Die 2000er-Jahre – Zeit von marktlicher Euphorie und professionell-privatem Glück II
Die erneute Pirouette 2003: eine Drehung rückwärts, zwei vorwärts
Schulze van Loon und Molthan setzten mehr Flexibilität durch und erreichten einmalige Sonderstellung
Dietrich Schulze van Loon und Kerstin Molthan zogen die Reißleine (siehe vorherige Seite), aber vergleichsweise sanft. Oder anders gesagt: Sie wollten mehr Flexibilität – suchten nach mehr unternehmerischer Freiheit, aber ohne Vorteile großer Networks aufzugeben. Für ihr „Standing“ in der Branche sprach, dass sie sich das erlauben konnten:
Molthan und van Loon setzen mehr Flexibilität bei ECC durch (…) Kerstin M. Molthan und Dieter Schulze van Loon, bislang geschäftsführende Partner bei ECC Kohtes Klewes Hamburg, werden dieses Büro zum 1. Januar (2003) teilweise aus der ECC-Struktur ausgliedern und als selbstständige PR-Agentur Molthan van Loon Communications Consultants (MvL) neu gründen. MvL übernimmt zwar die Mitarbeiter und Kunden, bleibt auch ‚Exclusive Associate Partner‘ bei ECC und kann alle Services der Gruppe wie bisher nutzen. ‚Im Alltagsgeschäft ändert sich nichts‘, sagt Schulze van Loon. Aber die ECC Group hält künftig nur noch 25 Prozent bei MvL, Molthan und van Loon können das Unternehmen wie eine inhabergeführte Agentur leiten. Das Modell ist eine Abkehr vom Zentralismus, den ECC Kohtes Klewes Anfang 2001 eingeführt hatte. Seitdem sind deren lokale Agenturen keine eigenen Firmen mehr, sondern Filialen der Zentrale in Düsseldorf. Molthan und van Loon hatten intern klar gemacht, dass diese Struktur für sie auf Dauer unattraktiv sei; sie wollten wieder unternehmerische Verantwortung für das Hamburger Büro tragen. Um das Duo an sich zu binden, hat ECC nun dem neuen Modell zugestimmt, das offiziell ein Einzelfall bleiben und keine Folgen in der Gruppe haben soll; ob die Zentrale diese Haltung wird durchhalten können, ist aber offen. Kohtes Klewes Hamburg hatte nach der Zentralisierung auch wirtschaftlich an Schwung verloren, die Zahl der Mitarbeiter ist von gut 30 auf jetzt 20 gesunken.
(Welt 14.2.2005, Nr. 37, S. 36)
Diese erreichte „Sonderstellung“ konnten Schulze van Loon und Molthan auch in den Folgejahren verteidigen, als ECC Kohtes Klewes im Herbst 2004 mit anderen Partnern zu Pleon Worldwide fusionierte. „Molthan van Loon bleibt Exclusive Associate Partner der Pleon-Gruppe, kann also alle Ressourcen des Marktführers nutzen, ohne dass die Gruppe ihrerseits an Molthan van Loon beteiligt ist. Die Konstruktion ist einmalig in der Branche. Sie darf als Auszeichnung gelten: Pleon will die Agentur ans Netzwerk binden, ohne ihren unternehmerischen Spielraum einzuengen.“ (Welt 14.2.2005, Nr. 37, S. 36)
Ab 1.1.2003 als Molthan van Loon Communications
Dietrich Schulze van Loon und Kerstin Molthan – die seinerzeit auch privat liiert1 waren – fanden eine ideale Konstellation, ihre beruflichen und persönlichen Vorstellungen in Einklang zu bringen.
Für Schulze van Loon und Molthan erfüllt sich eigenen Angaben zufolge ein lang gehegter Wunsch. ‚Wir können jetzt das Beste aus zwei Welten vereinen‘, erklärt Agenturchefin Kerstin Molthan. Die Kombination aus schnellen unternehmerischen Entscheidungen und dem Zugriff auf die Ressourcen der ECC-Gruppe sei eine ideale Konstellation
(Horizont 24.10.2002, S. 28).
Damit erprobte Dieter Schulze van Loon im Jahr seines 50. Geburtstages2 ein neues Agentur-Konzept. Auch bei seiner erneuten organisatorisch-geschäftlichen Pirouette bewies er sein Gespür für kommende Entwicklungen. Denn 2004 sah die deutsche Agenturlandschaft schon wieder anders aus als bis 2000, und der „Silberstreif am Horizont“ (PR-Magazin 2004/8, S. 14) wurde nicht mehr nur von Großagenturen an den Himmel gemalt:
Die neue Agenturvielfalt. Die Beraterbranche befindet sich im Umbruch. Kleine Spezialisten greifen an, die großen Networks punkten mit differenzierten Services unter einem Dach. Verlierer der Marktbereinigung: Mittelgroße Alleskönner.
