Die 1990er-Jahre – Zeit wechselnder Chancen und Allianzen I
Organisatorische Veränderungen und Wachstum Anfang der 1990er-Jahre
Teilweise Umbenennung und Zusammenschluss mit R&O
Seit 1. Januar 1990 hieß die kurz zuvor von Sohn Dietrich übernommene, einst von Dr. Reiner Schulze van Loon gegründete, Agentur IP International Public Relations. In dem Übernahme-Pressegespräch vom 7.11.1989 hatten Dietrich Schulze van Loon und sein Stellvertreter Günther Moritz ehrgeizige Wachstumsziele – einschließlich möglicher Zukäufe – verkündet. Nunmehr wurden „Nägel mit Köpfen“ gemacht.
In einem Pressegespräch am 11. Juli 1990 im Hamburger Restaurant „Christo’s“, Sierichstraße 44 – also in der Nachbarschaft von IP –, gaben Dietrich Schulze van Loon, Tilmann Görres und Ludwig Vogg den Zusammenschluss von IP International Public Relations mit Relations & Opinion (R&O) zur IPR&O Beratungsgesellschaft für Kommunikation mbH bekannt. Schulze van Loon war Mehrheitseigner.1
Unter das Dach der französischen Euro RSCG
Und es folgte bald die nächste organisatorische Veränderung, die vereinigte Agentur kam zur französischen Gruppe Euro RSCG. „Wir waren 1990 der europäischen Vision anheimgefallen und meinten, da etwas machen zu müssen.“ (DSvL Interview)2 Die Zugehörigkeit zu Eurocom wurde im Pressegespräch am 15. April 1991 um 16.30 Uhr bekanntgegeben.3 Das Hamburger Büro von IPR&O Eurocom Corporate & PR Beratungsgesellschaft für Kommunikation mbH befand sich in der Stresemannstraße 1634, die neuen Räume im 5. Stock der „Neuen Flora“ konnten ab 18 Uhr besichtigt werden.
„IPR&O ist im Norden eine feste Größe.“ Nach wie vor zu spüren war das Gen inhabergeführter Agenturen:
IPR&O legt großen Wert auf seine Eigenständigkeit.“ Nach dem Verkauf von Anteilen „an Eurocom Corporate & PR ließ die Geschäftsführung keine Gelegenheit aus, die eigene Identität zu betonen.
(PR-Magazin 1992/10, S. 35)
Der Zusammenschluss von Dietrich Schulze van Loon mit der kleineren Agentur Relations & Opinion zu IPR&O – bald unter dem Dach der französischen Gruppe EUROCOM – erbrachte 1990 eine deutliche Steigerung der Honorarerlöse auf 6,7 Millionen DM und der Mitarbeiterzahl auf 55. Im Jahr 1991 waren es schon 8,1 Millionen DM.5 Nur „(d)urch die starke wirtschaftliche Position des Marktführers im Norden“ – genauer gesagt: durch das eben benannte Honorarwachstum von 20 Prozent bei IPR&O – konnte die Eurocom-Gruppe ein knappes Wachstum ausweisen.
Für 1992 erwartete IPR&O nur noch eine Steigerung auf 8,4 Millionen DM (PR-Magazin 1992/10, S. 35). Am Ende, nach Jahresschluss 1992, konnte die Agentur schließlich sogar 8,6 Millionen Mark vermelden. „IPR&O beschäftigt 62 Mitarbeiter, einschließlich des Bonner Büros, das jetzt zu 100 Prozent zur Hamburger Muttergesellschaft gehört.“ (Horizont 19.3.1993, S. 31)6
Go East! Engagement in der künftigen Hauptstadt Berlin
Der traditionelle Jour du Cognac fand am 8. November 1990 erstmals in einem Hotel in Berlin statt und die Teilnehmerliste verzeichnet auch Journalisten aus der ehemaligen DDR. Auch die Cognac-Treffen der zweiten Jahreshälfte 1992 (24.11.) und 1994 (19.10.) nutzten eine Berliner bzw. eine Dresdner Location.
Spätestens 1991 verfügte die Agentur über ein Büro in Berlin, am Kurfürstendamm 209. Am 21.8.1991 richtete es im Grand Hotel Berlin eine Informationsveranstaltung für den traditionellen Kunden Outspan (Zitrusfrüchte) aus. Zwei Tage später, am 23.8., fand ein Pressegespräch zum Allergie-Symposion für die Scherax Arzneimittel GmbH Hamburg in der Spreemetropole statt. Am 4.9. wurde auf der Berliner Funkausstellung zu einem Presse-Empfang für die Scanel GmbH (u.a. Sat-TV) geladen. Eine Betriebsbesichtigung einer ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) der DDR gehörte zum Programm eines Pressemeetings bei Berlin für den Champignon- u. Kulturpilzanbauer e.V. am 17.6.1992.
Die Geschäfte in Ostdeutschland und Osteuropa liefen allerdings nicht wie erwartet, sondern schlecht. Deshalb wurde auch die Berliner Dependance der Agentur wieder geschlossen.7
In den Krisenjahren 1993-1995 konnte sich Agentur zunächst gut halten, kam aber am Umbruch nicht vorbei
Zwei, drei Jahre nach dem Beginn der 1990er-Dekade wurde die PR-Marktsituation generell als schwierig, bei anderen Agenturen gar 1993 als Krisenjahr, eingeschätzt. Eurocom Corporate & PR bewältigte aber das „Krisenjahr 93 souverän“ (Horizont 25.2.1994, S. 29).
