „Märzrevolution“. Sie trug einen liberal-demokratischen und einen nationalen Charakter. In vielen Ländern kamen nach anfänglichen Auseinandersetzungen, dann in Folge von Verhandlungen liberale Ministerien, die sogenannten „Märzministerien“, ans Ruder. Verfassungsgebende Versammlungen konstituierten sich.1

Preußen erließ am 17./18. März 1848 ein vorläufiges Pressegesetz, das im Paragraphen 1 die Aufhebung der Zensur verkündete. Allerdings führte es im § 4 eine Kautionspflicht bei Zeitungsgründungen ein. Erst die Verfassung vom Dezember beseitigte diese wieder und die Stempelsteuer.2

Abb.: Jubelnde Revolutionäre nach Barrikadenkämpfen in Berlin, 18. März 1848. Von Unbekannt – im Original Kreidelithographie. Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei bzw. Public Domain.

„Die Revolution von 1848/49 brachte erstmals in Deutschland uneingeschränkte Pressefreiheit. Eine wahre ‚Leseexplosion‘ war die Folge: Die Auflagenzahlen vor allem der politischen Presse schnellten in die Höhe, zahlreiche – häufig allerdings nur kurzlebige – Blätter wurden neu gegründet. (…) Die Regierungen sahen sich zu umfassender aktiver Pressearbeit veranlasst, um wieder Kontrolle über die Öffentlichkeit zu bekommen.“ (Piereth 1994, S. 32)

Im selben Jahr, bereits im Sommer 1848, rief man unter dem Ministerpräsidenten Rudolph von Auerswald – er war nur etwa ein Vierteljahr an der Macht – das Literarische Kabinett ins Leben.3 Dessen zentrale Aufgabe: Zeitungen auswerten, also die Beobachtung der veröffentlichten Meinung. Das Büro bestand vor allem aus den Literaten Dr. Aegidi – als „treibende Arbeitskraft“ (die aber im November ausschied) –, Roerdanz und Dr. Arndt (Wappler 1935, S. 4).

Zweite Jahreshälfte 1848: liberal-konstitutionelle Verfassung und konservativer Innenminister

Gegen Ende des Jahres 1848 hatten die Konservativen bereits wieder an Boden gewonnen. Funktion und Tätigkeit einer staatlichen Stelle für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit waren und sind nur in Abhängigkeit von der allgemeinen Kommunikationsordnung bestimmbar, die seinerzeit unter den bürgerlich-liberalen Revolutionsumständen und konservativen Gegenbewegungen großer Unsicherheit und Dynamik unterlag. Der preußische König löste am 5. Dezember 1848 die Nationalversammlung auf und verkündete eine liberal-konstitutionelle Verfassung.4 Sie versprach im Artikel 24 Pressefreiheit:

Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliehe Darstellung seine Gedanken frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise, namentlich weder durch Zensur, noch durch Konzessionen und Sicherheitsbestellungen, weder durch Staatsauflagen noch durch Beschränkungen der Druckereien und des Buchhandels, noch endlich durch Postverbote und ungleichmäßigen Postsatz oder durch andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendiert oder aufgehoben werden.

(Zit. nach Wappler 1935, S. 4.)5

Innenminister war ab 8. November 1848 bis 1850 Otto Theodor Freiherr von Manteuffel (1805-1882). Er bildete eine wichtige Konstante des Staates in den (Nach-) Revolutionsjahren. Der konservative preußische Politiker setzte sich für das Dreiklassenwahlrecht (1849) und die Umgestaltung der Verfassung (1848/1850) ein. Mit Kompromissen verhinderte er, dass die alten Mächte von der Revolution hinweggefegt wurden.6

Seiner politischen Konfession ungeachtet, überdauerte M(anteuffel) als anerkannt tüchtiger Beamter die personellen Veränderungen infolge der revolutionären Ereignisse. Als der König, angesichts der sich radikalisierenden Nationalversammlung von Kamarilla und Kreuzzeitungspartei ebenso bedrängt wie gestützt, den Weg zur Bildung eines antirevolutionären Kampfministeriums freigab, stand M. zur Verfügung. Wenn auch der erfolgreiche Kurs dieses Ministeriums der ‚rettenden Taten‘ wesentlich der Entschlusskraft und dem Durchsetzungsvermögen des Ministerpräsidenten, Grafen Brandenburg, zu verdanken war, so entwickelte sich doch M. als Minister des Innern zum politisch führenden Kopf. Mit der Verlegung und schließlichen Auflösung der preuß(ischen) Nationalversammlung sowie dem gleichzeitigen Oktroi der Verfassung (5.12.1848) wurde der schmale Weg eines konservativ-liberalen Kompromisses – unter konstitutionellen Zugeständnissen, aber extra-konstitutionellen Handlungsvorbehalten der Exekutive – zu beschreiten versucht.

(Grünthal 1990)

Literarisches Kabinett: neuer Anlauf ab Dezember 1848

Ein erneuter Anlauf für das Literarische Kabinett im Dezember 1848 unter dem Königlichen Generalkonsul Freiherrn von Richthofen und mit den Mitarbeitern Dr. Balßer, Prof. Herzog, Dr. Metzel, Roerdanz, Heckert und Dr. Arndt hatte „theoretisch“ von der Pressefreiheit auszugehen.

Die Regierung wie auch jede politische Strömung gerieten dabei zu einem „Player“ unter mehreren und hatten aber auf Rezeptionsseite zu berücksichtigen, dass „die große Masse der Zeitungsleser erfahrungsgemäß nur eine Zeitung hielt“. Da die Presselandschaft politisch-weltanschaulich strukturiert war, bedeutete dies, dass „eine allseitig abwägende Besprechung praktisch nicht möglich war“. „Um in vorsichtiger und zweckdienlicher Weise den Ansichten der Regierung beim Publikum Eingang zu schaffen“, verfolgte Richthofen die Strategie, „von vornherein in der Presse diejenigen Gefühlsgründe zur Geltung zu bringen, unter denen die Regierung ihre Maßregeln durch das Publikum beurteilt sehen wünschte“. (Wappler 1935, S. 5)

Der konkrete Betrieb im Literarischen Kabinett der Revolutionsjahre mutet durchaus modern an: Man versandte Fragebögen in die preußischen Regionen, unterhielt Verbindungspersonen in den einzelnen Ministerien und eine sehr detaillierte Geschäftsordnung regelte die Angaben bzw. Empfehlungen auf den Clippings des Pressespiegels. Die Mitarbeiter hatten konkret Rechenschaft abzulegen über ihre Autorentätigkeit für die verschiedensten Zeitungen (unter Einschätzung der Zugänglichkeit der jeweiligen Redaktion).7

Autor(en): T.L.C.G.K.Z.

Anmerkungen

1 Vgl. Naumann 2008, S. 39.
2 Vgl. Bialowons 1979, S. 12-14.
3 Vgl. dazu – neben Wappler 1935 – auch Kunczik 1997, S. 84.
4 Vgl. Naumann 2008, S. 40.
5 Abgeschwächt in der endgültigen Verfassung vom 31. Januar 1850.
6 Vgl. Brockhaus 1991, Bd. 14, S. 168.
7 Vgl. Wappler 1935, S. 7.