(Barth 2004, S. 17)
Man positionierte sich nicht als „PR-Agentur im herkömmlichen Sinn“, sondern als „Kommunikationsberatung für Unternehmen und Marken“ (Welt, 1.9.2003, Nr. 203, S. 36).
In der PR-Dienstleisterbranche generell ging es „nach dem Konjunktureinbruch der Jahre 2002 und 2003“ zwei, drei Jahre später wieder aufwärts. „Davon profitiert auch der Medienstandort Hamburg, der sich zunehmend zu einer Hochburg der PR-Branche entwickelt“ (Welt, 8.3.2006, S. 36).
Die erfolgreichen Jahre von Molthan van Loon
Kunden für Marken-PR und Corporate Communications
Die Agentur begann mit acht Kunden.3 Eine Datenbankrecherche von Branchenmeldungen in der Presse ergab für die Jahre 2003-2005 u.a. folgende Kunden der Agentur Molthan van Loon (unberücksichtigt bleibt hier, wenn bereits vorhandene Kunden neue Projekte auflegen):
2003: British American Tobacco (BAT, Lucky Strike), BDO Deutsche Warentreuhand AG, Neumann-Gruppe, Unilever mit Becel, Elbschloss-Residenz, Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE), Finanzanlagengesellschaft MPC Münchmeier Petersen Capital AG Hamburg …;
2004: Bremer Brauerei Beck & Co. (Marken-PR und innovatives Vertriebskonzept), Beiersdorf (Nivea Sun), Allianz (Leben und Baufinanzierung), Industrie Kapital Deutschland, Bremer swb AG …;
2005: SKP, Hochtief Development …4
Umsätze und Organisation
Molthan van Loon legte mit einem Honorarvolumen von 1,75 Millionen Euro los.5 Im ersten vollen Jahr erreichte der „Nettohonorar-Umsatz (…) 2,5 Millionen Euro“ (Welt, 15.5.2004, Nr. 113, S. 42). 2005 wurden 3,16 Millionen Euro erwirtschaftet, das bedeutete ein Plus 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr.6 Ein Jahr später, also 2006, waren es noch einmal über 10 Prozent mehr, der Honorarumsatz betrug damit 3,5 Millionen Euro.7
Die Mitarbeiterzahl im Jahre 2004 betrug 26.8 Ein Jahr später waren es schon 35. Im Herbst 2005 zog die Agentur „vorsorglich in größere Räume“:
Die neuen Agenturbüros zwischen Speicherstadt und Hafencity bieten Platz für bis zu 50 Mitarbeiter.
(Welt, 8.3.2006, Nr. 57, S. 36).
2005 verbreiterte die Agentur ihre Führungsbasis: Neben die zwei Inhaber „traten die langjährigen Senior Consultants Petra Friedländer, 36, Anne Marei Laack, 34, und Carsten Morgenstern, 33, als Prokuristen“ (Kontakter 21.2.2005, Seite 15). 2007 wurden „die Prokuristinnen Petra Friedländer und Anne Marei Laack zu Geschäftsführerinnen ernannt.“ (Welt, 8.3.2007, Nr. 57, S. 37).
Beide Agenturinhaber förderten Bildung und Personalentwicklung. Molthan und van Loon gründeten „die MvL Academy (…), ein internes Aus- und Fortbildungsprogramm, das die Mitarbeiter immer auf dem neuesten Stand des Branchen-Know-hows halten soll“ (Welt, 14.2.2005, Nr. 37, S. 36). Außerdem stifteten sie den „Molthan van Loon Award“ für den „PR-Professional des Jahres“.9
Anmerkungen
1 „Sie sind nicht nur privat ein Paar, sondern auch beruflich: Dietrich Schulze van Loon (50) und Kerstin M. Molthan (44). Sein Vater Reiner (80) ist der Altmeister der PR-Branche in Hamburg. Sie war früher unter anderem bei Reemtsma und IPR&O in Führungspositionen. Nun wollen die beiden Profis der Szene es noch einmal mit einer eigenen Agentur wissen. (…)“ (Welt, 1.9.2003, Nr. 203, S. 36). Vgl. auch DSvL Interview.
2 Vgl. Welt 16.6.2003, Nr. 137, S. 36.
3 Vgl. Welt 1.9.2003, Nr. 203, S. 36.
4 Vgl. Welt 1.9.2003, Nr. 203, S. 36; 9.2.2004, Nr. 33, S. 33; 15.5.2004, Nr. 113, S. 42; 14.2.2005, Nr. 37, S. 36.
5 Vgl. Welt 1.9.2003, Nr. 203, S. 36.
6 Vgl. Welt, 8.3.2006, Nr. 57, S. 36.
7 Vgl. Welt 8.3.2007, Nr. 57, S. 37.
8 Vgl. Welt, 15.5.2004, Nr. 113, S. 42.
9 2009 für Thomas Voigt von der Otto-Group. Vgl. PR-Report, Awards 2009.