Das Eurocom-PR-Netzwerk antwortete auf den schwierigen Markt mit Dezentralisierung: Das lokale Management sollte, sofern dies noch nicht der Fall war, als Gesellschafter an den Agenturen beteiligt werden. Die „Führungscrew der Gruppe“ bestand seinerzeit aus Egbert Deekeling, ABC Düsseldorf, Hans Peter Koopmann, ABC Berlin, Dieter Schulze van Loon, IPR&O Hamburg, Gisela Weck-Köhler, IPR&O Bonn, sowie Michael Tost, ER&T Düsseldorf. Schulze van Loon trat als Sprecher auf (Horizont 14.10.1994, S. 27).
Bei IPR&O Hamburg gab es ebenfalls „Veränderungen im Gesellschafterkreis“. Dietrich Schulze van Loon fungierte als Hauptgeschäftsführer (Horizont 25.2.1994, S. 29)8
1994 musste dann auch die Euro RSCG International Communications Federn lassen. Trotz 4,5 Prozent Minus zum Vorjahr blieb das PR-Netzwerk aber Marktführer.9 Dennoch waren weitere Konsequenzen angesagt: 1995 wurde zum Jahr des „völligen Umbruchs“. Und Dieter Schulze van Loon als „Chairman der neu formierten Euro RSCG International Communications wurde (…) zwar ‚viel Ehre, aber noch mehr Arbeit‘ zuteil.“ Nach internen Strukturreformen und mit „einer stark reduzierten Mannschaft“ erholte sich die Situation gegen Ende 1995 (Horizont 15.12.1995, S. 74f.).10
Im Frühjahr 1996 gab sich Euro RSCG „runderneuert“, „jetzt müssen Neugeschäftserfolge die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges beweisen“. Unter „gemeinsame(r) Führung von Dr. Andreas Danyliuk, „seit einem Jahr Chairman und CEO der Gruppe“, und Dieter Schulze van Loon lautete die Devise: „PR und Werbung stehen ganz im Zeichen integrierter Kommunikation“ (Horizont 5.4.1996, S. 33).
Bald danach – noch 1996 – wird aber Dieter Schulze van Loon die Euro RSCG verlassen.11
Bevor wir allerdings die organisatorische Entwicklung in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre weiter verfolgen, wollen wir noch in der ersten Hälfte verbleiben und uns den Projekten und Kunden der Agentur zuwenden.
Anmerkungen
1 Der Gesellschaftsvertrag datiert vom 20. Juni 1990, führt ein Stammkapital von 50.000 DM und drei Geschäftsführer an und wurde unter HRB 45079 im Handelsregister eingetragen.
2 „(…) sprach uns auf einem GPRA-Meeting G. Thiele (von ABC) an. Wir sind jetzt mit den Franzosen unterwegs, also Euro RSCG, und Hamburg ist doch eigentlich ein wichtiger Standort, aber kaum ein Internationaler hat es hier hingekriegt. Deshalb bräuchten wir noch eine gute Truppe in Hamburg. So ist das in Gang gekommen. Dann haben sie sich an uns beteiligt.“ (DSvL Interview) Strategisch und operativ umgesetzt hat diesen Prozess Ralf Hering: „Vor der Gründung von Hering Schuppener leitete Hering von 1985 bis 1994 die nationalen, ab 1989 zusätzlich auch die internationalen Aktivitäten von ABC, dem damaligen deutschen PR-Marktführer, und von Euro RSCG (heute: Havas).“ (PR Report 19.2.2018)
IPR&O war schließlich – gemeinsam mit ABC und ER&T – die PR-Tochter der Werbeagentur Euro RSCG International, einer französischen Gruppe (Horizont 10.2.1995, S. 31). Die PR-Gruppe firmierte unter dem gemeinsamen Label der Holding Eurocom Corporate & PR. Euro RSCG wurde später zu Havas.
3 Gelegentlich hielt die Agentur auch Pressegespräche oder Veranstaltungen in eigener Sache ab. „Spanische Nacht“ lautete das Motto eines „Jahresempfangs“ in allen Agenturräumen am 20.1.1992. Am 20.7.1994 informierte sie über eine Kampagne für den Deutschen Bundestag. 1995 waren gleich zweimal Veränderungen unter dem Dach von Euro RSCG Int. SA Paris Thema von Treffen mit Journalisten (am 15.3. und am 17.8.). Vgl. „Gästebücher“ (Fotoalben) der Agentur.
4 Vgl. u.a. PR-Magazin 1992/10, S. 35.
5 Vgl. PR-Magazin 1991/5, S. 30; 1992/5, S. 15.
6 Chefs von IPR&O waren seinerzeit Dieter Schulze van Loon, Tilman Görres und Ludwig Vogg. Vgl. Horizont 19.3.1993, S. 31.
7 Vgl. Horizont 19.3.1993, S. 31. Einen zweiten Startversuch in Berlin gab es dann noch einmal im September 1995: IPR&O Hamburg eröffnete eine Filiale in Berlin unter Geschäftsführer Sven Henry Wegerich (W&V 25.8.1995, S. 24).
8 Die beiden 53-jährigen Tilman Görres und Ludwig Vogg schieden als Gesellschafter aus, andere kamen hinzu: „So übernahmen Ulrike Hanky-Mehner, 32, und Patrik Buchtien, 37, Anteilspakete von jeweils 12 Prozent.“ (Horizont 25.2.1994, S. 29)
9 Vgl. Horizont 24.3.1995, S. 36.
10 „Beim Honorarumsatz wird sich der Branchenprimus (…) auf dem Niveau des Vorjahres von etwa 30 Millionen Mark halten. (…) 25 Mitarbeiter weniger als vor Jahresfrist stehen auf der Gehaltsliste. ‚Wir haben die Verwaltung ausgedünnt‘ (…)“ (Horizont 15.12.1995, S. 74f.)